BANKENINFRASTRUKTUR

Starke Banken brauchen eine starke IT

Christoph Helm, Foto: Erste Bank

Die Rolle der Bank-IT hat sich im Zuge der Digitalisierung gewandelt, weiß Chrisoph Helm. War sie früher nur "Provider", ist sie heute echte Kernkompetenz der Banken. Als Wegbereiterin ist die IT ein wesentlicher Schlüssel zu den Kunden und ein wichtiger Motor für Innovationen. Die IT wird zum Partner auf Augenhöhe und gestaltet aktiv die Zukunft des Bankwesens. Gleichzeitig entscheidet die Cyber-Sicherheit auch über das Vertrauen, das ein Anbieter genießt. Als nächste Herausforderungen nennt der Autor Künstliche Intelligenz und Quantenrechner. Red.

Anfang März 2020 haben sich die führenden Köpfe von Erste Digital, dem IT-Unternehmen der Erste Group, zusammengesetzt und überlegt, wie man einen Stresstest durchführen könnte. Es hätte dabei die Belastbarkeit der IT-Infrastruktur überprüft werden sollen.

Wenige Tage später wurde daraus der Ernstfall. Am 16. März 2020 zeigte sich, wer seine Hausaufgaben in Sachen Digitalisierung in den vergangenen Jahren gemacht hatte: Der erste Lockdown in Österreich, bei dem Tausende Mitarbeiter der Bank ins Homeoffice geschickt werden mussten, war Stress, aber leider kein Test. Binnen kürzester Zeit mussten Bandbreiten erhöht, Laptops ausgeben, VPN und Remote Zugriffe eingerichtet und die Mitarbeiter für das Homeoffice fit gemacht werden. Diese Schritte waren auch wegen des hohen Online-Aufkommens nötig.

Über Nacht wurde Homeoffice zur Herausforderung

Schließlich wurden auch rasch zusätzliche Online Tools für zum Beispiel die angebotenen Zinsstundungen entwickelt. Auch deswegen stiegen die Online-Zugriffe von Erste-Kunden um ein Vielfaches. Der Druck war enorm, aber rückblickend gesehen war die IT der Erste Group bestens gerüstet.

Die Anforderungen für die IT der Erste Bank und Sparkassen in Österreich bleiben weiter hoch. Insgesamt beschäftigt die Gruppe in Österreich knapp 16 000 Mitarbeiter. Bis zum Lockdown im März 2020 waren davon maximal 1 500 Beschäftigte gleichzeitig von zu Hause aus tätig, danach verzeichneten wir mehr als 10 000 Logins aus dem Homeoffice. Gleichzeitig sind in der IT rund 2 000 Mitarbeiter beschäftigt; sie hatten alle Hände voll zu tun. Die großen Herausforderungen waren zum einen die Remote-Arbeitsplätze und zum anderen die digitale Kundenbetreuung. Auch hier schnellten die Zahlen stark nach oben.

Plattform "George" mit neuen Nutzungsrekorden

Am 1. April 2020 erlebte George, die digitale Banking-Plattform der Erste Group, zwischen neun und zehn Uhr die bis dahin stärksten "Login-Minuten" seiner sechsjährigen Geschichte am öster reichischen Markt: Mehr als 2 300 Zugriffe pro Minute, mehr als 128 000 Logins pro Stunde - das war ein Vielfaches des normalen Durchschnitts. Normalerweise wäre das ein Grund zum Feiern - doch nicht in diesem Fall. Die enorme Verunsicherung der Kunden war greifbar: Der Blick aufs Konto und der Geldeingang zum Monatsbeginn war plötzlich wichtiger denn je.

Und die Zugriffe steigen weiter: mittlerweile werden an manchen Tagen fast 3 000 Zugriffe pro Minute verzeichnet. Die Mobile Logins sind von 71 (März 2020) auf 103,5 Millionen (März 2021) angestiegen, während sich die Web Logins auf einem hohen Niveau von 16,2 Millionen eingependelt haben.

Dass Erste Bank und Sparkassen während der Pandemie für die Kunden auch online präsent bleiben konnten, lag daran, dass bereits in der Vergangenheit viele richtige Entscheidungen getroffen wurden. Schließlich wird eine IT-Lösung nicht von einem Tag auf den anderen entwickelt und umgesetzt.

Die Internetbanking-Plattform George wurde damals parallel zur klassischen IT entwickelt und hat aufgrund ihrer Funktionalität und einfachen Bedienbarkeit viel Aufsehen in der Bankenbranche erregt. Diese Plattform wird permanent verbessert und ausgebaut und auch von den Bankentöchtern der Erste Group in Zentral- und Osteuropa verwendet; insgesamt setzen mehr als sieben Millionen Kunden der Erste Group auf George für ihr tägliches (und nicht-alltägliches) Banking. In Ungarn hat die Erste Bank Hungary zum Beispiel erst vor kurzem George eingeführt - dafür gleich die moderne Cloud-Version. Damit ist die ungarische Mobile App von George auf dem neuesten Stand.

George ist aber mehr als nur ein erfolgreiches Produkt. Es zeigt auch, wie eine Bank mithilfe einer intelligenten und nutzerfreundlichen Internetbanking-Plattform erfolgreich einen Wandel vollzieht und sich neuen Bedingungen und Kundenbedürfnissen anpasst.

Flexibilität entscheidet über Sein oder Nichtsein

"Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste. Es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann" - dieses Zitat von Charles Darwin stammt aus einer Zeit, in der das Wort "Digitalisierung" noch unbekannt war. Dennoch passt das Zitat bestens in unsere Zeit, in der Banken die Digitalisierung nicht länger nur anwenden, sondern sich unter deren Einfluss selbst verändern. Die Erste Group verändert sich, wenn auch nicht sofort und immer für die Kunden sichtbar. Bei George stand von Anfang an der Kunde im Mittelpunkt und alle - Business, Management und IT - unterstützten damals in enger Zusammenarbeit gemeinsam das Projekt.

Rückblickend war das vermutlich das Erfolgsgeheimnis von George: Dieses Projekt war ein erster Businessfall für ein neues Zusammenwirken - näher beim Kunden und ganz im Sinn agiler Transformation umgesetzt. Ein Weg, welcher IT und Business noch enger zusammenbringt und so mehr entstehen lässt. Ein Ansatz, der bei Erste Digital nun auch bei fast allen neuen Projekten und Entwicklungen angewendet wird.

Remote ist das neue Zauberwort

Remote ist das neue Zauberwort der Bankenwelt. Die Pandemie hat gezeigt, dass die Beratung via Videocall nicht nur funktioniert, sondern auch bei den Kunden gut ankommt. Nun gilt es, diesen Kanal weiter auszubauen.

Erst vor wenigen Wochen hat die Erste Bank Oesterreich ihr neues Remote-Beratungszentrum eröffnet, mit dem sich digitalaffine Kunden die klassische Filiale in die eigenen vier Wände holen können. Das neue Remote-Beratungszentrum mit aktuell rund 50 Mitarbeitern ist eine moderne Ergänzung zu den bestehenden Kontaktmöglichkeiten und bietet hochqualifizierte und persönliche Kundenberatung an jedem Ort der Welt - bis hin zum finalen Produktabschluss. Das Ganze ist dabei viel mehr als nur ein simples Videotelefonat wie man es kennt, sondern bringt in filmreifer Studioqualität das Beratungsgespräch zu den Kunden nach Hause. Man kann sich einen Telefonoder Videoberatungstermin mit seinem persönlichen Remote-Betreuer vereinbaren, muss dafür keine Software installieren oder sonstige Bedingungen erfüllen. Mithilfe des Co-Browsing können Kunden und Berater gleichzeitig auf derselben Website surfen. Alle Dokumente werden online unterschrieben und sind jederzeit abrufbar. Einfach, transparent und papierlos.

Höchste Convenience und Qualität in einer zunehmend digitalen Welt - das gute Kundenfeedback zeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Um auch in den Filialen modernste Technologie und schnellsten Service zur Verfügung stellen zu können, wird in den nächsten Jahren auch die Netzwerkbandbreite an rund 1 000 Standorten mit der neuen Glasfasertechnologie verstärkt und die Leistung damit verfünffacht.

Ohne Cyber-Defense droht der Supergau

Tausende Mitarbeiter, die von der Ferne aus auf Banksysteme und sensible Daten zugreifen, tausende Kundenzugriffe - das ist der Albtraum aller IT-Sicherheitsexperten. Stets schwingt die Angst vor Hackerangriffen mit und die Sorge ist nicht unberechtigt. Allein Erste Bank und Sparkassen in Österreich analysieren täglich rund 400 000 sicherheitsrelevante Ereignisse, um selbst ausgeklügelte und mehrstufige Hackerangriffe zu verhindern.

Die 50 Mitarbeiter des Cyber-Defense-Centers sind täglich in Daueralarm. Doch mit einer ausgefeilten Softeware-Architektur und nationalen und internationalen Kooperationen wie dem CERT-Verbund und der Trusted Introducer Community, wurden bisher große Zwischenfälle vermieden. Trotz aller Neuerungen und Möglichkeiten darf die Datensicherheit nie auf der Strecke bleiben. Kundendaten sind das Gold der Banken und der seriöse Umgang damit hat oberste Priorität. Bankwesen ist Vertrauenssache und verliert eine Bank das Vertrauen seiner Kunden, verspielt sie ihre wirtschaftliche Basis. So stärken auch wir bei Erste Digital laufend das Team unseres Cyber-Defense-Centers.

Hat man die letzten Neuerungen erst verdaut, stehen in der IT schon die nächsten Herausforderungen an. Die Themen Künstliche Intelligenz und auch Quantenrechner werden zu den nächsten großen Veränderungen in der Banken-IT führen. Während Machine Learning oder KI bereits bei einzelnen Themen wie Kundenservice, Risk-Management, im Cyber-Defense und der Produktentwicklung zum Einsatz kommen, gibt es auch schon Überlegungen, wie in Zukunft das Potenzial von Quantenrechnern genutzt werden kann.

Gemeinsam mit Partnern wie Universitäten oder auch großen Herstellern wollen wir mit Prototypen von Quantenrechnern erste Simulationen laufen lassen. Erste Anwendungsfälle gibt es im Risk-Management, aber auch beim Thema Sicherheit werden Quantenrechner in Zukunft eine große Rolle spielen. Noch ist die Technologie der Quantenrechner nicht ausgereift, um sie bereits professionell nutzen zu können, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Rechner auch im kommerziellen Bereich an den Start gehen werden. Hierfür gilt es gerüstet zu sein.

KYC geht nur über die IT

Mit George stellen wir unseren Kunden eine Internetbanking-Plattform zur Verfügung, die ihr persönlicher Begleiter im Finanzleben ist und höchste Convenience bietet. Doch das war nur der erste Schritt, in Zukunft muss es vielmehr darum gehen, den Kunden bedarf noch besser zu verstehen und mithilfe der IT proaktiv auf den Kundenwunsch eingehen zu können. Wenn man bedenkt, dass nur noch ein Drittel der Retail-Kunden einen regelmäßigen Kontakt mit einem fixen Kundenbetreuer in einer Filiale hat und die digitalen Kundenkontakte dafür massiv steigen, wird das Ausmaß offensichtlich.

Doch nun gilt es, aus den derzeit sehr komplexen Datensammlungen die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Ergebnisse in die Kundenberatung einfließen zu lassen. In Zukunft soll nicht der Kunde zur Bank kommen und einen Bedarf anmelden, sondern vielmehr sollte die Bank ihren Kunden Möglichkeiten und Chancen aufzeigen, die das Geldleben deutlich optimieren würde, sofern dies gewünscht und freigegeben ist.

Hat sich früher eine Bank ein IT-Rechenzentrum geleistet, so ist die IT heute so wie das Risk-Management oder die Kreditvergabe eine echte Kernkompetenz einer Bank. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man nun auch verstärkt IT-Kompetenz in allen anderen Bereichen der Bank braucht. Die Daten auszuwerten und zu visualisieren ist Aufgabe des Daily Business.

Die Erste Digital

Mehr als 2 000 Beschäftigte mit 49 verschiedenen Nationalitäten sorgen bei der Erste Digital dafür, dass die Kunden der Erste Group auch in Zukunft von innovativen digitalen Lösungen profitieren können. Das Unternehmen ist für die Entwicklung, Implementierung und den Betrieb der IT-Lösungen verantwortlich, die von den mehr als 16 Millionen Kunden der Erste Group genutzt werden. Die wichtigsten Business-Lösungen umfassen die Bereiche Retail, KMU und Corporates & Markets und beinhalten auch George, den digitalen Finanzbegleiter, der von mehr als sieben Millionen Kunden genutzt wird.Die Zentrale von Erste Digital befindet sich am Erste Campus in Wien, in dem auch Erste Group und die Erste Bank Oesterreich ihren Sitz haben. Darüber hinaus gibt es auch Niederlassungen in Bratislava und Prag. Das von Erste Digital angebotene Spektrum an Jobprofilen ist weit gefasst und reflektiert den hohen Stellenwert, den digitale Exzellenz heutzutage im Bankwesen einnimmt. Die Spezialisten zeichnen sich nicht nur durch Kompetenzen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Cloud Engineering, Datenbetrieb und -analyse sowie Front-End- und Back-End-Lösungen aus, sondern auch durch ihr fundiertes Banking- Know-how. Die Projektmanager, Agility Coaches und Scrum Master im Unternehmen stellen die für eine effektive Leistungsbereitstellung erforderliche Koordination sicher.Ein Schwerpunkt von Erste Digital ist auch die Förderung von Frauen in der IT: Der Frauenanteil im Gesamtunternehmen liegt bei 24 Prozent und jede sechste Führungsposition ist mit einer Frau besetzt. Die Unternehmensleitung setzt auf Teams, in denen es einen guten Gender-Mix gibt. Ziel ist es, den Frauenanteil in der IT weiter zu er höhen.

Foto: Erste Bank

Daten und Fakten zu George

Im Januar 2015 ging die Internetbanking-Plattform George der Erste Bank und Sparkassen an den Start in Österreich. Heute nutzen bereits über sieben Millionen Erste-Kunden in sechs Bankenmärkten dieses vielfach ausgezeichnete Internetbanking. Erst zuletzt ging George in Ungarn an den Start und auch dort ist das Kundenfeedback fulminant. Die George-App steht im Apple-Ranking in Österreich aktuell bei 4,8 von möglichen fünf Punkten. Um George am Puls der Zeit zu halten, arbeiten IT-Entwickler, Designer und Bankexperten in mehreren Ländern in sogenannten Squads zusammen. Neue Features werden von den ausgewählten Test-Kunden in "User Stories" bewertet. Diese Bewertung fließt in monatliche Deployments ein, die eine optimale Weiterentwicklung von George gewährleisten sollen.

Christoph Helm , Chief Information Officer , Erste Digital GmbH, Wien

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