Arbeitsteilung im Verbund

Über kleine und große Genossenschaftsverbände

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Die gängigen Argumente für die Fusion von Verbänden in der genossenschaftlichen Finanzgruppe überzeugen die PSD-Banken nicht: Die Einsparpotenziale sind überschaubar, die Nähe zu den Mitgliedern dafür geringer, so die Autoren. In einem Einheitsverband könnten Institute mit abweichenden Geschäftsmodellen, wie es die PSD-Banken sind, nur verlieren. Die Diskussion um die Fusionierung von Verbänden ist nach Einschätzung von Rudolf Conrads und Karl-Friedrich Walter darüber hinaus die falsche. Wichtiger ist aus ihrer Sicht die verbindlich festgeschriebene Aufgabenverteilung innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe. So ließen sich wirkliche Effizienzgewinne erzielen. Red.

Schon lange gibt es in der genossenschaftlichen Finanzgruppe Diskussionen um die zukünftige Struktur der Verbände. So ist unter dem Schlagwort "Bündelung der Kräfte" vor Jahren die Vision eines nationalen Genossenschaftsverbandes in Deutschland geboren worden. Es kam damals aus vielfältigen Gründen nicht zu diesem einen nationalen Verband. Und dennoch verrät ein Blick auf die genossenschaftliche Verbändelandschaft, dass eine Konzentration stattgefunden hat. Insgesamt sind die knapp 1 100 Genossenschaftsbanken aktuell über fünf Regionalverbände, zwei Spezialverbände und zwei Dachverbände (Bundesverband deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken und Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband) organisiert und miteinander verbunden.

Der letzte Anlauf zweier großer genossenschaftlicher Verbände zur Fusion hat vor wenigen Wochen nicht bis ins Ziel geführt. Bei allen Geschäftsverteilungsplänen oder personellen Entscheidung, die im Rahmen einer Fusion geklärt werden müssen und an denen eine Fusion scheitern kann, ist es jedoch wichtig, sich stets in Erinnerung zu rufen, ob und wann Zusammenschlüsse genossenschaftlicher Akteure sinnvoll sein können.

Vergleichsweise geringes Einsparpotenzial durch Fusionen

Das oberste Gebot von genossenschaftlichen Zusammenschlüssen sollte sein, durch das Zusammengehen einen erheblich höheren Nutzen für die Mitglieder zu generieren. Denn: Für alle Genossenschaften oder auch genossenschaftliche (Prüfungs-) Verbände ist das Förderprinzip konstituierend, sodass beide nicht ihren eigenen individuellen Nutzen, sondern generell den Nutzen ihrer Mitglieder mehren sollen. Daher sind genossenschaftliche Verbände als nichtwirtschaftliche Vereine, also auch nicht primär auf Gewinnerzielung ausgelegt, sondern es sollte ihnen das Kostendeckungsprinzip zugrunde liegen.

Ein Argument für einen Groß- oder Einheitsverband ist eine mögliche Kostenersparnis. Das Projekt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken "Abbau von Doppelarbeiten im genossenschaftlichen Verbund" hat schon vor Jahren gezeigt, dass zwar Doppelarbeiten bei den Verbänden existieren, jedoch das Einsparpotenzial vergleichsweise gering ist.

Großverbände mit geringerer Flexibilität

Ein zweites Argument, mit dem sich ein Groß- oder Einheitsverband auseinandersetzen müsste, ist die Frage nach der Homogenität der Mitglieder und deren Bedürfnisse. Die genossenschaftliche Finanzgruppe ist keine homogene Gemeinschaft, in der alle Mitgliedsinstitute gleich aufgestellt sind oder die gleichen Bedürfnisse haben. Und dennoch muss ein Groß- oder Einheitsverband alle Mitglieder gleich gut beraten, betreuen, unterstützen und deren Bedürfnisse erfüllen. Und diese Kosten werden wiederum von allen Mitgliedern getragen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Bedürfnisse von Mitgliedern über die Jahre ändern und somit auch die Anforderungen an die Leistungen und Leistungsfähigkeit eines (Prüfungs-)Verbandes. Jeder weiß, dass sich ein Schnellboot leichter lenken lässt als ein Tanker. Es muss bezweifelt werden, ob ein Groß- oder Einheitsverband dem stark veränderten Bedarf der Mitglieder auch mit Organisationsumbau oder sogar Wegfall einzelner Aufgabenstellungen flexibel Rechnung tragen würde.

Effizienzsteigerungen: Nutzen für die Mitglieder fraglich

Ein anderes Argument, welches für einen Groß- oder Einheitsverband sprechen könnte, scheint eine mögliche Effizienzsteigerung zu sein, das heißt in einem Groß- oder Einheitsverband könnte das Know-how der genossenschaftlichen Finanzgruppe effizienter gebündelt und den Mitgliedern somit besser zur Verfügung gestellt werden.

Mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Groß- oder Einheitsverbandes können unstrittig Vorteile erzielt werden. Inwieweit sich allerdings beispielsweise die Qualität von Rundschreiben oder aufsichtsrechtlichen Empfehlungen und Maßnahmen für die Mitglieder spürbar und nachhaltig verbessern, wenn ein Verband seine Mitarbeiteranzahl oder Verbandsgebiet vergrößert, erschließt sich nicht.

Verbände im Dilemma

Wie bereits festgestellt, ist die genossenschaftliche Finanzgruppe keine durchgängig homogene Gruppe und auch nicht wie ein Konzern strukturiert. Daher haben die Mitglieder in einem Groß- oder Einheitsverband eher divergierende Interessen. Und damit befinden sich Verbände sehr schnell in einem Dilemma, denn sie haben auch einen Interessenausgleich herzustellen. Mit wachsender Verbandsgröße stehen sie in Bezug auf die Interessen ihrer Mitgliedsgenossenschaften zunehmend im Spagat:

- Bei der Betriebsgröße zwischen groß und klein,

- bei den Banken zusätzlich zwischen systemrelevant und nicht systemrelevant,

- beim Geschäftsgebiet zwischen regional und international und

- in Bezug auf den Unternehmenszweck der Genossenschaften zwischen Spezialinteresse und Generalinteresse.

Abweichende Geschäftsmodelle drohen zu verlieren

Im Idealfall werden in den Verbänden Interessensschwerpunkte und Entscheidungen nach demokratischen Spielregeln bestimmt. Regelmäßig dürften dann die gemeinsamen Interessen der Mehrheit zum Zuge kommen. Dies kann aber auch zur Folge haben, dass die Interessen der verschiedenartigen Mitglieder sogar kollidieren. Mehr noch: Ein von der Mehrheit der Verbandsmitglieder abweichendes Geschäftsmodell läuft in einem solchen Umfeld Gefahr, an Trennschärfe zu verlieren und auf lange Sicht unterzugehen.

Verbände konzentrieren sich neben konzeptionellen Arbeiten und Prüfung der ihnen angeschlossenen Institute vor allem auf die Interessenvertretung. Dies erfolgt nicht nur im politischen Bereich, sondern auch als Vertretung der Primärebene gegenüber den Verbundpartnern und zentralen Dienstleistern.

Spezialverbände haben mehr Nähe zu den Primärbanken

Vor allem dieser Aspekt und Wert wird allzu oft unterschätzt: Ein (kleiner) Verband mit großer Nähe zu allen seinen Mitgliedern hat eine deutlich bessere Affinität zur Primärebene, die es ihm erlaubt, deren Interessen gegenüber Zentraleinrichtungen optimal zu vertreten.

Demgegenüber könnte man zu bedenken geben, dass das politische Gewicht zur Durchsetzung von Interessen unter Umständen zu gering ausgeprägt ist. Entscheidend ist aber der erste Schritt, dieses Interesse überhaupt und adäquat identifizieren, artikulieren und platzieren zu können. Darüber hinaus bietet ein Spezialverband mit einer weitestgehend homogenen Mitgliederstruktur das Ge rüst für einen strukturierten Willensbildungs- und Entscheidungsprozess der in ihm zusammengeschlossenen Genossenschaften.

Struktur und Größe eines Verbandes ergeben sich nach Auffassung der Verfasser zuallererst aus dem Mitgliederinteresse. Insofern prägen die Mitgliedsinstitute das Profil ihres Verbandes. Ihr Interesse speist sich dabei aus zwei Quellen: die adäquate Interessensvertretung und die Fokussierung auf die Leistungsbedürfnisse der Mitglieder.

Frage nach Einheitsverband geht am Kern vorbei

Veränderung ist der Motor der Welt. Daher wird sich auch die genossenschaftliche Verbändestruktur in Deutschland in den nächsten Jahren weiter wandeln. Es sollte hierbei allerdings weniger die Idee eines Einheitsverbandes verfolgt werden, bei dem es ungewiss ist, ob er mehr Nutzen für die Mitglieder mit sich bringt. Vielmehr sollten sich die genossenschaftlichen Primärinstitute und Verbände mit der Frage beschäftigen, wie sie auf die aktuellen Veränderungen beispielsweise im Bankgeschäft reagieren wollen.

Neue Marktteilnehmer erobern zunehmend und in immer schnelleren Schritten angestammte Märkte von Finanzdienstleistern. Hierbei handelt es sich primär um Zahlungsverkehrsangebote - dabei wird es aber nicht bleiben.

Um die Zukunft der Primärinstitute nachhaltig zu stützen, ist daher weniger die Zentralisierung oder Fusionierung von Verbänden strategisch effizient und gewinnbringend, als vielmehr die verbindliche Absprache über konkrete Aufgabenverteilungen zwischen allen genossenschaftlichen Verbänden und Tochtergesellschaften zum Erhalt und Ausbau einer leistungsfähigen Verbändelandschaft.

Effizienzgewinn durch verbindliche Aufgabenverteilung

Eine verbindliche Aufgabenverteilung - im Gegensatz zu den bisherigen freiwilligen Absprachen - führt nach Auffassung der Verfasser auch zu einem vielfältigen Effizienzgewinn:

- Zum einen müssten in toto weniger Ressourcen der genossenschaftlichen Organisation eingesetzt werden,

- zum anderen wäre auch eine nachgelagerte, zielgerichtete Interessenvertretung in den jeweiligen Themen noch besser planbar und noch akzentuierter im Zusammenspiel mit den beiden Spitzenverbänden DGRV und BVR möglich. Hier haben die Verfasser vor allem die Themen Prüfung und Rechnungslegung als originäre Verbandsthemen im Blick.

Die Konzentration der Ressourcen der Grundsatzarbeit in einem der beteiligten Verbände - vor allem kommt bei den beiden genannten Themen der DGRV infrage - schafft Synergien und bringt Qualitätsvorteile. Frei nach der Devise: Ein Scharfschützengewehr trifft das Ziel mindestens genauso gut wie eine Schrotflinte - nur verbraucht es weniger Munition. Im Übrigen: Eine zentrale Quelle des Erfolgs der deutschen Kreditgenossenschaften liegt in ihrer Dezentralität, die sich ebenso in der genossenschaftlichen Verbändelandschaft widerspiegeln sollte.

Zu den Autoren

Rudolf Conrads, Vorsitzender des Vorstands, und Dr. Karl-Friedrich Walter, Mitglied des Vorstands, beide Verband der PSD Banken e.V., Bonn

Rudolf Conrads , Vorstandsvorsitzender des Verbandes , Verband der PSD Banken e.V.
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