ALTERSVORSORGE

Übergreifende Renteninformation - nötig, aber auch machbar?

Gundula Dietrich, Foto: /Aon

Wieviel Rente werde ich einmal bekommen? Diese Kernfrage soll eine säulenübergreifende Renteninformation beantworten. Das Beratungsunternehmen Aon und die Universität Ulm haben im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Studie durchgeführt und untersucht, wie der Weg zu einem solchen Informationsangebot für jeden Bürger aussehen kann. Die Studienautoren empfehlen den Aufbau der Plattform in mehreren Stufen. Sie halten den Start einer Pilotphase innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre für möglich. Red.

Die Zeiten, da sich die meisten Deutschen in Sachen Altersversorgung ausschließlich auf die gesetzliche Rente verließen, sind schon lange vorbei. Betriebliche Altersversorgung und private Vorsorge ergänzen heute bei vielen die Alterssicherung. Dadurch ist jedoch eine komplexe Versorgungslandschaft entstanden, die es dem Einzelnen kaum noch möglich macht, schnell einen umfassenden Überblick zu gewinnen. Welche Zahlungen habe ich im Alter zu erwarten? Darauf eine einigermaßen verlässliche Antwort zu bekommen, verlangt viel Mühe.

Das Bild wird für den Einzelnen in Zukunft eher noch unübersichtlicher werden. Die Arbeitswelt verändert sich rapide. Ist die lebenslange Anstellung bei einem Unternehmen heute schon eine bestaunte Ausnahme, so werden Erwerbsbiografien künftig noch bunter werden. Aus vielen kleinen Anwartschaften wird ein Flickenteppich der Altersversorgung entstehen. Der kann durchaus eine angenehm wärmende Decke sein, aber es sollte möglich sein, frühzeitig zu erkennen, ob diese Decke im Rentenalter groß genug sein wird.

Es ist also dringend notwendig, eine säulenübergreifende Information zu ermöglichen. Doch ist das angesichts einer Fülle von Anbietern und Produkten überhaupt machbar? In Deutschland gibt es mehrere Zehntausend Vorsorgeeinrichtungen und noch weit mehr unterschiedliche Anwartschaften und Altersvorsorgeprodukte. Kann es gelingen, diese Informationen so zusammenzuführen und aufzubereiten, dass sie für den Laien verständlich und aussagekräftig sind? Dieser Frage ist unsere Untersuchung auf den Grund gegangen.

Der Weg ist nicht einfach, muss aber gegangen werden

Das Fazit: Der Weg dorthin ist nicht einfach, er muss aber gegangen werden, um jedem Bürger eine rechtzeitige und sachgerechte Vorsorgeplanung zu ermöglichen. Nicht zuletzt ist es auch eine gesellschaftspolitische Frage, ob die wichtige Diskussion über die Altersversorgung auf Basis gesicherter Fakten oder gefühlter Erwartungen geführt wird.

Im Rahmen der Studie wurde zunächst untersucht, welche Informationen heute bereits in welcher Form verfügbar sind. Öffentlich-rechtliche Versorgungssysteme wie die Rentenversicherung, Unternehmen, die Betriebsrenten gewähren, und Anbieter von Altersversorgungsprodukten informieren regelmäßig über zu erwartende Leistungen. Die Art und Weise, wie diese Informationen aufbereitet werden, ist aber sehr vielgestaltig. Sie macht es für den Versicherten schwierig bis unmöglich, ohne professionelle Hilfe ein persönliches Gesamtbild zu gewinnen. Hier fehlen bisher einheitliche Mindeststandards.

Keine zentrale Datensammlung

Dennoch sind die Standmitteilungen und Pflichtinformationen eine solide Basis für die Aufbereitung der Daten. Die einzurichtende Plattform soll sie so zusammenfassen, dass eine aggregierte Modellrechnung entsteht. Am Ende steht für den Bürger eine einzige Zahl: die monatliche Rente nach heutiger Kaufkraft, die er aus all seinen Anwartschaften zu erwarten hat. So kann jeder abschätzen, ob seine Altersversorgung einmal ausreichend sein wird.

Bewusst soll die Plattform keine umfassende Datensammlung werden. Die Daten werden vielmehr aktuell von den Leistungsträgern abgerufen. Das Ergebnis kann dann nur der Bürger selbst exportieren und auf seinen eigenen Geräten speichern. Diese aktuellen Daten sind eine gute Grundlage für Beratungsgespräche, weil sie ein realistisches Gesamtbild der Situation zeigen. Der Bürger kann jederzeit darüber entscheiden, wem er die Daten zugänglich macht.

Die Beratung gehört ausdrücklich nicht zu den Aufgaben der Plattform. Auch die Darstellung der möglichen Nettoversorgung im Alter kann nicht geleistet werden. Es ist weder möglich noch wünschenswert, die dafür notwendigen zahlreichen individuellen Einflussfaktoren zu erfassen und auszuwerten. Es können nur allgemeine Angaben einbezogen werden, zum Beispiel, ob auf bestimmte Einkunftsarten Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge fällig werden.

Plattform stufenweise realisieren

Angesichts der heterogenen Versorgungslandschaft ist es sicher ambitioniert, eine solche Plattform zu schaffen. Dieses Ziel wird auch nicht von heute auf morgen zu erreichen sein. Deshalb empfiehlt die Studie ein stufenweises Vorgehen. Zunächst werden die Informationen zusammengestellt, die heute schon verfügbar sind. Detaillierte Standmitteilungen können unmittelbar aufbereitet werden. Bei anderen Vorsorgeprodukten fließen unter Umständen zunächst einmal nur Eckdaten in die Übersicht ein. Gegenüber dem heutigen Stand ist es jedoch schon ein großer Fortschritt, wenn sich an einer zentralen Stelle ablesen lässt, wo überall Anwartschaften auf Leistungen bestehen, auch wenn sie zunächst nicht mit ihrer exakten Höhe einfließen können.

Für die gesetzliche Rente und bei den größeren Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sind die notwendigen Daten heute schon verfügbar. Aus den Standmitteilungen kann relativ problemlos ein standardisierter Datensatz für die säulenübergreifende Information abgeleitet werden. Das hält auch den Aufwand bei den Versorgungsträgern in Grenzen.

Etwas aufwendiger wird es sein, die Beamtenversorgung und kleinere berufsständische Versorgungswerke in die Plattform einzubeziehen. Teils muss erst eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Auch dies ist aber mittelfristig machbar - insbesondere im Bereich der Beamtenversorgung ist eine solche Informationsinfrastruktur ohnehin überfällig.

Bei der privaten Vorsorge stellt sich zunächst die Frage, welche Produkte in die säulenübergreifende Information einbezogen werden sollen. Grundsätzlich sollten das nur solche mit Geldleistungen sein, die klar erkennbar vorrangig der Altersvorsorge dienen.

Infrage kommen deshalb nur Produkte mit einem vertraglich vereinbarten Sparprozess, dessen Fälligkeitsdatum in einem rentennahen Alter liegt. Bei Rentenversicherungen und oft auch bei kapitalbildenden Lebensversicherungen ist das in der Regel der Fall. Auch Fondssparpläne und andere Sparformen erfüllen zum Teil diese Anforderungen.

Die Bereitstellung der notwendigen Daten soll zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass Verbraucher beim Abschluss von Verträgen künftig danach fragen, ob der Anbieter entsprechende Informationen bereitstellt. So wird der Markt dafür sorgen, dass sich die Anbieter an der Plattform beteiligen werden.

Pilotphase innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre

In einer späteren Phase sollten dann alle Anbieter gesetzlich dazu verpflichtet werden, ihre Daten entsprechend bereitzustellen. Diese Regelung sollte nicht zu detailliert sein. Einerseits, um die Anbieter nicht zu stark zu belasten und andererseits, um die notwendige Flexibilität bei der Weiterentwicklung der Plattform zu erhalten. Auch werden Übergangsregelungen erforderlich sein, die es den Versorgungsträgern ermöglichen, die Daten in ihren Systemen bereitzustellen. Zu einem klaren Endtermin aber sollte der Verbraucher auf weitgehend vollständige Daten zu greifen können.

Der Start eines Pilotprojektes erscheint innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre machbar. Im ersten Schritt muss der Gesetzgeber einige Grundsatzentscheidungen treffen, an erster Stelle die zur Einrichtung einer solchen Plattform. Außerdem gehören das Verfahren zur Identifikation der Nutzer und die gesetzlichen Regelungen zur Übermittlung der Daten durch die Vorsorgeeinrichtungen dazu. Auch die Finanzierung der Pilotphase sowie die Einrichtung einer Träger-Struktur für die säulenübergreifende Information gilt es zu klären. Im Anschluss daran können Experten- Gremien sowohl inhaltliche als auch technische und juristische Aspekte der Umsetzung klären. Hier ist eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten erforderlich.

Nächster Schritt wäre dann die Definition der Datenschnittstellen. Dabei ist sowohl festzulegen, welche Daten in welchem Format von den Versorgungsträgern bereitzustellen sind, als auch, in welcher Form die Verbraucher sie exportieren können. Ebenfalls in dieser Phase sind grundlegende Fragen des Plattform-Designs zu klären.

Großer Nutzwert schon beim Start

Zu Beginn der Pilotphase wird die Plattform erst einmal auf die Daten der Versorgungsträger zurückgreifen, die jetzt schon regelmäßig Standmitteilungen versenden. Die Darstellung wird sich auch zunächst auf aktive Altersvorsorgeprodukte beschränken müssen. Anwartschaften, die zum Beispiel bei einem früheren Arbeitgeber erworben wurden, werden sich erst in einem späteren Stadium einbinden lassen.

Damit die Plattform dem Verbraucher dennoch von Beginn an einen Nutzen liefert, sollen bereits in dieser Stufe alle Produkte mit verfügbaren Informationen aufgenommen werden. Dies sind zumindest die Kontaktdaten des Anbieters und Basisangaben zum Vertrag. Auch wenn zunächst noch keine Daten zur prognostizierten Leistung verfügbar sind, erhält der Nutzer schon einen besseren Überblick über seine Situation als aktuell. Im Laufe der Zeit werden dann nach und nach alle Versorgungsträger über die gesetzliche Verpflichtung zur Datenübermittlung eingebunden. Dieser Prozess wird einige Jahre in Anspruch nehmen, schrittweise aber zu einem immer vollständigeren und verlässlicheren Bild führen.

Kein Ersatz für Vorsorgeberatung

Auf keinen Fall ersetzen kann eine säulenübergreifende Renteninformation die individuelle Beratung in Sachen Altersversorgung. Diese erfordert nach wie vor eine Kenntnis der individuellen Lebensumstände. Auch sind die aggregierten Prognosen über zu erwartende Leistungen mit den üblichen Unsicherheiten behaftet.

Das System wird jedoch eine weitaus verständlichere und umfassendere Grundlage für jeden Einzelnen bieten, um die Vorsorge zu planen und sich dazu beraten zu lassen. Das gilt auch dann, wenn am Anfang noch nicht alles optimal erfasst ist. Hier wird sich der sprichwörtliche Mut zur Lücke dadurch auszahlen, dass schnell ein praktikables und nützliches System entsteht.

Gundula Dietrich, Partner Aon, Retirement Solutions
Dr. André Geilenkothen, Partner Aon, Retirement Solutions
Gundula Dietrich , Partner Aon, Retirement Solutions
Dr. André Geilenkothen , Partner Aon, Retirement Solutions

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