Altersvorsorge im Umbruch

Verbraucher benötigen einen Gesamtüberblick

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Beim Thema Vorsorge klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es vielen Verbrauchern an einem Überblick über den Stand ihrer Vorsorge fehlt. Die unterschiedlichen Standmitteilungen zu klassischen wie auch fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen, die oftmals sogar noch Fachwissen voraussetzen, erleichtern nicht eben Transparenz und Vergleichbarkeit. Hier fordert Manfred Bauer einen einheitlichen Standard. Langfristig müsse die Politik jedoch auch daran arbeiten, den Bürgern einen Gesamtüberblick über den Stand ihrer Vorsorge zu verschaffen, der ihnen im Sinne eines Kompasses anzeigt, wohin die Reise geht. Red.

Wenn die Deutschen ihre Absicherung fürs Rentenalter einschätzen sollen, tun sie sich damit schwer:

- 46 Prozent können die eigenen Einkünfte aus privater und betrieblicher Vorsorge nicht abschätzen.

- Über die Höhe ihrer gesetzlichen Rente haben 40 Prozent keine konkreten Vorstellungen.

- Weitere 30 Prozent verfügen nur über eine "grobe Idee" (Abbildung 1 und 2).

Dies zeigt eine repräsentative Befragung des Instituts Yougov, durchgeführt im Auftrag von MLP. Die Zahlen belegen, wie groß das Informationsdefizit bei der eigenen Altersvorsorge tatsächlich ist.

Trotz der eigenen Unkenntnis fühlt sich aber mehr als die Hälfte der Befragten in der Lage, ihre Rentenzeit finanziell ohne professionelle Unterstützung zu planen (siehe Abbildung 3). Eine gefährliche Herangehensweise vieler Bürger - denn wie soll eine solche Planung funktionieren, wenn die Ausgangslage nicht klar ist?

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Wie wichtig aber eine fundierte Beschäftigung mit ihrer Altersvorsorge ist, zeigt ein weiterer Befund der Befragung: Fast 90 Prozent wollen im Ruhestand ein Einkommen von mindestens 60 Prozent ihres durchschnittlichen Nettogehalts beziehen. Die meisten der Befragten gaben hier sogar weit höhere Werte an (siehe Abbildung 4). Mit Blick auf das stetig sinkende gesetzliche Rentenniveau liegen Wunsch und Wirklichkeit hier sehr weit auseinander. Sich um die eigene Altersvorsorge zu kümmern, ist also für jeden Bürger essenziell. Umso schwerwiegender ist es, wenn die bestehenden Möglichkeiten der ergänzenden Altersvorsorge ungenutzt bleiben.

Beteiligung setzt ausreichenden Informationsstand voraus

Ein Bewusstsein über die eigene Versorgungssituation ist aber die zentrale Voraussetzung, um sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen und die passenden Maßnahmen zu ergreifen. Denn eines steht bereits fest: Die demografischen Herausforderungen werden weiter wachsen und ein umlagefinanziertes System wie die gesetzliche Rente zunehmend belasten.

Riester-Rente, Basis-Rente und betriebliche Altersvorsorge bieten die notwendige Ergänzung zur weiter absinkenden gesetzlichen Rente. In der Praxis funktioniert eine solche kapitalgedeckte Lösung aber natürlich nur dann, wenn die Bürger davon auch Gebrauch machen. Was sie oftmals daran hindert: Es fehlt vor allem ein einheitlicher Überblick übe r die eigene gesetzliche und ergänzende Altersvorsorge. Stattdessen wird der Versicherte heutzutage weitgehend allein gelassen: Die Information der Deutschen Rentenversicherung bezieht sich ausschließlich auf die gesetzliche Rente. Getrennt davon erreichen den Bürger die Informationen zu seiner ergänzenden Vorsorge von Versicherern und Fondsanbietern. Auch wenn es bei Riester und der Basisrente mit dem einheitlichen Produktinformationsblatt auf absehbare Zeit Fortschritte geben wird, sind die Anbieter beispielsweise bei privaten Rentenversicherungen oft noch weit von Klarheit und Nachvollziehbarkeit für den Kunden entfernt.

MLP hat die größten Schwachstellen bei sogenannten Standmitteilungen von Versicherern mit einer eigenen Untersuchung offengelegt. Betrachtet wurden hier private Rentenversicherungen, sowohl in der klassischen als auch in der fondsgebundenen Variante von neun Gesellschaften - was einem Marktanteil von 35 Prozent entspricht.

Drei zentrale Schwachstellen in Standmitteilungen:

Alle einbezogenen Gesellschaften erfüllen mit ihren Informationen die gesetzlichen Vorgaben. Dies ist aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit, die alle Standmitteilungen aufweisen. Bereits bei den allgemeinen Betrachtungskriterien wie dem Umfang zeigen sich bei an sich gut vergleichbaren Produkten deutliche Unterschiede; auch der Aufbau ist jeweils unterschiedlich.

Drei zentrale Schwachstellungen in Standmitteilungen wurden bei der Auswertung identifiziert:

1. Die grundlegenden Vertragsdaten lassen sich nicht auf einen Blick erfassen. Mit seiner Standmitteilung sollte der Kunde aber alle grundlegenden Vertragsdaten auf einen Blick einsehen können - bestenfalls gleich zu Beginn des Dokuments, und das klar und verständlich. Leider ist dies eher die Ausnahme denn die Regel: Meist werden die technischen Vertragsdaten entweder nicht im nötigen Umfang aufgeführt oder verstreut über das Dokument verteilt.

2. Vielfach wird bei den ausgewiesenen Zwischenständen detailliertes Fachwissen vorausgesetzt, mitunter müssen Kunden sogar selbst Berechnungen anstellen. Die Standmitteilung als solche sollte Kunden in die Lage versetzen, sich ohne größere Fachkenntnisse über die aktuell erreichten Zwischenstände ihres Produkts selbst zu informieren.

Auch wenn es sicher nicht das eine Dokument gibt, mit dem jeder gleich gut zurechtkommt - im Rahmen der Untersuchung konnten wir aber kein Positiv-Beispiel ausmachen, das diesem Anspruch in sämtlichen Facetten gerecht wird. Häufig wird in sehr knappen Varianten von Standmitteilungen das Verständnis abstrakter Fachbegriffe und mitunter komplexer Produktmechaniken einfach vorausgesetzt. Vielfach behelfen sich die Anbieter aber auch mit Verweisen auf Erläuterungen an anderer Stelle im Dokument. Die Folge ist ein "Informations- Flickenteppich". Auch bei fondsgebundenen Rentenversicherungen zeigen sich deutliche Informationsdefizite - vor allem beim Ausweis der Leistungen, die der Kunde erwarten kann. So weisen einige Versicherer lediglich den garantierten Rentenwert aus. In diesen Fällen muss der Kunde - indem er ein Vertragsguthaben annimmt - seine mögliche Rente selbst ausrechnen.

3. Hochrechnungen kommen standardmäßig zum Einsatz - erschweren aber aufgrund unterschiedlicher Parameter die Vergleichbarkeit. Wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, finden sich in allen Standmitteilungen auch Aussagen zu verschiedenen Prognoseszenarien. Bei der Darstellung und den gewählten Parametern dieser Szenarien herrscht aber erwartungsgemäß eine große Heterogenität. Ein Vergleich zwischen den Anbietern fällt damit schwer.

Kaum Vergleichbarkeit bei klassischen und Fondspolice

Auffällig bei Standmitteilungen zur klassischen Rentenversicherung war hier, wie unterschiedlich die Anbieter Informationen zu Überschussanteilen und der Gesamtleistung ausweisen. Dadurch wird für den Kunden insbesondere der Vergleich verschiedener Produkte erschwert. Zudem müssen sich Kunden mit Produkten von verschiedenen Anbietern gleich mehrfach "reindenken".

Bei Fondspolicen ist das Ergebnis ähnlich. Hier führen die Anbieter zwar - ebenfalls gesetzeskonform - Prognoserechnungen mit Annahmen zur künftigen Wertentwicklung durch. Allerdings nutzen die einzelnen Gesellschaften dabei keine einheitlichen Wertentwicklungszahlen:

Während ein Anbieter beispielsweise die Prognose für eine Rendite in den Szenarien von drei, sechs und neun Prozent angibt, nutzt ein anderer Anbieter vier Szenarien von zwei, vier, sechs und acht Prozent Wertsteigerung.

Gemeinsamer Mindeststandard erforderlich

In Summe zeigt die Untersuchung, dass es einen erheblichen Verbesserungsbedarf bei Standmitteilungen zu privaten Lebens- und Rentenversicherungen gibt. Die einzelnen Dokumente für sich sind oftmals zu wenig nachvollziehbar für Kunden und darüber hinaus zu heterogen. Gerade diese unnötigen Hürden sind es aber, die viele Bürger davon abhalten, sich mit dem Thema zu befassen. Dabei sind Klarheit und Nachvollziehbarkeit elementare Voraussetzungen für den auch sozialpolitisch notwendigen Auf- und Ausbau einer jeden ergänzenden Altersvorsorge. Auch wenn sich die untersuchten Versicherer absolut gesetzeskonform verhalten, ändert das nichts daran, dass ein gemeinsamer Mindeststandard notwendig ist. Dies wäre ein erster Schritt, dem aber weitere folgen müssen. Langfristig müssen wir dahin kommen, dass sich jeder Bürger auf einer zentralen Informationsplattform über seine gesamte Altersvorsorge - gesetzlich sowie privat und betrieblich - unkompliziert informieren kann. Kern der Anwendung wäre dann ein Ausweis darüber, wo man zum Zeitpunkt der Abfrage mit seiner Altersvorsorge steht. Ein solcher aussagekräftiger Überblick wäre ein wichtiger Schritt, um die notwendige Akzeptanz für private und betriebliche Altersvorsorge in Deutschland zu stärken.

Informationen bündeln

Es ist an der Zeit, dass Politik und Unternehmen dafür partei- und branchenübergreifend zusammenarbeiten - und es gibt bereits einen vielversprechenden Ansatz: Mit der Deutschen Renten Information, die von MLP als Kompetenzpartner unterstützt wird, ist bereits ein unabhängiger Verein aktiv, der genau auf dieses Ziel hinarbeitet.

Natürlich gilt es dabei noch viele Detailfragen zu beantworten. Aber es geht auch nicht darum, die gesamte Komplexität der bestehenden Altersvorsorge-Landschaft für den Verbraucher abzubilden. Es sind immer Annahmen zu treffen und Prognosen zu erstellen, wenn es um Informationen zur eigenen Versorgung bei Renteneintritt geht. Vielmehr muss der Bürger eine Art Kompass erhalten, der ihm jederzeit zeigt, wohin seine "Altersvorsorge-Reise" geht. Die Politik ist deshalb aufgefordert, diese Entwicklung eines Gesamtüberblicks für den Verbraucher noch stärker zu unterstützen. Genauso sind die Versicherungs- wie auch die Fondsbranche angesprochen, Produktinformationen vergleichbar und verständlich zu gestalten. Die Anstrengungen sind es wert - für den einzelnen Bürger, gesamtgesellschaftlich, aber auch für unsere Branche.

Zum Autor

Manfred Bauer, Mitglied des Vorstands, MLP AG, Wiesloch

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