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Die Zukunft der Banken - spezialisieren oder kooperieren?

Beate Murray, Foto: Western Union

Banken und Sparkassen haben seit der Finanzkrise den Blick viel zu sehr nach innen gerichtet. Auch bei der Digitalisierung betreiben sie "Nabelschau" und nehmen eher die Effizienzsteigerung von Prozessen in den Blick als die Kundenbedürfnisse. Dort haben die Fintechs die Nase vorn. Doch nicht nur deshalb sind Kooperationen wichtig, meint Beate Murray, sondern auch mit Blick auf den Fachkräftemangel. Red.

Die Finanzbranche ist im Umbruch - inzwischen ein Gemeinplatz, aber deshalb nicht weniger zutreffend. Während Banken als eher schwerfällige Tanker gesehen werden, gelten Start-ups, hier insbesondere die Fintechs, als Schnellboote: agil, aber teilweise (noch) mit wenig Tiefgang. Wie kann sich die Branche also weiterentwickeln? Welche Perspektiven und Optionen bieten sich den Banken - und was benötigen sie dafür?

Blick nach innen

Laut Bundesbank gibt es derzeit etwa 1 600 Kreditinstitute in Deutschland - Tendenz sinkend. Gut zehn Jahre nach der Finanzkrise sind viele Schlagzeilen über die Branche nach wie vor nicht eben positiv. Es lohnt daher ein genauerer Blick: In welchem Umfeld agieren Banken heute und welchen Herausforderungen müssen sie sich stellen?

Die Auswirkungen der Finanzkrise sind noch immer spürbar. Ihr Ergebnis führte zu einer stärkeren Regulierung und veränderte Rahmenbedingungen. Bessere Kapitalausstattung, Liquiditätssteuerung, eingeschränkte Handelsaktivitäten und Risikominimierung sind noch immer das Gebot der Stunde.

Hinzu kamen Verordnungen mit sperrigen Bezeichnungen wie zum Beispiel DSGVO (Datenschutzgrundverordnung), MiFiD (Markets in Financial Instruments Directive) oder PSD2 (Payment Service Directive). Gleichzeitig ist das makroökonomische Umfeld nach wie vor von Niedrigzinsen, dem demografischen Wandel und einer volatilen wirtschaftlichen Entwicklung geprägt.

Die Banken haben mit umfassenden Anpassungen und einer Neugestaltung ihrer Prozesse auf diese Herausforderungen reagiert. Da dies mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, bemühen sie sich in erster Linie um Effizienzsteigerung, Optimierung, Konsolidierung und Zentralisierung. Doch allzu oft verstellt diese nach innen gerichtete Perspektive den Blick nach außen auf die eigentlichen Kundenbedürfnisse.

Zwischen Nabelschau und Kundenorientierung

Gerade die Erwartungen der Kunden gehören zu den größten Herausforderungen, denn sie besitzen eine Dynamik, die ganze Geschäftsmodelle verändern kann. In erster Linie sind es die Erfahrungen mit Technologieunternehmen wie Facebook, Google, Amazon oder Apple, die heute die Maßstäbe setzen. Das Motto der Tech-Giganten lautet: stets und ständig, überall, sicher, allumfassend, schnell, bequem und kostengünstig.

Übersetzt für die Bankenbranche bedeutet das: Die Kunden erwarten einfache und intuitive Omnichannel-Zugänge, eine umfassende Beratung, die sich nicht nur auf die Produkte der jeweiligen Bank beschränkt, sowie eine effiziente und kostengünstige Abwicklung von Transaktionen. Sie wollen maßgeschneiderte Angebote, die sich an ihrer Lebenssituation und ihren Bedürfnissen orientieren.

Wenn zum Beispiel ein Verbraucher von seiner Bank einen Kredit für den Kauf eines Autos bekommt, können die dabei erhobenen Daten dazu verwendet werden, um dem Kreditnehmer auch eine Autoversicherung anzubieten oder ihm einen Lastschrifteinzug der Kfz-Steuer vorzuschlagen - oder ihm eine Erinnerung über diese anstehenden Zahlungen zukommen zu lassen. Das Beispiel ließe sich beinahe beliebig erweitern.

Banken müssen mit diesen Erwartungen Schritt halten, wenn sie nicht den Anschluss verlieren wollen. Vor diesem Hintergrund ist eine vorrangige Beschäftigung mit "innenpolitischen" Themen kontraproduktiv, wenn sie zulasten der Kunden geht. Ein besseres Kostenmanagement darf nicht zu einer Verschlechterung der Servicequalität führen. Eine höhere Profitabilität wird mittel- und langfristig nicht durch Gebührenerhöhungen erzielt, sondern durch die Konzentration auf Wachstum, neue Produkte und neue Services.

Fintechs ante portas

Doch sind Gesetzgeber und Kunden nicht die einzigen Treiber des Wandels. Hinzu kommt ein verschärfter Wettbewerb mit neuen Anbietern und Akteuren. So haben sich Auslandsbanken als Direktbanken im deutschen Privatkundengeschäft etabliert oder konzentrieren sich als global agierende Dienstleister auf den Wertpapierhandel, die Kapitalmarktfinanzierung oder das Firmenkundengeschäft. Technologieunternehmen wie Alibaba, Amazon und zuletzt auch Facebook betreuen ihre Kunden umfassend mit Finanzierungs- oder Zahlungsangeboten.

Mit den Fintechs sind zudem ganz neue Spieler aufgetaucht, die sich auf bestehende Lücken in der Angebotspalette vor allem im B2C-Bereich konzentrieren und dabei ausgesprochen schnell agieren. Ihr Geschäftsmodell basiert auf dem Angebot einer ganz bestimmten Finanzdienstleistung mit anspruchsvoller Technologie und klarer Kundenorientierung. Mittlerweile haben sie ihre Zielgruppen erweitert und sprechen nicht mehr nur Privatkunden, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen an.

Schlüsselbegriff Innovation

Was können Banken in diesem multipolaren Spannungsfeld also tun? Die Antwort kann nur lauten: Innovation, Innovation und nochmals Innovation. Dabei ist Innovation hier nicht als Einsatz neuer Technologien zur Effizienzsteigerung oder Prozessoptimierung zu verstehen, sondern im Sinne einer Optimierung des Geschäftsmodels, der Entwicklung neuer Produkte, digitaler Strategien und eines überzeugenden Nutzererlebnisses. Themen wie Smart Data, Künstliche Intelligenz, Blockchain oder Crowdfunding werden dabei eine immer wichtigere Rolle spielen.

Fintechs sind Innovationstreiber dieser Entwicklung. Durch ihren derzeit noch geringen Regulierungsgrad, den klaren Fokus auf einen bestimmten Bereich sowie die Fähigkeit zur Akquirierung von Wagniskapital haben sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber traditionellen Banken. Diese sind vor allem damit beschäftigt, gewachsene Strukturen, Prozesse und IT-Systeme zu modernisieren. Das kostet Zeit und Geld, was wenig Raum für weitere Initiativen lässt.

Aus diesem Grund galten Fintechs lange Zeit als die gefährlichste Konkurrenz der Banken. Inzwischen reift aber die Erkenntnis, dass gezielte Kooperationen zwischen Banken und Fintechs durchaus eine Win-win-Situation für beide Seiten darstellen können.

Zum einen können Banken von den Fintechs Dienstleistungen zukaufen und damit Zeit, Kosten und Ressourcen sparen, um neue Angebote an den Markt zu bringen. Die Fintechs wiederum profitieren von der Zusammenarbeit mit etablierten Partnern, die über einen großen Kundenstamm und umfassendes Regulierungs-Know-how verfügen. Unter dieser Prämisse sind in Deutschland laut dem "Fintech-Kooperationsradar 2018" von PwC bereits über 560 Kooperationen auf Basis eines modularen Ansatzes entstanden.

Dieses Miteinander kann unterschiedlichste Formen annehmen und vom Einkauf von Fintech-Dienstleistungen durch Banken, über eine Kooperation im Sinne einer strategischen Partnerschaft, der Akquisition (als Beteiligung oder vollständiger Integration) bis hin zur Entwicklung eines eigenen Fintechs reichen. Der Einkauf von Dienstleistungen und Kooperationen sind in Deutschland derzeit die häufigsten Formen der Zusammenarbeit.

Um im Umfeld von steigenden Kosten, Innovationsdruck, zunehmendem Wettbewerb sowie einem volatilen wirtschaftlichen und politischen Umfeld bestehen zu können, brauchen Banken eine neue Strategie. Sie stehen vor der Frage, ob sie wie bisher die gesamte Produktpalette anbieten möchten - oder aber ihr Angebot auf einen bewusst enger definierten Zielmarkt ausrichten. Denkbar ist auch eine Lösung, bei der die Bank vor allem als Marke auftritt und verschiedenen Dienstleistern eine Plattform zur Vermittlung ihrer Angebote bereitstellt.

Ein Beispiel ist der Bereich Western Union Business Solutions der Western Union International Bank, der sich zur Positionierung als Spezialinstitut entschieden hat. Der Fokus liegt dabei auf international tätigen Firmenkunden, die in allen Fragen des Auslandszahlungsverkehrs, des FX-Risikomanagements und der Absicherung im Devisengeschäft betreut werden. Diese Services stellt Western Union Business Solutions auch anderen kleinen und mittleren Banken zur Verfügung, denen es allein an der internationalen Reichweite fehlen würde.

Überwindung kultureller Unterschiede

Es lassen sich drei zentrale Treiber der Neupositionierung ausmachen:

1. die absolute Konzentration auf die Kundenbedürfnisse,

2. die Nutzung vorhandener Daten für eine umfassende Kundenbetreuung und

3. die Reduzierung operativer Kosten sowie die Digitalisierung, die zu schnelleren und umfassenderen Interaktionen mit den Kunden führt.

So einleuchtend das klingen mag - einfach ist ein solch umfassender Wandel nicht. Von einer Fokussierung nach innen, langsamen Entscheidungsprozessen und einer generellen Risikoaversion hin zu einer offenen und risikobereiten Innovationsfreude ist es ein weiter Weg. Gerade wenn Establishment (Banken) und Newcomer (Fintechs) zusammentreffen, gibt es viel Potenzial für Konflikte und Missverständnisse. Die Überwindung kultureller Unterschiede fordert beide Seiten.

Ein entscheidender Faktor sind dabei die Mitarbeiter. Laut der Studie "Future Skills: Welche Kompetenzen in Deutschland fehlen" des Stifterverbandes und McKinseys werden bis 2023 allein 700 000 zusätzliche Technologiespezialisten insbesondere für die Datenanalyse benötigt. Jedoch sind Experten wie Webentwickler, UX-Designer, Blockchain-Manager, Analytiker und andere nur bedingt verfügbar und derzeit eher in Start-ups zu finden.

Herausforderung Talent Management

Spezialisten mit Fachwissen über neue Technologien, Mitarbeiter mit überfachlichen Schlüsselqualifikationen sowie Kundenberater, die zeitgemäße Kommunikationskanäle bespielen können, erfordern hohen Qualifikationsbedarf. Stehen sie nicht ausreichend am Markt zur Verfügung, muss über andere Wege des Zugangs nachgedacht werden. All das sind gute Gründe für verstärkte Kooperationen von Banken und Fintechs.

Zudem besteht ein enormer Weiterbildungsbedarf. Dabei sind nicht nur die Banken gehalten, entsprechend zu investieren, sondern auch die Mitarbeiter selbst. Die Fähigkeit, sich über Rollen, Branchen und Regionen hinweg zu bewegen, gewinnt daher an Bedeutung.

Regulierung erreicht Fintechs

Der Wandel im Bankwesen wird in den kommenden Jahren spannend bleiben. Dabei ist mit verstärkten Kooperationen zwischen Banken und Fintechs zu rechnen. Es besteht Handlungsdruck auf beiden Seiten: Die Banken brauchen schnell Lösungen, um die Wünsche ihrer Kunden abzudecken. Auf der anderen Seite wird die Regulierung auch an Fintechs nicht spurlos vorübergehen. Je mehr sich die neuen Akteure in den Bereich der regulierten Produkte begeben, um profitabel zu werden oder zu bleiben, desto mehr müssen sie investieren, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Auch in der Finanzbranche gilt: Allein tut man sich oft schwer - und dagegen hilft eine starke Gemeinschaft. Wie genau eine neue Kultur der Kollaboration und Kooperation in einer Zeit aussehen kann, in der das Prinzip der "Co-Creation" immer wichtiger wird, kann nur schwer prognostiziert werden. An innovativen Ansätzen mangelt es glücklicherweise nicht.

Beate Murray, Head of Sales Germany, Western Union Business Solutions, Frankfurt am Main
Beate Murray , Head of Sales Germany, Western Union Business Solutions, Frankfurt am Main
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