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"Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten über das Bankgeschäft hinaus" - Interview mit Stefan Schindler

Stefan Schindler, Foto: Sparda-Bank Nürnberg

900 000 Euro an Negativzinsen hat die Sparda-Bank Nürnberg 2018 gezahlt. Die Weitergabe der Minuszinsen an die Kunden ist dennoch keine Option, sagt Stefan Schindler. Stattdessen kooperiert sein Haus als erste Sparda-Bank mit Weltsparen, um auch klassischen Sparern ein Angebot machen zu können. Von einer weiteren Kooperation, der mit der Lifestyle-Banking-App Teo von Comeco, verspricht sich Schindler, ein neues Kapitel in der Online-Kundenkommunikation aufzuschlagen und die Kundenbindung in der digitalen Welt festigen zu können. Red.

Täuscht der Eindruck - oder sind die Sparda-Banken heute in ihrer Strategie weniger geschlossen als noch vor ein paar Jahren, zum Beispiel bei IT und Konditionengestaltung? Falls das zutrifft - liegt es am gestiegenen Leidensdruck durch Digitalisierung und Negativzinsen?

In der strategischen Ausrichtung sind sich die Sparda-Banken einig. Das Geschäftsmodell der Banken orientiert sich überall am Genossenschaftsprinzip. Das stellt keine Sparda-Bank infrage. Operativ gab es schon immer und gibt es auch jetzt unterschiedliche Positionen zur Marktdurchdringung. Es war nie das Ziel unserer Bankengruppe, auf allen Gebieten eine Vereinheitlichung zu erreichen. Insbesondere in dem Spannungsfeld aus Innovation und Standardisierung muss es möglich sein, bankeigene Konzepte zu entwickeln und diese auf den jeweils lokalen Markt abzustimmen. "All business is local", das gilt sowohl für die Konditionengestaltung als auch für IT-Entscheidungen. Die Gruppe der Sparda-Banken hält unterschiedliche Meinungen nicht nur aus, sie respektiert individuelle Entscheidungen und sieht darin die Chance zur weiteren Stärkung der Gruppe. Genau diese auf dem deutschen Bankenmarkt wohl einzigartige Eigenständigkeit differenziert uns vom Wettbewerb. Sie ermöglicht es uns zudem, in den lokalen Märkten ein unverwechselbares Profil zu etablieren.

Stichwort Negativzinsen: Wie bewerten Sie die Forderung nach einem Verbot, "Strafzinsen" der EZB auf den normalen Sparer weiterzugeben?

Die EZB hat am 12. September die Negativzinsen von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent angehoben. Das stimmt uns nicht glücklich. Aber zugleich gab der Rat der EZB zu erkennen, dass er durch die ebenfalls beschlossene Staffelung eine differenzierte Sichtweise einschlägt. Wir beteiligen uns nicht an der Diskussion zu Sinn oder Unsinn eines Verbotes über die Weitergabe von Negativzinsen an Kunden. Vielmehr hoffen wir darauf, dass die EZB Maßnahmen ergreift, die Rahmenbedingungen für Privatkundenbanken zu verbessern und Strafzinsen damit obsolet zu machen.

In welchem Umfang musste die Sparda-Bank Nürnberg bisher Minuszinsen an die EZB zahlen?

Im Geschäftsjahr 2018 haben wir rund 900 000 Euro Minuszinsen gezahlt.

Viele Bankkunden in Deutschland sind trotz des Nullzinsumfelds dabei geblieben, zumindest einen großen Teil ihrer Sparguthaben auf Girokonten, Tagesgeld- oder Sparkonten zu parken, anstatt konsequent in Wertpapiere umzuschichten. Wie sieht das bei der Sparda-Bank Nürnberg aus?

Deutschland ist traditionell ein Land der Sparer und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Trotz des Zinsverfalls hat die Sparquote der deutschen Haushalte im vergangenen Jahr noch einmal zugelegt. Gerade konservative Kunden haben Berührungsängste mit den Kapitalmärkten. Davon ist die Sparda-Bank Nürnberg mit ihren sicherheitsorientierten Kunden natürlich auch betroffen. Wir drängen jedoch niemanden dazu, in Wertpapiere zu investieren, sondern bieten den klassischen Sparern eine Alternative über unsere Kooperation mit Weltsparen an.

Rechnen Sie damit, dass die Sparda-Bank Nürnberg demnächst Negativzinsen für einige Kundengruppen einführen muss?

Negativzinsen für Kunden wollen wir vermeiden. Aktuell ist dazu nichts geplant. Dennoch beobachten wir den Markt und unsere Wettbewerber aufmerksam weiter.

Taugen Negativzinsen für Privatanleger als Steuerungsinstrument, um wertpapierscheue Kunden doch zur Investition in Aktien oder Fonds zu bewegen?

Wir werden gewiss keine Negativzinsen für Sparer einführen, um sie in Wertpapiere zu drängen. Das widerspräche den Grundsätzen der Fairness und Kundenorientierung. In erster Linie bauen wir auf Beratung. Hier zeigen wir die Chancen und Risiken von Fonds auf, berücksichtigen Gesichtspunkte der Ethik und Nachhaltigkeit und beraten hinsichtlich der Möglichkeiten, wie finanzielle Ziele erreicht werden können. Wenn sich Kunden dennoch gegen Fonds aussprechen, respektieren wir diese Entscheidung. Dennoch lassen wir diese Kunden nicht im Regen stehen, sondern verweisen auf die Kooperation mit Weltsparen. Da gibt es wenigstens ein bisschen Zinsen auf Tages- und Festgelder.

Birgt die Kooperation mit Weltsparen ein Stück weit die Gefahr, das eigene Wertpapiergeschäft zu kannibalisieren?

Dieses Angebot wendet sich an klassische Sparer, die nicht in Fonds investieren wollen. Wir sehen in Weltsparen wie auch in einigen anderen Fintechs keine Konkurrenz, sondern eine sinnvolle Ergänzung unseres Portfolios.

Weltsparen stellt also keine Kannibalisierung dar - ganz im Gegenteil. Es gibt einfach zwei Kundengruppen, die miteinander wenig zu tun haben. Auf der einen Seite sind dies wertpapieraffine Kunden oder Kunden, die bereit sind, in Fonds oder Fondssparpläne zu investieren. Auf der anderen Seite sind es Kunden, die schon bei den Worten Wertpapier, Aktien oder Fonds zurückschrecken. Diesen Kunden wollen wir dennoch die Möglichkeiten aufzeigen, Zinsen in klassischen Sparformen zu erhalten. Beide Kundengruppen erhalten auf diese Weise ein passendes Angebot.

Wie bewerten Sie allgemein die Kooperation mit Weltsparen - gefährdet sie die Kundenbeziehung, weil Kunden so generell auf die Angebote von Fintechs aufmerksam gemacht werden? Oder stärkt sie die Kundenloyalität?

Ganz klar Letzteres. Genau das ist unser Ansatz: Wir beraten zum Nutzen unserer Kunden - und was wir selbst nicht bieten können, erhalten unsere Kunden von ausgewählten Partnern. Es wird Banken immer wieder von der Presse und von Verbraucherschützern vorgeworfen, nicht jene Produkte anzubieten, die den größten Kundenvorteil bieten, sondern jene, an denen die Banken am besten verdienen. Dass dies bei der Sparda-Bank Nürnberg nicht so ist, stellen wir nicht zuletzt durch die Kooperation mit Weltsparen unter Beweis.

In der digitalen Welt werden Kunden sowieso auf die Angebote von Fintechs aufmerksam. Es wäre illusorisch anzunehmen, dass wir den Kommunikationsfluss im Internet beeinflussen könnten. Ein Kunde, der über ein Fintech direkt akquiriert wird, ist für uns unter Umständen verloren. Dann reden wir lieber offen darüber, sagen, dass wir tolle Angebote haben, aber nicht alles anbieten können, zum Beispiel verhältnismäßig gute Zinsen auf Festgeld - aber dass wir Produkte Dritter empfehlen können. Das verstehen die Menschen. Unsere Kunden erfahren damit ganz persönlich, dass es uns ernst mit der Kundenorientierung zum Nutzen und Vorteil des Kunden ist. Dies ist eine deutliche Wettbewerbsdifferenzierung, die auch emotional erlebt wird und die einen Baustein in der partnerschaftlichen Kundenbeziehung und in der Kundenbindung darstellt.

Wie erklärungsbedürftig ist das Angebot von Weltsparen für die Kunden?

Wir machen es den Kunden einfach! Auf unserer eigenen Homepage stellen wir Weltsparen vor und wählen einige Weltspar-Angebote aus, von denen die Bank selbst überzeugt ist. Damit wird schon einmal die Komplexität reduziert. Klickt der Kunde auf ein Angebot, wird er durch den Informations- und Bestellprozess von Weltsparen geführt, der ähnlich einem Internetshop einfach zu durchlaufen ist.

Wie wird diese Kooperation in der Sparda-Gruppe bewertet? Ist die Sparda-Bank Nürnberg Pilotbank für die ganze Gruppe?

Als Pilotbank treten wir nicht auf. Die Kollegen der anderen Banken betrachten die Kooperation jedoch mit großem Interesse. Natürlich werden wir ihnen über unsere Erfahrungen berichten.

Eine andere Fintech-Kooperation ist die mit Comeco und der Lifestyle-Banking-App Teo. Was versprechen Sie sich davon?

Teo wird unser neues Online-Banking. Die App verbindet nicht nur Banking und Commerce zu Lifestyle-Banking, sondern verknüpft auch digitale Services mit regionalen Dienstleistungen. Teo bietet mit digitalen Zusatzfunktionen den Kunden attraktive Möglichkeiten, ihr Leben tagtäglich zu erleichtern.

Durch die Kooperation mit Comeco ersparen sich die Sparda-Banken eine langwierige Eigenentwicklung und den Aufbau teurer Ressourcen. Wir erhalten eine topmoderne App mit bisher am Markt einmaligen Zusatzfunktionen praktisch auf Knopfdruck. Angebote und Funktionen werden bei Teo auf den einzelnen Nutzer abgestimmt, um dessen individuellen Lebensstil bestmöglich zu unterstützen. So erhalten sportaffine Kunden zum Beispiel vergünstigte Gutscheine von Runners Point und Rezepte für die Fitnessküche. Heimwerker erhalten Mehrwert-Gutscheine eines Baumarktes und Tipps zum Selbermachen. Mit der Teo-Anwendung haben die Sparda-Bank die Chance, ein neues Kapitel in der Online-Kundenkommunikation aufzuschlagen und die Kundenbindung in der digitalen Welt zu festigen.

Teo ist für die Sparda-Banken nicht exklusiv. Inwieweit kann damit dennoch die Differenzierung vom Wettbewerb gelingen?

Teo ist nur ein Baustein in unserer Digitalstrategie, wenn auch ein wichtiger. Durch die Summe verschiedener Maßnahmen ergibt sich ein wettbewerbsdifferenzierendes Gesamtbild. Teo bietet uns eine Plattform, die jede Sparda-Bank individuell mit Leben füllen kann. Darüber hinaus werden einzelne Funktionen wie zum Beispiel die Postbox mit elektronischem Kontoauszugsarchiv individuell für die Sparda-Banken entwickelt. Jede Sparda-Bank kann ihre eigenen Kooperationen in Teo einbringen, sodass jede Bank ihr eigenes Teo-Angebot haben wird. Zudem profitieren die Sparda-Banken als Early Adopters von einem zeitlichen Vorsprung vor ihren Wettbewerbern.

Wie wichtig ist heute überhaupt noch die Differenzierung vom Wettbewerb - oder geht es eigentlich viel stärker darum, dem Kunden im Sinne eines digitalen Ökosystems in möglichst v ielen Lebensbereichen passende Angebote zu machen, um ihn auf diese Weise "von der Wiege bis zur Bahre" rundum versorgen zu können?

Die Differenzierung vom Wettbewerb und die Betreuung von Kunden in unterschiedlichen Lebensbereichen ist kein Widerspruch. Banken haben schon immer darunter gelitten, dass ihre Angebote von den Kunden nicht differenziert wahrgenommen wurden. "Alles das Gleiche - mal ist es grün, mal rot, mal blau", so hört man häufig. Auch die Konditionen dienen nur in einem engen Rahmen als Alleinstellungsmerkmal.

Genossenschaftsbanken leben Werte wie Solidarität, Fairness, Partnerschaftlichkeit und Respekt. Kunden sind Miteigentümer ihrer Bank, sie können mitgestalten und mitbestimmen. Das sind durchaus differenzierende Faktoren. Dazu kommt noch das Engagement für die Region, die Förderung von Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Bildung und Kultur sowie die Unterstützung von sozialen Projekten. Da passt es gut dazu, dass wir unseren Kunden nicht nur Bankdienstleistungen anbieten, sondern partnerschaftlicher Begleiter im Leben sind, auch wenn das nicht immer rein gewinnorientiert zu sehen ist.

Was ist beim Thema Plattformökonomie vorzuziehen - der Aufbau einer eigenen Plattform oder das Andocken an einer anderen, die bereits entsprechende Partner aus dem Nichtbanken-Bereich hat?

Sowohl als auch. Ob wir eine eigene Plattform schaffen oder ob wir eine Kooperation mit einer bestehenden Plattform eingehen, ist themen- und zielabhängig und muss stets individuell abgewogen und entschieden werden.

Versuche, Bankdienstleistungen und anderes zu verknüpfen, hat es schon vor 20 Jahren gegeben. Meist waren sie nur mäßig erfolgreich. Kunden wollten zum Beispiel ihren Stromvertrag nicht bei der Bank abschließen. Warum kann das heute anders sein? Und wo sehen Sie Grenzen der Plattformökonomie für Banken?

Amazon hat als reiner Buchversand angefangen. Heute ist es das weltweit größte Online-Kaufhaus mit einem riesigen Produktsortiment. Wer hätte vor 20 Jahren daran gedacht, bei einem Buchhändler Socken oder einen Fernsehapparat zu kaufen? Keiner! Dieses Beispiel zeigt, dass sich Kundenverhalten wandelt. In der digitalen Zeit schneller als jemals zuvor. Die Digitalisierung eröffnet auch einer Bank neue Möglichkeiten, die über das puristische Bankgeschäft hinausgehen. Wer die finanziellen Wünsche und Ziele eines Kunden im Auge hat, der kann ihn auch ganzheitlich betrachten und ihm die Möglichkeit geben, aus einer Hand vorteilhafte Lebensbegleitung zu bekommen. Grenzen verschieben sich, die Plattformökonomie ist daher nicht begrenzt. Es kommt darauf an, was man daraus macht und wie man die Kunden mitnimmt.

Stefan Schindler, Vorsitzender des Vorstands, Sparda-Bank Nürnberg
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