BANKENINFRASTRUKTUR

"Die Digitalisierung verändert die Beratung in der Baufinanzierung" / Interview mit Marcus Fienhold

Marcus Fienhold, Foto: Interhyp Andreas Pohlmann

Nicht nur, aber vor allem während der beiden Lockdowns im vergangenen Jahr verzeichnete Interhyp einen spürbaren Corona-Boom. Davon hätten auch die rund 500 Partnerbanken profitiert, so Marcus Fienhold. Er will deshalb die Plattform auch nicht als Konkurrenz zum Filialvertrieb von Baufinanzierungen verstanden wissen - im Gegenteil stelle man die Infrastruktur für einen effizienten Vertrieb. Trotz der bereits hohen Marktabdeckung rechnet er deshalb weiterhin mit einer wachsenden Anzahl an Partnerbanken. Red.

Interhyp bezeichnet sich als Deutschlands größter Vermittler privater Baufinanzierungen. Wen sehen Sie als Ihren wichtigsten Wettbewerber?

Wir sprechen hier nicht von Wettbewerb, da wir uns in Sachen Baufinanzierung nicht in einem hochgesättigten Markt bewegen. Der deutsche Markt lässt hier noch viel Platz, die Vermittler- und Eigenheimquote ist noch relativ gering. Mit einem abgeschlossenen Finanzierungsvolumen von 28,8 Milliarden Euro im Jahr 2020 und über 110 Standorten deutschlandweit ist Interhyp Deutschlands Marktführer bei der Vermittlung von privaten Immobilienfinanzierungen. Unsere neue digitale Plattform Interhyp Home wurde erst kürzlich vom Deutschen Institut für Service-Qualität als Finanzprodukt des Jahres ausgezeichnet. Den Titel "Bester Baufinanzierer" konnten wir in diesem Jahr bereits zum 16. Mal in Folge für uns beanspruchen.

Wie viele Banken arbeiten mittlerweile mit Interhyp zusammen? Bilden diese Institute im Grunde den Markt ab oder gibt es Schwerpunkte, etwa in einzelnen Bankengruppen oder nach Institutsgröße?

Mit mehr als 500 Banken bilden wir den gesamten Markt ab: Dazu gehören unter anderem überregionale Banken, Genossenschaftsbanken, Sparkassen, Bausparkassen und Versicherungen. Unabhängig von der Größe sind das alles Institutionen, die einen starken Partner an ihrer Seite wissen wollen, der sie bei der Digitalisierung ihrer Prozesse in der Baufinanzierung unterstützt. Dazu nutzen wir modernste Technologien - wir setzen auf eine klare Cloud-Strategie, eine offene Architektur über APIs oder intelligente Funktionalitäten im Bereich Machine Learning. Darin steckt auch unsere gesammelte Erfahrung aus den vergangenen 20 Jahren, in denen wir uns immer tiefer in das Thema Baufinanzierung und in die Wünsche unserer Kunden hineingedacht haben.

Mit rund 500 Partnerbanken decken Sie inzwischen rund ein Drittel des Bankenmarkts in Deutschland ab. Wie sehr ist das realistischerweise noch ausbaubar?

Wir arbeiten vor allem daran, weitere regionale Banken einzubinden. Das Thema Kosteneffizienz ist ein wichtiges Thema für große und kleine Banken. Digitalisierung ist hier ein wichtiger Hebel und dafür stellen wir unseren Kooperationspartnern Prozesse und Tools zur Verfügung. Wir werden am Markt als starker Partner wahrgenommen: So kommen jedes Jahr neue Institute hinzu. Diesen Banken bieten wir mit Credit Home eine Plattform, die es den Bankbearbeitern ermöglicht, schnell und effizient mit der Interhyp Gruppe zusammenzuarbeiten und interne Prozesskosten einzusparen, was sicher auch für viele weitere Banken interessant ist.

Im Jahr 2020 ist das Abschlussvolumen über die Plattform um rund 17 Prozent gestiegen. Inwieweit war das ein Corona-Effekt, weil sich unter dem Eindruck des Lockdowns mehr Menschen mit dem Erwerb von Wohneigentum befasst haben?

In den Jahren 2020 und 2021 waren auf einmal Technologien und Fähigkeiten gefragt, die über Jahre hinweg davor eher nicht gewünscht waren. Zudem wurden die eigenen vier Wände immer wichtiger für die Kunden. Das Leben außerhalb war ja zeitweise völlig außer Gefecht gesetzt. Da wir in unserer Customer Journey immer den Kunden in den Mittelpunkt stellen, war es für uns oberste Priorität, ihm die für ihn passende Mischung aus digitalem Prozess und persönlicher Beratung zu geben.

Als man sich nicht treffen konnte, sind wir schnell auf Videoberatung samt Screen Sharing umgestiegen. Hier hat sich für uns und auch für unsere Partner und Kunden ausgezahlt, dass wir in den vergangenen Jahren konsequent auf digitale Tools gesetzt haben: Auf dem geteilten Bildschirm können die Berater die Finanzierungsstruktur, die möglichen Angebote, den Tilgungsverlauf oder den Objektwert zeigen, natürlich alles grafisch ansprechend aufbereitet und einfach verständlich für den Kunden. So konnte der Berater auch in dieser Zeit zusammen mit dem Kunden die Baufinanzierungen weiter voranbringen.

Ebenfalls haben wir eine intensivere Nutzung der digitalen Services auf unserer Plattform registriert: Die Verweildauer unserer Kunden hat sich nach dem ersten Lockdown im März 2020 verdoppelt.

Hat Interhyp im vergangenen Jahr auch davon profitiert, dass viele Bankfilialen während des ersten Lockdowns geschlossen waren?

Interhyp hat vor allem davon profitiert, dass wir seit Jahren daran arbeiten, die Suche nach der passenden Immobilien-Finanzierung einfach zu gestalten. Mittlerweile ist das so einfach wie die Suche nach einem Urlaubshotel. Davon haben natürlich auch die Partnerbanken profitiert, denen wir die Kunden ja vermitteln. Wer also früh auf Digitalisierung gesetzt hat, war aus geschäftlicher Sicht gut gerüstet für den Lockdown.

Zusätzlich leisten wir einen Beitrag, den Papierkrieg abzuschaffen: Durch die Digitalisierung der gesamten Unterlagenprozesse haben wir allein in diesem Jahr Papierstapel eingespart, die knapp fünf Mal so hoch wären, wie das höchste Gebäude der Welt - der Burj Khalifa in Dubai mit über 800 Metern. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, das wurde früher alles per Post verschickt.

Sehen Sie Plattformen eher als Ergänzung zum Filialvertrieb oder Konkurrenz? Sprich: Kannibalisieren Banken, die mit Ihnen zusammenarbeiten, dadurch einen Teil ihres bisherigen Geschäfts? Oder erreichen sie einfach neue Zielgruppen?

Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche: Beim Restaurantbesuch reservieren wir online, registrieren uns via App und bekommen die Speisekarte aufs Handy. Einen Großteil un seres Urlaubs planen wir mit Apps. Dieser Fortschritt verändert natürlich auch den Immobilienkauf: Der Häuslebauer recherchiert im Internet vorab zu wichtigen Themen, geht so vorinformiert in Beratungsgespräche und trifft dann Entscheidungen. Das verändert auch die Beratung in der Baufinanzierung.

Wir helfen den Banken bei der Optimierung der Abläufe sowie einer stärkeren Ausrichtung auf die Bedürfnisse ihrer Kunden. Davon profitieren alle, gerade der Filialbetrieb, da wir hier die entsprechende Infrastruktur liefern.

Aus Gesprächen mit unterschiedlichen Banken weiß ich, dass sie durch die Interhyp Beratungs- und Technologiedienstleistungen mehrere Tage Bearbeitungszeit pro Finanzierung einsparen, wenn sie mit uns zusammen arbeiten. Diese eingesparte Zeit kommt bei den Kunden extrem gut an, da bei schnellerer Zu sage durch die Bank auch die Wahrscheinlichkeit auf die Zusage der Immobilie steigt. Auch die Bankmitarbeiter profitieren, da sie dann wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit zur Verfügung haben: die Beratung.

Banken berichten darüber, dass über Plattformen typischerweise besonders Kunden mit vornehmlich guter Bonität vermittelt werden. Woran liegt das?

Wir stehen allen Interessenten gegenüber offen. Üblicherweise hat sich der Nutzer im Vorfeld auf der Plattform ja schon intensiver mit einer Baufinanzierung auseinandergesetzt als ein Kunde, der als ersten Anknüpfungspunkt seine Bank wählt, um sich beraten zu lassen und dadurch erstmals schlau zu machen.

Ist das ein nachhaltiger Effekt? Oder rechnen Sie damit, dass sich dieser Vorsprung im Zuge der zunehmenden Digitalisierung abschwächt, wenn immer mehr Kunden auf Plattformen unterwegs sind?

Wir sind überzeugt, dass die Geschwindigkeit in der Digitalisierung der Baufinanzierung weiter zunehmen wird. Wie es bei der Hotelsuche einen Moment gab, ab dem man die einfachen Dinge am liebsten online erledigt hat, wird das auch in unserer Branche immer mehr der Fall sein.

Ziel bleibt es, allen möglichen Interessenten den Zugang zu ermöglichen, so wie wir das in der Vergangenheit getan haben: Das reicht von der jungen Familie, für die eine Finanzierung der eigenen vier Wände ansteht, bis zur Kapitalanlage für die erfolgreiche Geschäftsfrau. Mit über einer Million abgeschlossenen Baufinanzierungen seit Gründung wissen wir ziemlich genau, was einen Menschen bewegt, der den Wunsch hat, eine Immobilie zu erwerben. Und es werden täglich mehr. Unsere Plattform Home wächst: Hier haben sich bereits 400 000 Kunden registriert. Das zeigt, wie massiv das Interesse an Baufinanzierungen auf breiter Ebene wächst.

Was genau ist die Plattform Prohyp? Was ist der Unterschied zur Interhyp-Plattform?

Die Plattform, die wir als Interhyp Home den Endkunden zur Verfügung stellen, stellen wir bei Prohyp auch Vermittlern für ihre Beratung zur Verfügung: Ehyp Home ist die neue B2B-Plattform. Sie ist die digitale Heimat für Vermittler und deren Kunden. Mit dieser Plattform schaffen wir ein digitales Zuhause für alle und verbinden nach dem Omnikanal-Prinzip die Offline- mit der Online-Welt. Wir nennen das One Platform, da alle Beteiligten auf einer Plattform unterwegs sind.

Gleiches gilt für unseren Plattform-Bestandteil Credit Home, auf den zukünftig unsere gesamte Bankenlandschaft Zugang haben wird. Hier werden nach und nach alle an der Baufinanzierung beteiligten Parteien miteinander arbeiten, um den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Auch wenn Banken nicht gleich die gesamte Plattform, sondern nur einzelne Services für sich nutzen möchten, finden wir hier individuell passende Lösungen. Unsere Plattform hat einen Mehrwert für alle Teilnehmer vom Interessenten über Kunden, Berater, Vermittler bis zu unseren Kreditpartnern.

Marcus Fienhold , Mitglied des Vorstands (Chief Digital Officer) , Interhyp AG, München
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