ERTRAGSPOLITIK

"Das kostenlose Girokonto wäre auch ohne Pandemie nicht mehr tragbar" / Interview mit Stefan Schindler

Stefan Schindler, Foto: Sparda-Bank Nürnberg

Lange haben die Sparda-Banken sich in erster Linie über das gebührenfreie Girokonto definiert. In dem lang anhaltenden Niedrigzinsumfeld mussten sich immer mehr Institute der Gruppe von diesem Ansatz verabschieden, so auch die Sparda-Bank Nürnberg. Neben einer Kontopauschale von 5 Euro pro Monat hat sie zum Jahreswechsel auch Negativzinsen eingeführt. Bei beiden Maßnahmen hilft das genossenschaftliche Modell bei der Akzeptanz der Kunden, sagt Stefan Schindler. Eine Alternative für diejenigen Kunden, die von den Verwahrentgelten betroffen sind, bietet die Kooperation mit Weltsparen. Red.

Zu Jahresbeginn 2021 hat die Sparda-Bank Nürnberg (nicht als erstes Institut und auch nicht als erste Sparda-Bank) eine Kontoführungsgebühr eingeführt. Was waren die ausschlaggebenden Gründe dafür, diese Entscheidung jetzt zu treffen? Hat auch die Corona-Pandemie mit all ihren Konsequenzen dabei eine Rolle gespielt?

Wir haben mit dieser Entscheidung so lange wie möglich gewartet und sie ist uns sehr schwergefallen. Die seit zehn Jahren andauernde Niedrigzinspolitik der EZB hat enorme negative Auswirkungen auf die Ertragslage der Banken, auch bei uns. Die historisch niedrigen Zinsen haben unsere Erträge wegbrechen lassen. Deswegen mussten wir uns vom kostenlosen Girokonto verabschieden, um unsere Bank sicher in die Zukunft zu führen. Die Corona-Pandemie hat diesen Prozess nicht beeinflusst, das kostenlose Girokonto wäre auch ohne Pandemie wirtschaftlich nicht mehr tragbar gewesen.

Was sind die maßgeblichen Faktoren für die Festlegung der konkreten Monatspauschale - die Profitabilität des Kontos, das Wettbewerbsumfeld oder die Zahlungsbereitschaft der Kunden? Und wie sind Sie letztlich zu einer Monatspauschale von 5 Euro gekommen?

Wir haben diverse Modelle durchgerechnet und natürlich auch eine Wettbewerbsanalyse durchgeführt. Es war uns wichtig, ein einfaches, faires und transparentes Modell zu entwickeln, das es gleichzeitig ermöglicht, ein Girokonto weiterhin wirtschaftlich zu führen. Wir sind damit nach wie vor einer der günstigsten Anbieter in der Region.

Wie war die bisherige Kundenresonanz? Ist den Kunden die schwierige Situation der Banken bewusst und zeigen sie Verständnis für die Notwendigkeit der Maßnahme?

Die Reaktionen waren natürlich sehr unterschiedlich und nicht durchwegs positiv. Das ist verständlich. Man darf nicht vergessen, dass das Girokonto bei der Sparda-Bank Nürnberg seit seiner Einführung kostenfrei war. Wir sind aber sehr offen mit dieser Entscheidung umgegangen und haben unsere Kunden ausführlich über die Gründe informiert. Ein Großteil der Kunden versteht, dass es uns hier nicht um Gewinnmaximierung geht, sondern um Zukunftssicherung.

Inwieweit hilft hier vielleicht auch das Genossenschaftsmodell, bei dem es eben nicht um Gewinnmaximierung geht?

Ja, das hilft natürlich! Unsere Kunden wissen, dass ihre Bank solide wirtschaftet und sich dem Förderauftrag gegenüber ihren Mitgliedern verpflichtet fühlt. Das haben wir bereits in der Finanzkrise unter Beweis gestellt.

In der Neukundengewinnung 2020 berichten Sie über einen "Corona-Effekt" durch geschlossene Filialen und eine generell gesunkene Bankwechselbereitschaft der Kunden. Könnte dieser Effekt auch helfen, den Kundenverlust durch die Einführung von Kontoführungsgebühren abzumildern?

Das ist durchaus denkbar. Die Wechselbereitschaft in Corona-Zeiten ist verhalten. Aber es wäre verfrüht, hier einen klaren Zusammenhang herzustellen. Fakt ist: Es gibt Kunden, die nicht bereit sind, Girokonto-Entgelte zu bezahlen und die daraus ihre Konsequenzen gezogen haben. Darüber hinaus haben natürlich einige Kunden auch Zweitkonten aufgelöst, die kaum genutzt wurden. Es ist noch zu früh, um diese Entwicklung quantitativ auszuwerten.

Ganz allgemein: Würden Sie sagen, dass die Preisbereitschaft privater Bankkunden in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen ist?

Von Bereitschaft würde ich da nicht sprechen. Da die Entwicklung die komplette Branche betrifft, haben die Kunden fast keine andere Wahl mehr. Mit der Zeit setzt dann natürlich auch ein Umdenken bei den Bankkunden ein, aber das dauert.

Zum Jahreswechsel haben Sie auch Negativzinsen beim Girokonto und bei Einlagen eingeführt. Gab es hierfür schon einen Präzedenzfall innerhalb der Sparda-Gruppe? Oder ist die Sparda-Bank Nürnberg hier das erste Institut?

Wir sind innerhalb der Gruppe der Sparda-Banken nicht die einzige Bank, die Verwahrentgelte eingeführt hat. In der Vergangenheit haben wir beobachtet, dass Neukunden vor allem deshalb ihr Geld bei uns anlegen, um die bei anderen Banken üblichen Negativzinsen zu vermeiden. Deshalb haben wir, im Interesse aller Mitglieder, zum Jahresbeginn ein Verwahrentgelt mit hohen Freibeträgen eingeführt.

In welcher Höhe hat die Bank 2020 Negativzinsen an die EZB gezahlt?

Die direkten Negativzinszahlungen an die EZB sind nur eine der vielen Nebenwirkungen durch die anhaltende Niedrigzinsphase. Daher veröffentlichen wir dazu keine konkreten Zahlen. So wirkt sich die Negativverzinsung nicht nur auf die Liquiditätsanlage bei der EZB aus, sondern auch auf die Geldanlage bei anderen Instituten.

Eine weitere Nebenwirkung der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ist auch die Tatsache, dass die Verzinsung diverser Eigenhandelsgeschäfte, wie zum Beispiel den Zinssicherungsgeschäften, ebenfalls von den aktuellen - teils negativen - Marktzinskonditionen abhängig ist.

Wie viele Kunden werden angesichts der Limits von 50 000 Euro auf dem Girokonto und 200 000 Euro bei Einlagen überhaupt betroffen sein?

Bei der Sparda-Bank Nürnberg sind rund 1 400 Kunden von dieser Regelung betroffen. Die meisten haben damit gerechnet und zeigen Verständnis für unsere Entscheidung.

Seit September 2019 kooperiert die Sparda-Bank Nürnberg mit Weltsparen. In welchem Ausmaß haben Kunden diese Alternative zum "Geld Parken" auf dem Girokonto angenommen? Und was erwarten Sie in dieser Hinsicht nach der Einführung von Negativzinsen auf hohe Einlagen?

Die Kundeneinlagen bei Weltsparen hatten Ende 2020 ein Volumen von 19 Millionen Euro und wir rechnen hier mit weiteren Zuwächsen. Für die Sparda-Bank Nürnberg geht es im Kern immer darum, ihre Kunden zum Vermögensaufbau und der richtigen Strukturierung individuell und kompetent zu beraten. Dazu gehört auch, attraktive Alternativen zum Guthaben auf dem Girokonto aufzuzeigen.

Fließen der Bank aus dieser Kooperation auch Provisionen zu?

Ja, die gibt es. Das ist auch eines der elementaren Ziele in unserer "Zukunftsstrategie 2030", neue Märkte und neue Wertschöpfungsketten zu erschließen. Dazu gehört unter anderem der Einstieg in den Mietwohnungsbau, bei dem wir mit unserem Tochterunternehmen Sparda Immobilienwelt in diesem Jahr insgesamt 65 Mietwohnungen in Nordbayern realisieren.

Und wie ist das bei der Banking- und Lifestyle-App Teo? Lassen sich hier durch Partnerangebote Provisionserträge generieren? Oder ist das noch Zukunftsmusik?

Teo ist ebenfalls ein wichtiger Baustein in der Zukunftsstrategie 2030 der Bank und ein Kernelement der digitalen Transformation unserer Genossenschaftsbank. Das ist natürlich unter anderem auch eine Erlösmöglichkeit, aber es ist noch viel mehr als das und auch viel mehr als Banking. Teo ist unser Einstieg in die Plattformökonomie und wir gehen damit einen vollkommen neuen Weg. Dieser Weg ist anspruchsvoll, aber wir sind davon überzeugt, dass er erfolgreich sein wird.

Mit den Partnerangeboten bei Teo stehen wir noch am Anfang, da wird noch viel passieren. Wichtig ist für uns, dass das Angebot ganz nah an den Bedürfnissen und der Lebenswelt der Kunden entwickelt wird. Teo ist der genossenschaftliche Gedanke, übertragen in die digitale Welt!

Stefan Schindler, Vorsitzender des Vorstands, Sparda-Bank Nürnberg eG, Nürnberg
Noch keine Bewertungen vorhanden


X