KOOPERATION

"Im Makleransatz sehen wir für die Zukunft größere Potenziale" Interview mit Nikolaus Hax und Andreas Küchle

Nikolaus Hax, Foto: Sparda Versicherungsservice

Seit 2019 fährt die Sparda-Bank Baden-Württemberg im Versicherungsvertrieb zweigleisig: In der Altersvorsorge praktiziert sie ein klassisches Partnerschaftsmodell mit der R+V, die Sachversicherung läuft komplett über eine selbst gegründete Maklergesellschaft. Noch funktionieren beide Modelle gut. Für die Zukunft sehen Nikolaus Hax und Andreas Küchle jedoch im Makler das größere Potenzial, nicht zuletzt dank der Integration in die Plattform Teo als "Financial Home" des Kunden. Zudem sei der genossenschaftliche Gedanke beim Maklermodell, in dem man ganz an der Seite des Kunden stehe, noch besser umgesetzt. Red.

Die Sparda-Bank Baden-Württemberg hat seit 2019 mit der Sparda Versicherungsservice eine eigene Maklertochter - weshalb?

Nikolaus Hax: Die Sparda-Bank Baden-Württemberg hat über Jahrzehnte in der Ausschließlichkeit mit der DEVK zusammengearbeitet. Es gab jedoch eine Überlegungen zu der Frage, wie dem Kunden ein breiteres Versicherungsangebot gemacht werden könnte, um ihn noch optimaler beraten zu können und den Versicherungsvertrieb zugleich digitaler zu gestalten. Denn wir gehen davon aus, dass die Digitalität immer weiter voranschreitet. Als bester Weg für den Kunden hat sich dabei die Gründung einer Maklergesellschaft herauskristallisiert, um das Versicherungsgeschäft dort zu bündeln und für den Kunden digital darzustellen - das Ganze mit einem Marktüberblick über 150 Gesellschaften.

Andreas Küchle: Wir merken natürlich, dass der Kunde sich - ähnlich wie bei der Baufinanzierung - im Vorfeld eines Beratungsgesprächs sehr viel besser informiert und vergleichende Portale nutzt. Viele Kunden legen sich heute nicht mehr auf einen Versicherer fest, sondern treffen ihre Entscheidung angebotsabhängig. Insofern war es klar, dass wir ein breiteres Angebot darstellen mussten.

Die Entscheidung für einen Makler war die logische Konsequenz daraus und begründet sich ein Stück weit auch aus dem genossenschaftlichen Geschäftsmodell: Da wir die Förderung unserer Mitglieder im Blick haben, war es eine spannende Option, nicht nur ein verlängerter Vertriebsarm einer Versicherungsgesellschaft zu sein, sondern auf die Kundenseite zu wechseln und als Makler die Interessen des Kunden gegenüber den Versicherungen zu vertreten.

Welche Anforderungen bringt die Gründung einer Maklergesellschaft mit sich? Braucht man dafür einen Maklerpool?

Andreas Küchle: Ja. Die Tätigkeit als Makler bringt beträchtliche Komplexität mit sich. Das bedeutet, dass man einen Maklerpool braucht, der die wesentlichen Versicherungen unter Vertrag hat und auch entsprechende Technik bietet. Die erste Herausforderung bestand somit darin, einen passenden Partner zu finden. Mit allen Versicherungsgesellschaften jeweils Einzelverträge abzuschließen, wäre für uns kein zielführender Weg gewesen.

Nikolaus Hax: Die Auswahl fiel dabei auf Jung DMS und Cie. Ausschlaggebend dafür war das Maklerverwaltungsprogramm, in das über die Schnittstellen alle Versicherungsdaten hereinkommen und das es auch ermöglicht, die Daten in der Web-App für die Kunden transparent darzustellen, damit der Kunde seine Policen jederzeit einsehen oder auch online abschließen kann. Das konnte zu dem Zeitpunkt kein anderer Maklerpool anbieten.

Wäre auch das Modell des Mehrfachagenten für Sie eine Option gewesen?

Nikolaus Hax: Wir haben natürlich verschiedene Optionen geprüft. Aus dem genossenschaftlichen Gedanken heraus war es uns jedoch wichtig, unabhängig zu agieren, anstatt dem Versicherer gegenüber als Mehrfachagent Rechenschaft abzulegen über Tarife, Produkte und Absatzstrecken. Deshalb haben wir uns klar für den Makleransatz entschieden.

Läuft der Versicherungsvertrieb der Sparda-Bank Baden-Württemberg jetzt nur noch über den Makler? Oder gibt es daneben auch noch den klassischen Vertrieb von R+V-Produkten über den Bankberater?

Nikolaus Hax: Wir fahren hier ein zweigleisiges Modell. Innerhalb der Bank praktizieren wir ein klassisches Partnerschaftsmodell, mit der R+V beispielsweise, für standardisierte Vorsorgeprodukte und von Credit Life die Restschuld in der Baufinanzierung. Alles andere läuft über "Meine Versicherungswelt", also den Makler.

Hat die klassische Bankassurance in der Ausschließlichkeit überhaupt eine Zukunft?

Andreas Küchle: Das hängt ganz vom Kunden ab. Im Markt erleben wir derzeit eine Übergangsphase, in der beides sehr gut funktionieren kann. Bei den wesentlichen Bank- und Versicherungskooperationen wird nach wie vor erhebliches Neugeschäft geschrieben. Wir sehen aber auch, dass die digitalen Portale, die als Quasi-Makler agieren, einen enormen Aufwind erleben und der Kunde sich Stück für Stück an solche vergleichenden Mechanismen in der digitalen Welt gewöhnt und sie anfordert. Das gilt insbesondere für etwas jüngere Zielgruppen. Hier ist die Präferenz für vergleichende Angebote schon recht ausgeprägt.

Das Problem für Banken dabei ist die Komplexität. Wenn man sich für mehrere Produktanbieter entscheidet, wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, alle Tarife im Kopf zu behalten. Das macht die Weiterentwicklung der Bankassurance schwierig. Diese Komplexität und Kompetenzvorhaltung vor Ort lässt sich nur schwer bewältigen. Hier braucht man digitale Unterstützungssysteme mit einer Bedarfsanalyse, die es möglich macht, dem Kunden je nach seinen Bedürfnissen und Präferenzen nicht nur ein, sondern mehrere Angebote zu unterbreiten. So kommt man recht schnell an den Makleransatz heran. Ein Angebot im klassischen Bankassurance-Vertrieb lässt sich deshalb nur schwer aufrechterhalten. Auch wenn momentan beide Modelle funktionieren, braucht es alternative Ansätze. Im Makleransatz sehen wir für die Zukunft größere Potenziale.

Wie verteilt sich derzeit das Neugeschäft auf die beiden Ansätze?

Nikolaus Hax: Das lässt sich nur schwer darstellen, weil wir mit den beiden Modellen unterschiedliche Sparten mit unterschiedlichen Bedarfen bedienen. Ganz grob: Über den Filialvertrieb werden vor allem standardisierte Vorsorgeprodukte vertrieben, über den Makler die ganze Breite des Sach- und Personenversicherungsgeschäfts.

Für viele Kunden ist das Angebot des Maklers noch zu viel. Ihnen reicht ein Angebot. Aber diejenigen, die mehrere Angebote wünschen, können die von uns im Rahmen des Maklerauftrags neutral erhalten. Diese Kombination lässt momentan den Bankassurance-Vertrieb noch eine ganze Weile optimal laufen.

Lässt sich sagen, welche Kunden typischerweise welchen Vertriebsansatz bevorzugen?

Nikolaus Hax: So einfach lassen sich die Menschen heute nicht mehr einteilen. Momentan befinden wir uns in einer hybriden Phase, in der mehrere Denkansätze notwendig sind.

Wie wichtig ist Kunden heute noch der persönliche Ansprechpartner?

Andreas Küchle: Die Frage, ob ein Abschluss digital oder persönlich zustande kommt, ist heute gar nicht mehr so relevant, weil die Welten immer mehr verschwimmen. Die beste Lösung ist es, wenn der Kunde jederzeit die Möglichkeit hat, den Kanal zu wechseln. Deshalb lässt sich auch häufig nicht auseinanderdividieren, über welchen Kanal ein Abschluss zustande gekommen ist. Viel spannender ist das Tracking der einzelnen Prozessschritte, um herauszufinden, an welcher Stelle im Entscheidungsprozess der Kunde sich wohin wendet.

Hinzu kommt: Selbst dann, wenn ein Abschluss beim Berater im persönlichen Gespräch zustande kommt, geschieht das heute fast ausschließlich digital. Daran sieht man, wie stark die Welten bereits ineinandergreifen.

Gewinnen Sie über den Makler auch Neukunden für die Bank?

Nikolaus Hax: Jeder, der die Dienstleistungen der SVS über "Meine Versicherungswelt" nutzen will, kann das ohne eine Verbindung zur Sparda-Bank Baden-Württemberg tun. Der Fokus und die eigentliche Motivation liegen jedoch bei den eigenen Kunden und der Vernetzung der digitalen Ökosysteme. Hier sehen wir auch das größere Potenzial. In unserem Kundenstamm von über 360 000 Girokunden gibt es noch genug Chancen, das Versicherungsgeschäft auszubauen.

Die Stärke der Bankassurance liegt traditionell im Bereich Altersvorsorge, während die Potenziale bei Schaden-/Unfallversicherung weit weniger gut ausgeschöpft werden. Bietet der Makleransatz die Chance, im Kompositgeschäft aufzuholen?

Nikolaus Hax: Durchaus. Der Fokus der Banken liegt immer noch sehr stark auf der Vorsorge. Der Bereich Schaden/ Unfall erfährt nicht immer die angemessene Berücksichtigung und auch Wertschätzung. Die beste Vorsorge nutzt jedoch nicht viel, wenn die Basis im Privatschutzbereich, etwa in Form einer Privathaftpflichtversicherung, nicht abgedeckt ist. Das ist ein Beratungsansatz, der etwa auch in der deutschen Finanznorm 77 230 zum Ausdruck kommt.

Genau an dieser Stelle greift die Verzahnung mit der Bank. Sobald es stärker in den Bereich Sachversicherung hineingeht, hört der Banker auf - er hat ja nicht Versicherungskaufmann gelernt. Dieses Potenzial wurde bislang nicht gehoben, das wollen wir aber künftig erschließen.

Wie stellt sich das aus Mitarbeitersicht dar? Gibt es hier eine Art Konkurrenzdenken?

Nikolaus Hax: Nein. Da wir keine direkte Zuordnung von Provisionen an Bankmitarbeiter haben und auch die Versicherungsspezialisten bei "Meine Versicherungswelt" nicht provisionsabhängig bezahlt werden, ergibt sich daraus kein interner Wettbewerb um den Kunden - im Gegenteil. Die SVS ist ja eine hundertprozentige Tochter, die das Angebot der Bank ergänzt. Die Spezialisten haben auch einen sehr persönlichen Draht zum jeweiligen Filialteam, damit die Überleitung gut funktioniert.

Sie haben angekündigt, die digitalen Angebote der Bank und des Maklers noch weiter zu verzahnen. Erzwingt nicht der Makler-Status eine klare Trennung?

Nikolaus Hax: Die rechtlich gebotene Trennung ist über die Plattform Teo gewährleistet. Der Kunde erkennt sehr deutlich, wenn er sich in "Meine Versicherungswelt" befindet. Im eigentlichen Banking-Bereich werden dagegen gar keine Versicherungsprodukte der R+V angeboten.

Wie genau wollen Sie die Angebote weiter verzahnen?

Andreas Küchle: Mit dem neuen Release von Teo ist die direkte Einbindung von "Meine Versicherungswelt" in die Banking-Plattform Teo vollzogen. Das bedeutet, dass Kunden ihre Versicherungsverträge über eine sogenannte Single-Sign-on-Lösung aus Teo heraus anschauen können, Schäden melden und das komplette Angebot der SVS abrufen können.

In Teo selbst gibt es ein Tool namens Vertrags- und Versicherungsmanager. Das war bisher ein reines Dienstleistungstool, in dem Kunden lediglich ihre Versicherungsverträge verwalten konnten. Gespeist wird diese Information in Teo aus den Kontodaten. Hier ist eine Künstliche Intelligenz hinterlegt, die die Umsätze erkennt und dem Kunden seine Versicherungsumsätze, die über das Konto abgerechnet werden, gesammelt darstellt. Hier hat der Kunde die Möglichkeit, direkt aus den Kontoumsätzen mit einem Klick direkt zu Vergleichsangeboten im Bereich "Meine Versicherungswelt" zu wechseln. Das ist der unmittelbarste Kontaktpunkt, den wir im Bestandsgeschäft haben. Hier rechnen wir damit, dass diese Möglichkeit von Kunden stark in Anspruch genommen werden wird.

Nikolaus Hax: Dadurch entwickelt sich Teo mehr und mehr zum echten Financial Home des Kunden. Er sieht Multibanking und seine Investments und wird in etwa zwei Monaten auch Kredite bei der Teambank abschließen können. Deshalb war es nur konsequent, die Plattform so auszubauen, dass der Kunde auch seine Versicherungsverträge dort einsehen und bearbeiten sowie seine bestehenden Alttarife bewerten kann, ohne das Gefühl zu haben, zwingend einen Neuabschluss zu tätigen.

Welche Potenziale für das Neugeschäft sehen Sie?

Andreas Küchle: Durch die genannte Verzahnung ergeben sich Potenziale für das Neugeschäft. Denn ein Versicherungsvertrag, dessen Prämie über das Konto abgebucht wird, muss ja nicht zwingend schon bei uns im Bestand gewesen sein. Wenn ein Kunde einen Vertrag bei einer anderen Versicherung als der R+V hatte, konnten wir ihn bisher nicht bedienen. Jetzt können wir das. Er kann mit seinem Versicherungsbestand - bei welcher Versicherung auch immer - unser Kunde werden und beraten werden. Vor der SVW hatten wir nur etwa 20 bis 25 Prozent der bisherigen Sachversicherungen unserer Kunden im Portfolio. Hier sehen wir enormes Potenzial.

Nikolaus Hax: Dazu einige Zahlen: Laut GDV hat der einzelne Kunde aktuell durchschnittlich 4,9 Versicherungsverträge bei 2,3 Versicherern. Als Einfirmenvertreter ist eine Bank eben nur einer dieser 2,3 Anbieter und betreut im Schnitt zwei Verträge. Hier hilft der neue Ansatz, einen größeren Anteil auf uns zu vereinen.

Ein Trend beim digitalen Versicherungsabschluss geht in Richtung Ausschnittsdeckungen in Verbindung mit Einkäufen. Sehen Sie hier ebenfalls Potenziale bei Teo? Ursprünglich war die Plattform ja als "Lifestyle-Banking" positioniert worden.

Nikolaus Hax: Auf jeden Fall! Der Mak ler kann viel agiler am Markt erfragen, welche Produkte für die Kunden gebraucht werden. Beispielsweise möchte ein Skifahrer vielleicht für die zwei Wochen seines Skiurlaubs eine Spontan-Unfallversicherung abschließen. Dann ist ein Einfirmenvertreter abhängig von der Gesellschaft für die er arbeitet und die vielleicht gar kein solches Produkt anbietet. Der Makler hingegen kann unter Umständen sogar mehrere Angebote abschlussfähig unterbreiten.

Andreas Küchle: Für Abschlüsse gibt es rund um die Plattform eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten. Entscheidend ist, dass der Kunde eine Anlaufstelle hat, über die er alles regeln kann. Für uns liegt der Fokus darauf, Teo zur finanziellen Heimat der Kunden zu machen. Denn das ist unser Kerngeschäft. Aber natürlich kann man auch überlegen, andere Lifestyle-Themen mit aufzunehmen, die für den Kunden interessant sind.

80 Prozent der Sparda-Girokunden arbeiten aktiv mit Teo - und das, nachdem das Angebot etwa ein gutes halbes Jahr vollständig am Markt ist. Das sind über 310 000 Teo-Nutzer bei der Sparda-Bank Baden-Württemberg. Allein im Dezember 2021 haben diese 310 000 Nutzer Teo 4,4 Millionen Mal aufgerufen. Das vermittelt eine Vorstellung davon, wie wichtig die Plattform als Kontaktpunkt für die Bank ist. Deshalb müssen an diesem Kontaktpunkt alle Leistungen gebündelt werden. So waren Ökosysteme angedacht. Und das ist eine spannende Option für die Zukunft.

Ließe sich die Zahlungsdatenanalyse durch KI auch für echtes Neugeschäft nutzen - etwa indem man beim Kauf eines E-Bikes gleich auf eine entsprechende Versicherung hinweist?

Nikolaus Hax: Es wäre sicher denkbar, automatisiert aus einer Abbuchung eine Information zu einem möglichen Versicherungsbedarf zu generieren. Für einen konkreten Vertrag bietet die Zahlungsstromanalyse jedoch meist keine ausreichenden Daten.

Andreas Küchle: Wenn der Kunde einer Zahlungsstromanalyse zustimmt, ist so etwas möglich. Das ist aber noch Zukunftsmusik. Dafür braucht es auch eine gewisse Reife, damit Kunden eine solche Transparenz wollen. In gewissem Maße ist so etwas inzwischen akzeptiert. Man ist aber sicher gut beraten, die Kundenakzeptanz für solche Angebote im Blick zu behalten. Erste Ansätze einer solchen Künstlichen Intelligenz finden sich in Teo schon wieder. Der vertrauensvolle Umgang mit den Daten der Kunden hat jedoch oberste Priorität.

Nikolaus Hax , Geschäftsführer , Sparda Versicherungsservice GmbH, Stuttgart
Andreas Küchle , Geschäftsführer , Sparda Versicherungsservice GmbH, Stuttgart

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