BANKENMARKT ÖSTERREICH

"Sonderkonditionen fressen einen zu großen Teil der Marge" Ewald Judt im Gespräch mit Sonia Fischer-King und David Lielacher

Sonia Fischer-King, Director, David Lielacher, Director, Simon-Kucher & Partners

Kreditinstituten fehlt noch immer das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Preisen. So kommt es, dass Sonderkonditionen einen zu großen Teil der Margen fressen, meinen Sonia Fischer-King und David Lielacher. Das Sonderkonditionenunwesen liegt allerdings auch an mangelnder Preis- und Produktdifferenzierung. Einen Weg aus der "Sonderkonditionenfalle" sehen sie deshalb in mehr Differenzierung, aber auch in vorgegebenen Preiskorridoren. Red.

Die Margen der Banken werden kleiner und kleiner. Was sind die Gründe dafür?

Sonja Fischer-King: Die Gründe liegen sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite. Die anhaltende Niedrigzins phase, wandelnde Kundenbedürfnisse und intensiverer Wettbewerb üben Druck auf die Erträge aus. Andererseits treiben Regulatorik und IT die Kosten in die Höhe.

David Lielacher: Banken waren lange durch gutes Geld aus dem Zinsdifferenzgeschäft verwöhnt. Unter Druck wurde die Lösung auf der Kostenseite gesucht. Immer mehr Banken erkennen erst jetzt die Wichtigkeit der Komponente Preis in der Gewinngleichung.

Die Preise haben also einen nicht unwesentlichen Anteil daran. Wie kann die Bank zu einer Preispolitik kommen, die den wirtschaftlichen Erfolg sicherstellt?

Sonja Fischer-King: Eine positive Preiskultur entsteht nicht in wenigen Wochen, sondern braucht ihre Zeit. Ein erster Schritt ist, das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Preise zu schaffen und die Angst davor zu nehmen. Aktuell ist Vielen - oft auch Führungskräften - nicht ausreichend bewusst, wie sehr sich der Preis auf den Gewinn niederschlägt.

Fressen Sonderkonditionen tatsächlich einen guten Teil der Marge?

Sonja Fischer-King: Nichts wirkt sich so stark auf den Gewinn aus wie der Preis - im Positiven wie auch im Negativen. Ein kleines Rechenbeispiel: Sie verkaufen mit einer Bruttomarge von 20 Prozent. Wie viel mehr Volumen müssten Sie absetzen, um bei einer Preissenkung (oder einer durchschnittlichen Sonderkondition) von 10 Prozent den Gewinn konstant zu halten?

David Lielacher: Wir haben auf diese Frage schon die wildesten Antworten gehört. Das Ergebnis ist überraschend.

Sonja Fischer-King: Die Gewinnwirkung von Preisänderungen ist enorm - es sind tatsächlich 100 Prozent mehr Volumen, das notwendig wäre. Fragen Sie Ihren Vertrieb mal, ob im Gegenzug für zehn Prozent Sonderkonditionen-Kompetenz die doppelte Absatzmenge geleistet werden kann.

David Lielacher: Wenn wir jetzt die Gewinnwirkung des Preises mit den Sonderkonditionen, die wir immer wieder vorfinden, in Verbindung bringen, ist die Antwort auf die Frage eindeutig: Ja, Sonderkonditionen fressen einen viel zu großen Teil der Marge.

Weshalb vergeben dann Banken dennoch so häufig Sonderkonditionen?

Sonja Fischer-King: Einerseits ist das Bewusstsein über die Auswirkungen von Sonderkonditionen nicht vorhanden. Andererseits liegt keine Transparenz zu den am Markt durchgesetzten Preisen vor.

David Lielacher: Diese mangelnde Transparenz führt dazu, dass Kundenberater in Preisverhandlungen schnell in die Defensive kommen. Dann wird zu oft beziehungsweise zu stark an der Preisschraube gedreht.

Sonja Fischer-King: In vielen Fällen bleibt aber auch keine andere Wahl, als Sonderkonditionen anzubieten. Nämlich dann, wenn undifferenzierte Einheitsprodukte angeboten werden, die zu keinem Kunden richtig passen.

Wie schaut so ein undifferenziertes Angebot aus?

Sonja Fischer-King: Banken bieten häufig nur ein Produkt je Produktkategorie an. Girokonto, Depot, Baufinanzierung - Einheitsangebote dominieren. Als wären alle Kunden gleich.

David Lielacher: Ein Beispiel: Beim Firmenkonto bieten 80 Prozent der Banken nur ein Produkt an, unabhängig davon ob der Kunde ein Kleinunternehmer oder ein größerer Mittelständler ist. Ein Mittelständler hat aber natürlich ganz andere Anforderungen als ein Kleinunternehmer. Sonderkonditionen sind dann zwingend notwendig, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Sonja Fischer-King: Als Konsequenz werden ohne Orientierungspunkte Sonderkonditionen "Pi mal Daumen" vergeben. Es herrscht weder Transparenz über den Kundenwert noch über Wettbewerbspreise. Resultat ist ein Wirrwarr an Sonderkonditionen - damit wird nicht nur Ertrag liegen gelassen, es steigen auch die internen Kosten mit der Komplexität.

Welche Wege sehen Sie, um aus der Sonderkonditionen-Falle herauszukommen?

David Lielacher: Zum Glück gibt es einige Wege. Preis- und Produktdifferenzierung zum Beispiel ist im Retailbanking eine hervorragende Maßnahme. Es gibt mittlerweile genügend Beispiele für ein differenziertes Angebot im Privatkonto-Bereich. Aber genauso wie auf das Privatkonto ist Differenzierung auch auf weitere Produkte erfolgreich anwendbar: im Private Banking, für Firmenkunden, bei Geldanlagen sowie bei Finanzierungen. Zum Beispiel kann auch bei der Baufinanzierung Produktdifferenzierung ein Weg aus dem aktuellen Preiskrieg sein.

Wie kann man durch Preis- und Produktoptimierung Sonderkonditionen reduzieren und Gewinnpotenziale ausschöpfen?

Sonja Fischer-King: Wir müssen von einer reinen Preis-Diskussion zu einer Preis-Leistungs-Diskussion kommen. Nicht jeder Kunde will denselben Leistungsumfang und hat die gleiche Preisbereitschaft. Wird das Angebot entsprechend den Kundenbedürfnissen differenziert, lassen sich Sonderkonditionen in der Regel signifikant reduzieren. Will ein Kunde einen günstigeren Preis, dann muss er bereit sein, auf bestimmte Leistungen zu verzichten.

Sind angesichts unterschiedlicher Kundenbedürfnisse vor allem im Firmenkundengeschäft standardisierte Sonderkonditionen zweckmäßig?

David Lielacher: Bei Kleinunternehmen und Mittelständlern lassen sich die verschiedenen Kundenbedürfnisse gut über Preis- und Produktdifferenzierung abbilden. Sonderkonditionen sind dann nur noch in Einzelfällen notwendig. Anders sieht es bei Großkunden aus. Hier dominiert das Verhandlungsgeschäft.

Sonja Fischer-King: Aber auch dort gibt es Lösungen, um aus der Sonderkonditionen-Falle zu kommen. Hier gilt es, den richtigen Kunden den richtigen Preis anzubieten, das heißt weg von einer - überspitzt gesagt - willkürlichen hin zu einer systematischen Sonderkonditionsvergabe zu kommen.

Welche Möglichkeiten gibt es für einen größeren Preisspielraum für den Vertrieb?

Sonja Fischer-King: Im Verhandlungsgeschäft - sowohl im Corporate als auch im Private Banking - ist natürlich ein gewisser Preisspielraum nötig. Allerdings sollte dieser nie pauschal eingeräumt werden. Vielmehr muss die Wichtigkeit des Kunden ausschlaggebend dafür sein, wie sehr sich der Kundenberater "bewegen" darf.

David Lielacher: Dazu braucht es systematische Ansätze. Oft wird der Kundenkenntnis der besten Berater vertraut - oder deren Bauchgefühl. Zielführender sind individuelle Preiskorridore und Zielpreise, basierend auf Kundencharakteristika und in ähnlichen Situationen durchgesetzten Preisen. Diesen Ansatz nennen wir Peer Pricing.

Dadurch wird Mitarbeitern einerseits transparent gemacht, welche Preise in ähnlichen Situationen tatsächlich schon durchgesetzt wurden und somit auch bei diesem Produktabschluss durchsetzbar sein könnten. Andererseits motiviert der verhaltenswissenschaftliche Aspekt "wenn andere das können, kann ich das auch" Mitarbeiter dazu, höhere Preise durchzusetzen als sie ohne dieses Benchmarking durchsetzen würden. Damit unterstützt Peer Pricing Banken im Prozess von "mehr verkaufen" zu "besser verkaufen".

Wer soll Sonderkonditionen vergeben? Und wie können Eskalationsprozesse aussehen?

Sonja Fischer-King: Viel zu oft wird anhand der Abweichung in Basispunkten eindimensional entschieden. Dabei ist der zerstörte kommerzielle Wert, der nicht nur eine Preis- sondern auch eine Volumenskomponente beinhaltet, sehr viel relevanter. Zudem sollte mindestens eine zweite Dimension in den Sonderkonditions-Entscheidungsprozess eingebunden werden.

David Lielacher: Das kann im Kreditbereich risikogewichtetes gebundenes Kapital sein oder im Private Banking der prognostizierte Kundenwert. Die Kombination legt fest, wer entscheidet. Damit kann effektiv priorisiert und viel effizienter gesteuert werden.

Bei einer Neustrukturierung der Preispolitik unter besonderer Berücksichtigung der Sonderkonditionen ist wohl ein Change-Management-Prozess notwendig?

Sonja Fischer-King: Erfolgreiches Change-Management ist nicht nur notwendig, sondern wesentlich für den Erfolg.

David Lielacher: Dies beginnt bereits sehr früh im Projekt, indem Vertriebsmitarbeiter von Anfang an eingebunden werden. Außerdem wird jeder Mitarbeiter zu den Neuentwicklungen und deren Hintergründen ausführlich geschult. Das unterstützt die Identifikation des Vertriebs mit den umgesetzten Maßnahmen und ist somit kritisch für den Umsetzungserfolg.

Was ist schlussendlich das Ziel einer derartigen Preisberatung und welche Folgen hat es für die Bank?

David Lielacher: Es geht immer um die Stärkung der Topline - mehr Ertrag, mehr Gewinn. Je nach Projekt und Ausgangslage gibt es dabei unterschiedliche Prioritäten. Mal steht kurzfristiger Profit im Vordergrund, mal liegt der Fokus stärker auf der langfristigen Absicherung der Erträge, der besseren Wertkommunikation oder der Verbesserung der Durchsetzung der Listenpreise.

Sonja Fischer-King: Mit der Einführung von differenzierten Preisen und Produkten lassen sich regelmäßig signifikante Mehrerträge erzielen. Wenn zusätzlich noch ein stringentes Sonderkonditions-Management umgesetzt wird, steigert sich der Effekt nochmals.

Sonia Fischer-King, Director, Simon-Kucher & Partners, Wien
David Lielacher, Director, Simon-Kucher & Partners, Wien

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