Im Gespräch

"Der Trend zur Urbanität kommt uns entgegen" / Interview mit Florian Rentsch

Florian Rentsch, Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Sparda-Banken e.V.
Quelle: Sparda-Banken

Auch wenn die Gruppe der Sparda-Banken fusionsbedingt immer kleiner wird, ist ein eigener Verband für die Mitgliedsbanken weiterhin - über die wichtige Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel hinaus - von hoher strategischer Bedeutung, so Florian Rentsch im Redaktionsgespräch. Beim eigenen Rechenzentrum, wo es auch um Volumina geht, könnte das möglicherweise anders aussehen. Wie es mit der Sparda Datenverarbeitung weitergeht, soll bis zum Herbst dieses Jahres entschieden werden. Wichtig ist Rentsch, die Geschlossenheit der Gruppe zu betonen. Auch der bundesweite Antritt in digitalen Kanälen habe daran nichts geändert. Red.

Wie politisch ist die Verbandsarbeit von Banken in Zeiten überbordender Regulierung?

Es ist eine wichtige Aufgabe, sich zu den Regulierungsthemen richtig zu positionieren. Die Bankenbranche ist hier in den letzten Jahren eher defensiv unterwegs. Deshalb müssen wir schauen, dass wir die wichtige Rolle stärker herausarbeiten, die eine mittelständische Bankengruppe wie die Sparda-Banken für die Kunden und für die Volkswirtschaft hat. Da ist meine persönliche Erfahrung im politischen Umfeld sicher kein Nachteil. Eines ist ganz klar: Wenn es so weiter geht wie bisher, dann werden Banken kaum noch die Möglichkeit haben, alleine mit hergebrachten Geschäftsmodellen Geld zu verdienen. Viele Maßnahmen gehen ja auch am eigentlichen Sinn und Zweck vorbei, mehr Verbraucherschutz zu organisieren. MiFID II etwa ist eine Gängelung der Banken wie auch der Verbraucher. Insofern ist es eine große Aufgabe, immer wieder frühzeitig zu intervenieren. Deshalb sind wir derzeit dabei, die Interessenvertretung in Berlin neu zu strukturieren.

Sehen Verbraucherschützer MiFID auch so kritisch?

Die Stimmung gegenüber der Finanzwirtschaft hat sich durch die Finanzkrise sehr stark verändert und die Kreditwirtschaft wird nicht überall als Gesprächspartner gern gesehen. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass diese Distanz wieder aufgehoben wird. Hier gab und gibt es noch eine ganze Reihe von Hausaufgaben zu erledigen. Jetzt geht es auch darum, eine andere Struktur zu gewinnen, um wieder besser mit den Banken arbeiten zu können. Denn es kann nicht darum gehen, dass Banken bestimmte Produkte nicht mehr anbieten können, weil sie zu bürokratisch und zu aufwendig geworden sind.

Insgesamt kann man es auf eine einfache Formel bringen: Wir brauchen Rückenwind aus der Politik, nicht weiter Gegenwind.

Wir versuchen derzeit, einen intensiven Kontakt zu Verbraucherschützern aufzubauen, weil wir der Ansicht sind, dass es wichtig ist, sie frühzeitig einzubeziehen und auch deren Haltung zu verschiedenen Themen zu verstehen. Aus Gesprächen habe ich die Botschaft mitgenommen, dass MiFID II nicht das ist, was Verbraucherschützer sich unter Verbraucherschutz vorstellen. Das zeigt doch, dass wir offensiver agieren müssen.

Was sind aus Sicht des Verbands derzeit die wichtigsten Themen?

In Sachen Interessenvertretung werden wir in Berlin und Brüssel stärker aktiv sein und der Politik sehr viel weniger abstrakt, sondern an konkreten Beispielen erklären, was Regulierung bedeutet. Das ist etwas, woran wir derzeit arbeiten. Eine Bankenbranche, die nur noch aus Privatbanken und Großbanken besteht, kann kein Leitmodell für Deutschland sein. Zum Glück haben wir einen Mittelstand im Bankgewerbe. Und es ist sicher nicht im Interesse der Kunden, wenn diese Banken keine Zukunft mehr haben.

Deshalb setzen wir uns im eigenen Interesse, aber auch in dem der Kunden, zum Beispiel für die "Small Banking Box" im Sinne einer differenzierten Regulierung ein. Aber es zählt für uns nicht nur die Größe, sondern auch die Risikogeneigtheit des Geschäftsmodells.

Die Struktur der deutschen Kreditwirtschaft ist auf europäischer Ebene sicher immer noch erklärungsbedürftig ...

Absolut. Das gilt auch für die EZB. Denn dieses Denken ist eine nationale Besonderheit, aber als größte Volkswirtschaft der EU darf Deutschland hier durchaus ein bisschen Selbstbewusstsein haben, um seine Bankenstruktur zu bewahren. Deshalb fordern wir einen Mittelstandsbeirat bei der EZB.

Das sind doch Themen, die auch der BVR bearbeitet. Wozu braucht die Gruppe der Sparda-Banken einen eigenen Verband? Und lohnt sich der für die durch Fusionen rein auf die Anzahl der Institute bezogen kleiner werdende Gruppe noch? Wo wäre da eine Grenze?

Der BVR ist für uns Partner, kann aber unsere eigene bundesweite Arbeit nicht ersetzen.

Einerseits ist die Durchschnittsgröße der Sparda-Banken eine andere als bei den Volks- und Raiffeisenbanken. Das gleiche gilt auch für den geschäftspolitischen Ansatz. Damit sind auch die Akzente in der Interessenvertretung anders gelagert.

Außerdem fungieren wir auch als Prüfungsverband und koordinieren beispielsweise im Rahmen der sogenannten "Drei-Wege-Strategie" eine Zukunftsstrategie für die digitale Zukunft der Banken.

Der eigene Verband ist deshalb von hoher strategischer Bedeutung. Auf die Anzahl der Mitgliedsinstitute kommt es dabei gar nicht so sehr an. Deshalb lässt sich eine Untergrenze, bis zu der sich ein Verband lohnt, hier auch nicht definieren.

Aber ein eigener Verband bringt ja auch Kosten mit sich, die mit jeder Fusion auf weniger Schultern verteilt werden ...

Das ist richtig. Letztlich müssen die Mitgliedsbanken entscheiden, ob sie einen eigenen Verband als wichtig einschätzen. Und das ist bisher jedenfalls der Fall - und nimmt nach meinem Gefühl auch eher zu als ab

In jüngster Zeit haben die Sparda-Banken den bisherigen Eindruck der Geschlossenheit ein wenig vermissen lassen. Das einstige Zugpferd, das bedingungslos kosten lose Girokonto, das noch bis vor kurzem als gesetzt galt, haben die Banken durch die ganz unterschiedlichen Ansätze zum Beispiel eingebüßt ...

Die Sparda-Banken arbeiten sehr geschlossen und konstruktiv zusammen. Das erlebe ich in Gremien oder bei den Banken vor Ort. Trotzdem werden auch Ideen für die Zukunft kontrovers diskutiert.

Es ist richtig - auch in der Sparda-Gruppe gibt es mittlerweile vereinzelt Kontoführungsgebühren. Die Konditionen muss jede Bank selbst festlegen, das kann nicht durch Mehrheitsentscheid im Verband geschehen. Dabei spielen die Rahmenbedingungen, die es nicht einfach machen, noch Geld zu verdienen, eine große Rolle.

Mit dem "Auseinanderdriften" in Sachen Girokonto hat die Gruppe auch ihr bislang wichtigstes Werbethema eingebüßt. Wie könnte eine künftige gemeinsame Werbung aussehen?

Bis zum Herbst wollen wir entscheiden, mit welchen Themen wir uns künftig positionieren wollen. Ein wichtiges Thema dabei kann dabei sicher die Baufinanzierung als Kerngeschäft der Sparda-Banken sein. Auch die Genossenschaftsidee lässt sich weiterentwickeln.

Im letzten Jahr haben die Sparda-Banken zum 25. Mal den Spitzenplatz beim Kundenmonitor Deutschland erreicht. Schaffen sie das auch diesmal, wenn nicht mehr alle Banken ein bedingungslos kostenloses Girokonto anbieten?

Die Kunden zeigen durchaus Verständnis dafür, dass es für die Banken schwieriger geworden ist, Geld zu verdienen und dass deshalb manche Leistungen mehr kosten müssen als früher. Wichtig ist dabei vor allem, weiterhin fair zu bleiben. Der alte Claim "freundlich und fair" ist vielen Kunden ja noch gut in Erinnerung.

Die Mitarbeiter in den Banken tun ihr Bestes, um die Kunden auch weiterhin zufriedenzustellen. Dass wir so lange den Spitzenplatz gehalten haben, zeigt doch, dass die Sparda-Banken vieles richtig gemacht haben. Das kostenlose Girokonto war dabei sicher ein Faktor, aber längst nicht alles. Insofern bin ich zuversichtlich, dass die Kundenzufriedenheit weiterhin auf hohem Niveau bleibt. Das wird ja auch immer wieder durch Kundenumfragen bestätigt.

Steht der neue Claim für die Gruppe schon fest?

Nein. Auch der wird erst noch erarbeitet.

Wie hoch ist denn derzeit die Markenbekanntheit der Sparda-Banken?

Hier haben wir sicher derzeit einen Gap. Das ist normal, wenn man keine überregionale Werbung macht. Auch deshalb soll es bald wieder eine gemeinsame Werbung geben.

In den Satzungen der Banken ist mittlerweile ein bundesweiter Antritt in den digitalen Kanälen vorgesehen. Heizt das nicht den Konditionenwettbewerb noch mehr an, wenn die Sparda-Banken, zum Beispiel auf Plattformen, untereinander zu Wettbewerbern werden?

Die Öffnung der Satzungen war für mich konsequent. Das hängt zum einen mit den Lebenswirklichkeiten der Menschen zusammen, die zum Beispiel ihre Bank am Arbeitsort und nicht am Wohnort haben.

Es hat aber auch etwas mit der Technik auf Plattformen zu tun, die das Regionalprinzip nicht immer ohne weiteres abbilden können. Wenn dann Angebote angezeigt werden, die der Kunde gar nicht abschließen kann, weil er nicht im Geschäftsgebiet der Bank wohnt, hinterlässt das einen negativen Eindruck, der auf das Image der ganzen Gruppe zurückschlägt.

Ich erlebe auch nicht, dass sich die Institute auf Plattformen einen Preiskampf bieten würden. Der Geschlossenheit der Gruppe hat die Satzungsöffnung nicht geschadet.

Stichwort Technik: War es ein Fehler, bei der Sparda Datenverarbeitung nicht stärker auf Mandantenfähigkeit zu setzen?

Es war damals sicher eine strategi sche Entscheidung, sich ganz auf die Anforderungen der Gruppe zu konzentrieren.

Warum ist es offenbar so schwer, sich auf eine gemeinsame Strategie in Sachen IT-Dienstleister zu einigen, dass die Sparda-Banken Berlin, Südwest und Hannover sich nun für einen Alleingang in Form des Wechsels zur Fiducia entschieden haben?

Unsere Banken sind rechtlich selbständig und setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Die einen legen den Fokus auf die Kosten, andere betonen eher strategische Aspekte.

Mit der Kooperation des IT-Dienstleisters SDV-IT mit T-Systems ist ein entscheidender Schritt in Sachen IT-Infrastruktur getan. Und der wird von allen Banken mitgetragen, auch von denen, die sich jetzt für einen Wechsel zur Fiducia entschieden haben. Welche Entscheidung die anderen neun Banken bezüglich des Dienstleisters treffen werden, ist völlig offen.

Welche Zukunft hat die Sparda Datenverarbeitung mit künftig nur noch acht angeschlossenen Banken?

Die Kostenfrage ist für die Banken wichtig. Deshalb der Vertrag mit T-Systems über das Outsourcing der Rechenzentren. Und deswegen prüfen wir verschiedene Optionen auch bezüglich des künftigen IT-Dienstleisters. Denn es geht auch um die Zukunftsfähigkeit des gesamten Systems In Zukunft wird es beispielsweise immer wichtiger, neue Angebote über Schnittstellen, die APIs, an das Kernbankensystem andocken zu können.

Die SDV hat eine lange Tradition in der Gruppe und ist sicherlich mitverantwortlich für das gute Standing der Gruppe im Markt.

Wo sehen Sie die Sparda-Banken in fünf oder zehn Jahren?

Sollte das Bankensterben in Deutschland so vonstattengehen, wie es Oliver Wyman prognostiziert, dann gehe ich davon aus, dass die Sparda-Banken zu den 150 Kreditinstituten gehören werden, die weiter bestehen werden. Darauf arbeiten wir hin.

Dass Deutschland angeblich "overbanked" sei, kann ich hingegen nicht mehr hören und ich teile diese Einschätzung auch nicht. Zum Schluss entscheiden die Kunden, welche Struktur sie wollen.

Werden die Sparda-Banken in zehn Jahren noch Filialen haben?

Natürlich verändert die Digitalisierung das Bankgeschäft. Auch die Sparda-Banken müssen sich anpassen. Als "Direktbanken mit Filialen" sind sie jedoch für diese Veränderungsprozesse gut aufgestellt.

Das heißt nicht, dass das Filialnetz nicht da und dort überarbeitet wird. Es werden aber auch neue Standorte eröffnet! Deshalb beantworte ich die Frage ganz klar mit Ja. Wenn es um wichtige Finanzentscheidungen geht, dann wissen die Menschen das persönliche Gespräch vor Ort immer noch zu schätzen - auch im Vergleich zur Videoberatung, auch wenn die an Bedeutung gewinnen wird. Im Vergleich zur übrigen Genossenschaftsorganisation sind die Sparda-Banken in Sachen Filialnetz in einem wesentlichen Punkt im Vorteil: Unsere Standorte liegen größtenteils schon immer an stark frequentierten Standorten. Der immer mehr zunehmende Trend zur Urbanität kommt uns deshalb entgegen.

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