Alles auf Anfang?

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin
Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Nicht von ungefähr sind in den letzten Wochen eine Reihe von Studien zur Geldvermögensbildung und dem Sparverhalten der Deutschen veröffentlicht worden - hat doch der Krieg in der Ukraine mit all seinen Folgen die Parameter, die das Sparverhalten prägen, gründlich durcheinandergewirbelt. Ob, wie viel und wie gespart wird, wird aktuell vielfach neu bewertet. Auch die Banken müssen sich entsprechend neu orientieren. Dass die hohe Sparquote der Corona-Zeit wieder am Sinken ist, stellt im Grunde lediglich eine Normalisierung dar. Zum einen hatte sie ihre Ursache zu einem großen Teil schlicht in einem Mangel an Gelegenheiten, Geld auszugeben - für Reisen, Unternehmungen oder das Ausgehen mit Freunden. All das hat sich wieder normalisiert, ein Rückgang der Sparquote ist die logische Konsequenz. Verstärkend hinzu kommt die aktuell hohe Inflation: Wer mehr Geld für das tägliche Leben braucht, der hat weniger zum Sparen.

Die Frage, wie gespart wird, ist derzeit von Unsicherheit geprägt. Kaum hatten die klassischen Sparer gelernt, es sei ratsam, sich von Sparbuch und Tagesgeldkonten zu verabschieden, da sorgte der Krieg für Turbulenzen an den Märkten und der Blick auf die Wertentwicklung seiner Fondssparpläne wird so manchen Neuling im Wertpapiersparen erschreckt haben. Das dürfte der erwartete Lackmustest für die "neue Wertpapierkultur" in Deutschland sein, über die in den vergangenen Jahren so viel gesprochen wurde. Haben die Sparer verinnerlicht, dass es ratsam ist, schwierige Zeiten nach Möglichkeit auszusitzen, anstatt Verluste zu realisieren? Werden sie am Wertpapiersparen festhalten beziehungsweise sich von der Sinnhaftigkeit des Einstiegs überzeugen lassen, sofern sie den bislang noch nicht gefunden haben? Oder setzen sie all ihre Hoffnungen auf die von der EZB angekündigte Zinswende, auch wenn es sicher noch lange dauern wird, bis sich das klassische Sparen wieder lohnt oder es zumindest nicht zu inflationsbedingt drastischem Wertverlust kommt? Immerhin waren einer Whitebox-Analyse zufolge im ersten Quartal dieses Jahres Bargeld und Einlagen plötzlich wieder die Rendite-Gewinner beim Geldvermögen der privaten Haushalte - und sei es auch nur, weil hier das Minus nominal und real am geringsten ausfiel (siehe Daten und Fakten).

Die ING hat sich mit ihrer Ankündigung, ab dem 1. Juli auf Verwahrentgelte für den Großteil der Privatkunden zu verzichten und auch die Neueröffnung von Tagesgeldkonten wieder zu ermöglichen, frühzeitig für einen solchen Sinneswandel positioniert und damit einen Pflock eingeschlagen. Einige weitere Institute sind diesem Schritt bereits gefolgt. Das zeigt, dass sich die Branche wieder für den Wettbewerb um die Einlagen zu rüsten beginnt, die sie zuletzt beinahe zu fürchten gelernt hatte.

Die Beratung macht das alles nicht einfacher. War es in Zeiten, in denen die Märkte eigentlich nur die Richtung nach oben kannten, noch vergleichsweise leicht, die Menschen vom Wertpapiersparen zu überzeugen, so könnte es nun wieder deutlich schwieriger werden. Gleiches gilt auch für die Altersvorsorge, wo die Lebensversicherer die Abkehr von den klassischen Langzeitgarantien 100 Prozent plus x weitgehend abgeschlossen haben und sich einer hohen Kundennachfrage nach den Produkten der neuen Klassik sicher waren. Jetzt zeigen Umfragen jedoch zunehmend, dass in unsicheren Zeiten umfassende Garantien wieder hoch im Kurst stehen. Wie sich das auf die Abschlussbereitschaft der Kunden in der privaten Altersvorsorge und auf die noch gar nicht recht in Schwung gekommene Dynamik der Sozialpartnermodelle in der bAV auswirken wird, wird die nächste Zeit zeigen. Ungewiss ist auch, welche Konsequenzen die Politik mit Blick auf die von der Branche erhofften Neuregelungen bei Riester ziehen wird. Gut möglich, dass diese Unwägbarkeiten in Verbindung mit den Hoffnungen auf die Zinswende den Absatz der staatlich geförderten Produkte wieder ansteigen lassen werden. Nicht zuletzt müssen sich Banken aber auch auf den Wunsch nach einer Anlage in Edelmetallen oder möglicherweise auch in Stable Coins vorbereiten und Angebotsportfolio und Beratung entsprechend ausrichten. Alles auf Anfang gedreht wird deshalb sicher nicht, wenngleich es auf den ersten Blick so aussehen mag. Der Wettbewerb schläft schließlich nicht.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X