Alles in Bewegung

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

In den letzten Jahren ist in der Finanzbranche kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Mit Blick auf das im Schrumpfen, aber auch im Umbau begriffene Filialnetz ist das in gewissem Sinne sogar wörtlich zu nehmen. Doch auch in allen anderen Bereichen ist der Anpassungsdruck hoch - angefangen vom Geschäftsmodell, das in einem Dauer-Niedrigzinsumfeld in der alten Form kaum noch trägt, über die Digitalisierung, die neuen Wettbewerb und neue Kundenanforderungen mit sich bringt, bis hin zu den sich ständig wandelnden Anforderungen der Regulatoren. Panta Rhei, alles fließt - dieser Grundsatz des Vorsokratikers Heraklit ist geradezu zum Leitsatz der Branche geworden.

An Führungskräfte und Mitarbeiter der Banken stellt dieser Wandel enorme Anforderungen. Jahrzehntelang geübte Prozesse müssen umgestellt werden, vieles, was man gelernt hat, scheint plötzlich nichts mehr wert zu sein. Erfahrene Banker fühlen sich bei digitalen Themen wie Anfänger - und das alles betrifft Management wie Mitarbeiter gleichermaßen. Denn auch die Führungskräfte müssen umlernen. Die Mitarbeiterführung in agilen Strukturen funktioniert ganz anders als bisher - vom Führen auf Distanz im Homeoffice ganz abgesehen. Und in einer (nicht branchenspezifischen) repräsentativen Umfrage des Bitkom im April und Mai dieses Jahres gab fast jeder zweite befragte Manager an, sich manchmal überfordert zu fühlen, weil häufiger über digitale Themen gesprochen wird, von denen er selbst nicht so viel versteht. Insgeheim wird so mancher die Digitalisierung in den letzten Jahren vielleicht bisweilen verwünscht haben. Das dürfte sich unter dem Eindruck der Corona-Pandemie deutlich verändert haben. Nolens volens haben der Bitkom-Umfrage zufolge acht von zehn Führungskräften durch Corona neue Technologien ausprobiert (82 Prozent) und dabei nach eigener Aussage viel über Digitalisierung gelernt (80 Prozent). Ebenso viele (82 Prozent) räumen ein, dass sie dadurch persönliche Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung abgebaut haben. Stattdessen hat die Erfahrung mit aus der Not geborenen neuen Prozessen wie dem Arbeiten von zuhause aus gezeigt, dass manches gut funktioniert, was man so nie für möglich gehalten hätte. Jetzt hat es sich ausgezahlt, dass die Branche zuvor so stark in die Digitalisierung investiert hat - vom Laptop für die Mehrzahl der Beschäftigten über Weiterbildung bis hin zur Videoberatung und durchgängig digitalen Prozessen.

Dieser Aha-Effekt dürfte der Branche und ihren Beschäftigten emotional gut getan haben, zeigte sich doch, dass die Mühe nicht umsonst war und dass die etablierten Anbieter allen Unkenrufen zum Trotz in der Lage sind, mit den Fintechs mitzuhalten. Das heißt nicht, dass man sich nun entspannt zurücklehnen könnte. Natürlich bleibt der Anpassungsdruck weiterhin hoch. Doch in dem Bewusstsein, damit wirklich etwas erreichen zu können, dürfte die Motivation gestiegen sein, sich auf diesen Transformationsprozess einzulassen und ihm vielleicht sogar Positives abzugewinnen. Dass die Erfahrungen mit der Pandemie bei den Mitarbeitern auch neue Begehrlichkeiten wecken, was flexibles Arbeiten angeht, nehmen Banken und Versicherer dabei gern in Kauf. Denn nachdem der Beweis erbracht ist, dass das hybride Arbeiten - mal im Büro, mal von daheim aus - gut funktioniert, ist die Hemmschwelle vergleichsweise gering, solche Modelle für die Zukunft fortzuschreiben. Schließlich haben auch Führungskräfte gelernt, dass sie nicht die Kontrolle verlieren, nur, weil die Mitarbeiter nicht nebenan sitzen. So wird man es als positiven Aspekt der Corona-Krise mitnehmen dürfen, dass manche bestehenden Strukturen schneller aufgebrochen wurden, als es ohne die Pandemie wohl der Fall gewesen wäre.

Ausgerechnet im Sommer des Corona-Jahres 2020 ist auch eine neue Ausbildungsordnung für Bank- und Sparkassenkaufleute in Kraft getreten. Das war natürlich ein zufälliges Zusammentreffen. Dennoch hat Covid-19 mit all seinen Folgen für das Arbeitsleben noch einmal verdeutlicht, wie dringlich es war, die Ausbildung an die aktuellen Gegebenheiten unserer Zeit anzupassen. Die so Ausgebildeten sind Digital Natives, die schon von der Schulzeit her an Teamarbeit und ein hohes Maß an Selbstorganisation gewöhnt sind. Bei nachfolgenden Ausbildungsjahrgängen, die mehr als ein Jahr Corona bedingtes Homeschooling durchlaufen haben, wird Letzteres noch ausgeprägter sein. Es wäre schade, diese Fähigkeiten nicht in den Kreditinstituten zu nutzen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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