Angekommen im 21. Jahrhundert

Swantje Benkelberg

So alt ist der Begriff der "bancassurance", dass er ursprünglich Französisch ausgesprochen wurde. Dass er zuerst in den achtziger Jahren in Frankreich geprägt wurde, dürfte vielen Bankern in Deutschland heute gar nicht mehr bewusst sein. Dem allgemeinen Trend folgend, wird er heute oft englisch ausgesprochen - ein Zeichen dafür, dass das Konzept im 21. Jahrhundert angekommen ist. Und mehr noch: Es scheint sogar eine Renaissance zu erleben. Dabei kommen zwei Entwicklungen zusammen. Zum einen haben Banken und Sparkassen im Niedrigzinsumfeld auf der Suche nach Provisionserträgen den Versicherungsvertrieb und seine Potenziale neu entdeckt. Gleichzeitig steigert der Trend zum "One-Stop-Shopping" auch bei Finanzdienstleistungen die Bereitschaft der Kunden, verschiedene Finanzprodukte aus einer Hand von ihrer Bank zu beziehen, also dort auch Versicherungen abzuschließen.

Die klassische Ausschließlichkeitspartnerschaft ohne und mit Ventillösungen lediglich an den Stellen, an denen das Produktangebot des einen Versicherungspartners nicht ausreicht, wird dabei immer noch vielfach praktiziert. In einem digitalen Umfeld, in dem es der Kunde gewohnt ist, quasi auf Knopfdruck eine Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten präsentiert zu bekommen, wird dieses Modell den Kundenerwartungen jedoch immer weniger gerecht. Eine gewisse "Filterfunktion" der Bank wird zwar durchaus geschätzt. Sobald der Kunde jedoch den Eindruck gewinnt, der Vertrieb von Produkten einer bestimmten Marke habe Vorrang vor seinen eigenen Interessen, ist er verstimmt. Die anhaltende öffentliche Diskussion um Interessenkonflikte beim provisionsbasierten Beratungsmodell trägt ihren Teil dazu bei.

Die Anpassung der Bankassurance an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts bringt deshalb eine Weiterentwicklung der Partnerschaftsmodelle mit sich. Mit der Positionierung als Mehrfachagenten oder gar Maklern vollziehen die Banken im Versicherungsgeschäft im Grunde jedoch lediglich eine Entwicklung nach, die im Fondsgeschäft schon längst stattgefunden hat. Selbst beim Multibanking sind viele Banken heute schon weiter als in der Bankassurance.

Daran, dass sich die Kreditwirtschaft mit der Weiterentwicklung bestehender Modelle immer noch schwertut, sind die seit langem bewährten Strukturen nicht unschuldig. Das gilt vor allem dort, wo gesellschaftsrechtliche Verflechtungen zwischen der Bank- und der Versicherungsseite bestehen. Hier ist die Loyalität zum "eigenen" Versicherer naturgemäß hoch. Der Vertrieb von Drittprodukten hat geradezu den Anschein eines "Fremdgehens". Skurrilerweise ist dies jedoch eine Sichtweise, die eher auf der kreditwirtschaftlichen Seite verbreitet ist als in den jeweiligen Versicherungsunternehmen, die seit jeher über eine breite Palette an Vertriebswegen verfügen. Nicht von ungefähr war die Entwicklung des digitalen Versicherungsmaklers "Wilhelm" eine Initiative nicht der Banken, sondern der R+V, die ihren genossenschaftlichen Partnerbanken damit ein Instrument an die Hand geben wollte, mit dem sie auch jene Kunden bedienen können, die ein Ausschließlichkeitsmodell nicht überzeugen kann.

Die quasi monogame Fixierung auf den einen Versicherungspartner in den Banken hat freilich gerade in den beiden Verbünden auch Erwartungen an die Versicherer geweckt, die die Digitalisierung des Versicherungsvertriebs jahrelang gebremst hat. So wie Banken und Sparkassen ihren Verbundversicherern die Treue hielten, so erwarteten sie allzu lange, dass diese im Gegenzug auf den Online-Vertrieb verzichteten, um ihren Bankpartnern keine Konkurrenz zu machen. Erst in den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit einem solchen Denken zu viele Potenziale liegengelassen werden und dass ein erfolgreiches Online-Geschäft nicht nur beiden Seiten nützt, sondern zudem unabdingbar wird.

Die Assekuranz ist vergleichsweise spät auf den Digitalisierungskurs eingeschwenkt. Inzwischen hat sie jedoch kräftig Fahrt aufgenommen. Das gilt nicht nur für Online-Beratungstools und -Abschlussstrecken, sondern auch für Produkte, die ganz auf die Plattformökonomie ausgerichtet sind und sich dort ebenso gut integrieren lassen wie das Ratenkauf-Angebot von Payment-Dienstleistern (und neuerdings auch Banken). Damit tragen sie ihren Teil dazu bei, die Bankassurance endgültig im 21. Jahrhundert zu verankern.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
Noch keine Bewertungen vorhanden


X