Ausweichreaktionen

Swantje Benkelberg

sb - Mangelnde Finanzbildung gilt als einer der Hauptgründe für die schwach ausgeprägte Wertpapierkultur in Deutschland. Ob die geringe Wertpapieraffinität der Deutschen tatsächlich nur am unzureichenden Finanzwissen liegt und beispielsweise der durchschnittliche US-Bürger tatsächlich so viel besser Bescheid weiß, sei einmal dahingestellt. Auch Produktkategorien wie die klassische Lebensversicherung mit ihren Langzeitgarantien, die es in andere Märkten so kaum je gegeben hat, haben daran vermutlich ihren Anteil. Zudem wurde die ausgeprägte Risikoaversität durch historische Erfahrungen gleichsam vererbt. Tatsache ist aber, dass sich das Sparverhalten auf diese Weise nur sehr langsam ändern lässt. Auch mehr Finanzwissen aufseiten der Sparer würde das nicht über Nacht verändern. Hilfreich wäre es aber allemal.

Umso ernüchternder sind die Erkenntnisse zum Thema, die eine GfK-Umfrage des Bankenverbands zutage gefördert hat. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger gibt demnach zwar an, sich in Sachen Finanzen gut oder eher gut auszukennen. Sachfragen, um diese Selbsteinschätzung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, kamen indessen genau zum gegenteiligen Ergebnis. In allen Altersgruppen blieb der Anteil jener Personen, deren tatsächlich ermittelte Finanzkompetenz als gut oder eher gut bewertet wird, spürbar hinter der 50-Prozent-Marke zurück. Und schlimmer noch: Im Vergleich der Ergebnisse für 2017 und 2013 zeigt sich eine deutliche Verschlechterung der Finanzkompetenz. Bei 37 Prozent der Befragten ist sie als "schlecht" zu bewerten (siehe Daten und Fakten). Wieso das so ist, darüber lässt sich vermutlich streiten. Waren die von verschiedener Seite zahlreich ergriffenen Initiativen zur Verbesserung der Finanzbildung unzureichend? Könnte es ein verpflichtendes Schulfach Finanzen richten - und wie sollte es aussehen? Das Problem sitzt jedenfalls tief. Im Grunde ist es ein Teufelskreis: Weil der Durchschnittsdeutsche so wenig von Finanzen versteht, befasst er sich damit ungefähr so gerne, wie er zum Zahnarzt geht - und ist deshalb auch nur wenig daran interessiert, sich zum Thema weiterzubilden. Basiswissen ist deshalb umso wichtiger. Dies zumindest könnte ein Schulfach Finanzen leisten, selbst in einer Zeit, in der vieles, was man in der Schule lernt, schon wenig später nicht mehr aktuell ist und die Komplexität deutlich zugenommen hat. Solches Basiswissen könnte dann auch helfen, sogenanntes "Fachwissen" besser einzuordnen, das zum Beispiel in den sozialen Medien ausgetauscht wird.

Stand heute legen die Befunde der genannten Studie nahe: Mehr Beratung tut not. Doch auch damit steht es bekanntlich nicht gut. Die Qualität der Beratung ist in Verruf geraten. Die Kunden sind verunsichert. Durch die Digitalisierung nehmen sie Beratungsangebote ohnehin längst nicht in dem Umfang wahr, wie es für viele von ihnen angeraten wäre. Und neue regulative Vorgaben erleichtern es auch der Anbieterseite nicht, ein flächendeckendes, individuelles Beratungsangebot für alle aufrechtzuerhalten. Tendenziell dürfte die Beratungsdichte eher ab- als zunehmen. Dass immer mehr Banken sich mit einem Angebot der digitalen Vermögensverwaltung positionieren, kommt somit nicht von ungefähr. Robo Advisor sind aber nicht die "Eier legende Wollmilchsau", die Beratung und Finanzbildung gleichermaßen ersetzen und gleichzeitig das Bedürfnis der Menschen erfüllen kann, an den Chancen der Kapitalmärkte zu partizipieren, ohne sich damit auszukennen oder auch nur zu befassen. Sondern sie scheinen eher als Notlösung, um dem Dilemma in den Bereichen Finanzbildung und Beratung zu begegnen. Lösen können sie weder das eine noch das andere Problem. Sondern entsprechende Angebote sowie ihre Nutzung seitens der Kunden sind eher eine Art Ausweichreaktion. Die Bewährungsprobe der "Anlageroboter" steht ohnehin noch aus. Erfüllen sie dann die Erwartungen, ist ihr Durchbruch wohl kaum noch aufzuhalten. Erfüllen sie sie nicht, dann könnte die Wertpapierkultur in Deutschland noch mehr leiden. Gestärkt wird sie durch die Robo Advisor ohnehin nicht. Denn eine echte Wertpapierkultur setzt wenigstens ein Mindestmaß an Wissen voraus.

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