Die Bank, der Kunde, die Aktie

Miriam Veith, Redakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Das Wertpapiergeschäft ist in Zeiten des anhaltenden Niedrigzinsumfelds und stetig abnehmender Zinserträge zu einer wichtigen Einnahmequelle für die deutschen Kreditinstitute geworden. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal beflügelt, da viele Menschen in Anbetracht des dramatischen Einbruchs der Aktienmärkte im Frühjahr 2020 einen geeigneten Einstiegszeitpunkt erkannt haben, um sich mit dem Thema Wertpapiere und Börse auseinanderzusetzen: Laut Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) sparten im Jahr 2020 rund 2,7 Millionen Menschen mehr in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierten ETFs als noch 2019. Entsprechend wurden die Finanzinstitute mit einer Flut von Depot-Neueröffnungen überrascht und konnten ebenso Rekordzahlen bei den Transaktionen vermelden.

Obwohl diese Dynamik langsam wieder abflachen dürfte, wird deutlich, dass sich eine neue Aktienkultur in Deutschland etabliert hat, die die Chance hat, langfristig zu bestehen. Schließlich zeigen erste Beobachtungen, dass neue Kunden meist in langfristig angelegte Produkte investieren und das "Zocken" eher meiden. Das wiederum kommt den Finanzinstituten zugute, denn diese können den allgemeinen Ertragsdruck ein Stück weit durch die Provisionserlöse aus dem Wertpapiergeschäft kompensieren. Allerdings müssen vor allem Sparkassen, Genossenschaftsbanken sowie Privatbanken, die sich nach wie vor stark auf den stationären Vertrieb konzentrieren, auf der Hut sein, damit das mühsam aufgebaute zweite Standbein nicht wieder in sich zusammenfällt.

Denn das Wertpapiergeschäft in Deutschland befindet sich im Umbruch, was wiederum bedeutet, dass der Druck auf etablierte Banken - und besonders deren Geschäftsmodelle - durch neue Player wie Fintechs oder Neobroker, die durch Usability, Einfachheit und günstige Konditionen vor allem bei der jüngeren Generation Gefallen finden, enorm zugenommen hat. Die "goldenen Zeiten" der neunziger Jahre, wo sich praktisch Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken das Privatkundengeschäft untereinander aufgeteilt haben, sind schlichtweg vorbei. Daher ist ein echtes Umdenken notwendig. Viele Institute haben diesen gedanklichen Schalter allerdings bereits umgelegt und gehen aktiver auf ihre Kunden zu. Hierfür wurden unter anderem gezielt Anreize für Neueinsteiger gesetzt, neue Produkte entwickelt oder bestehende Angebote ausgeweitet, und besonders daran gearbeitet, Handelshemmnisse abzubauen. All das hilft allerdings nicht nur den Kunden, die auf der Suche nach einer echten Alternative gegenüber mager verzinsten Sparprodukten sind. Sondern auch Banken und Sparkassen profitieren. Denn je mehr Kunden bereit sind, ihr Geld in Kapitalanlagen umzuschichten, desto beherrschbarer werden die enormen - und für die Institute mitunter teuren - Einlagenzuflüsse, die im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal zugelegt haben.

Mit den hohen regulatorischen Anforderungen im Nacken ist es allerdings gar nicht so einfach für die Institute, Angebote zu stellen, die den hohen Kundenerwartungen gerecht werden können. Schließlich wollen diese moderne Anlageprodukte, einfach bedienbare Plattformen, smarte Services sowie vollständig digitalisierte Produktabschlussmöglichkeiten zu jeder Zeit an jedem Ort. Und da die regulatorischen Zügel bei Wettbewerbern wie Neobrokern deutlich lockerer sitzen, sind diese in der Lage, in Sachen Kundenorientierung schneller neue Maßstäbe zu setzen. Die Banken laufen an diesen Stellen dem Markt also immer etwas hinterher.

Da allerdings nach wie vor der Großteil der Deutschen auf etablierte Banken vertraut, haben die Häuser noch etwas Zeit, um von ihren Wettbewerbern zu lernen. Es gilt aber wohl überlegt zu entscheiden, was von der Konkurrenz adaptierbar ist und was nicht. Beispielsweise ist die Usability, die Neobroker so beliebt macht, durchaus ein Punkt, der sich lohnen könnte, wenn man ihn in die eigenen Systeme implementieren kann. Anders sieht es beispielsweise beim Thema "Gamification" aus. Dass Neobroker ein kleines Feuerwerk auf dem Display ihrer Anleger nach einem Trade entzünden, stufen viele Banken zu Recht als sehr kritisch ein. Dieses Verhaltensmuster sollten sie also besser nicht übernehmen. Trotzdem müssen sich die Institute auch in solchen Punkten ihren Wettbewerbern stellen und daran arbeiten, im Wertpapiergeschäft die Oberhand zu behalten!

Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
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