Chancen in der Krise

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Fritz Knapp Verlag GmbH

Mehr als ein Jahr und mehrere Lockdowns dauert die Corona-Pandemie nun schon an. Noch ist es ruhig an der privaten Überschuldungsfront. Noch rollt auch bei den Unternehmen keine Insolvenzwelle. Entsprechend sind die Folgen der Corona-Krise noch nicht in den Bankbilanzen angekommen - außer in Form von teils erheblich erhöhten Vorsorgepositionen. Aber mit jeder Woche, die die staatlich verordneten Einschränkungen andauern, wächst die Gefahr, dass Unternehmen in Schieflage geraten und auch bei den Privatinsolvenzen die Trendwende hin zu einem Anstieg der Fallzahlen einsetzt. Das bringt Banken und Sparkassen in eine knifflige Lage. Einerseits wird von ihnen zu Recht erwartet, dass sie für die Kreditversorgung der Unternehmen sorgen, um die Wirtschaft am Laufen oder am Leben zu erhalten, so gut es geht. Andererseits müssen sie den Umständen Rechnung tragen und Kreditentscheidungen mit der gebotenen Sorgfalt treffen. Das ist unpopulär. Und prompt mehren sich wieder die Berichte über eine ansteigende Kredithürde. "Kreditklemme" lautet das Schlagwort, das der Branche gern um die Ohren geschlagen wird.

Mehr denn je ist jetzt das Risikomanagement gefordert. Denn die bewährten Modelle taugen nur noch sehr bedingt, wenn der Gesetzgeber von heute auf morgen Unternehmen auf unbestimmte Zeit schließt und damit selbst florierende Betriebe in ernste Schwierigkeiten bringt. Gleiches gilt für die vielen staatlichen Hilfen, die derzeit Betriebe stabilisieren, nach dem Auslaufen aber zu Dominoeffekten führen können. Setzt die Normalisierung im Alltag und Berufsleben wieder ein, werden viele Unternehmen nicht einfach so wieder durchstarten können. Sei es, dass sie während des Krisenjahrs ihre Mitarbeiter verloren haben und diese nicht sofort wieder ersetzen können. Sei es, dass ihre Kunden sich inzwischen anderweitig orientiert haben. Sei es, dass ihnen durch die Verluste während des Lockdowns schlicht das Geld für eigentlich geplante Investitionen und die Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells fehlt. Risikomanagement in Corona-Zeiten ist damit ein bisschen wie das Stochern im Nebel. Umso mehr machen sich langjährige Kundenbeziehungen bezahlt, bei denen man sich kennt und der Berater einschätzen kann, welche Chancen dieser Betrieb nach der Pandemie haben kann.

Insofern liegen gerade jetzt in der Krise auch Chancen. Die größte davon ist sicher die Stärkung der Hausbankbeziehung, die in letzter Zeit auch im Firmenkundengeschäft verstärkt von Fintechs und Plattformen angegriffen wurde. Jetzt haben Banken und Sparkassen die Chance zu beweisen, dass die schnelle und unbürokratische Kreditvergabe mit geringen Anforderungen und zum niedrigsten Preis nicht das non plus ultra sein muss, sondern dass eine gute Beratung und verlässliche Begleitung in schwierigen Zeiten einen hohen Wert haben und auch etablierte Banken unbürokratisch sein können, wenn es darauf ankommt. Digital können sie ohnehin längst - das haben sie während der Pandemie quer durch die Republik mit Bravour unter Beweis gestellt. Mit anderen Worten: Sehr vieles von dem, was Fintechs und Plattformen können, kann die klassische Hausbank inzwischen auch - aber eben noch einiges mehr. Das wird manchem Kunden durch die Corona-Krise noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt. Mit dieser Erfahrung werden die Banken auch nach der Pandemie noch eine ganze Weile punkten können. Das wird den Preiswettbewerb nicht dauerhaft ausschalten. Der eine oder andere Unternehmer oder auch Privatkunde wird aber zweifellos honorieren, wenn seine Hausbank ihm durch die Krise geholfen hat.

Doch auch mit Blick auf den Regulator haben Banken jetzt die Chance, sich zu beweisen. Denn natürlich werden nationale und europäische Gesetzgeber sehr genau beobachten, wie die Branche mit den ihr eingeräumten Erleichterungen umgeht und wie sie unter diesen Bedingungen durch die Krise kommt und aus ihr hervorgeht. Davon wird es nicht unwesentlich abhängen, ob nach der Pandemie der Regulierungseifer der letzten Jahre noch einmal Fahrt aufnimmt oder ob sich Gesetzgeber und Aufsicht damit begnügen, die eingeräumten Erleichterungen Stück für Stück zurückzunehmen, sobald die Lage dies erlaubt. Umgekehrt gilt das natürlich auch für die neuen Wettbewerber der Banken. Auch für sie dürfte die Corona-Krise zum Prüfstein werden - und zum Maßstab für künftige Regulierung und Beaufsichtigung.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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