Digitale Nähe ist nicht alles

Swantje Benkelberg

sb - Mit dem Filialsterben im Bankgewerbe ist es wie mit dem Verschwinden von Fachgeschäften in der Ortsmitte: Ist es erst einmal so weit, dann wird es lauthals beklagt. Doch zuvor haben die Menschen mit ihrem Nutzungsverhalten selbst dazu beigetragen, dass es so weit kam. Wenn Verbraucher preisgünstig auf der "Grünen Wiese" oder im Internet einkaufen, dann verschwinden die Geschäfte im Ort. Und wenn Bankgeschäfte zunehmend online abgewickelt und Beratungsangebote nur sehr eingeschränkt wahrgenommen werden, dann schließen die Bankfilialen. Das starke Preisbewusstsein vieler Privatkunden beschleunigt die Entwicklung noch. Wenn es nur noch das Gratiskonto sein darf, die Kreditkarte vom Bonusprogramm kommt und der Ratenkredit auf einem Vergleichsportal ebenfalls günstiger abgeschlossen wird als bei der Hausbank, dann darf man sich nicht wundern, wenn dieser das Geld fehlt, in jedem Dorf eine Filiale aufrechtzuerhalten.

Diesen Zusammenhang machen sich viele Menschen natürlich nicht klar. Vielmehr wird - insbesondere dann, wenn eine Sparkasse ihr Geschäftsstellennetz strafft - vom öffentlichen Auftrag gesprochen und an die Verantwortung der Institute für die Region appelliert. Dass Sparkassen und Volksbanken diese ohnehin sehr ernst nehmen und sich diese Ortsbanken oftmals lange nach Gastwirt, Metzger, Bäcker und Lebensmittelgeschäft zurückziehen, wird dabei entweder geflissentlich übersehen. Oder die Schließung der Bank- oder Sparkassenfiliale wird gerade deshalb so laut beklagt, weil sie das letzte i-Tüpfelchen im Schwund der lokalen Infrastruktur darstellt. Von Bürgermeistern, die bei jeder Filialschließung anfragen, ob es denn ausgerechnet ihre Gemeinde treffen muss, wissen viele Ortsbanken ein Lied zu singen.

Dass dieses Spiel sich mit schöner Regelmäßigkeit quer durch die Republik wiederholt, ist ein Indiz dafür, dass "Ortsbanken" auch im digitalen Zeitalter noch immer mit räumlicher Nähe verbunden werden. " Digitale Nähe" ist eben nicht alles. Am deutlichsten spürbar wird der Rückzug aus der Fläche für viele Kunden, wenn es um die Bargeldversorgung geht. Hier reichen die angebotenen Alternativangebote zu Filiale oder Geldautomat vor Ort von mobilen Filialen, die ein- oder zweimal pro Woche in den Ort kommen, über Kooperationen mit Wettbewerbern bei der Nutzung der verbliebenen Geldautomaten bis hin zum Bargeldservice nach Hause. Außerdem bemühen sich Banken und Sparkassen, die Möglichkeiten zur Bargeldversorgung im Einzelhandel zum Beispiel per Cashback oder über Barzahlen.de auszuweiten. Der sich abzeichnende Trend bei Cashback über die Girocard den Mindesteinkaufsbetrag zu senken (dm und der Discounter Netto haben ihn auf 10 Euro halbiert), kommt dem sicher entgegen. Trotzdem werden die Lücken spürbarer.

Es geht aber längst nicht nur um die Bargeldversorgung, wenngleich sie vor allem für ältere, nicht mobile Kunden häufig das Hauptproblem darstellt. Sondern es geht auch um Marktanteile. Bei Kindern etwa könnte der Marktanteil sinken, wenn das Taschengeld nicht mehr ohne Fahrdienst der Eltern eingezahlt oder abgehoben werden kann. Und selbst Digital Natives, für die die Geschäftsstelle am ehesten entbehrlich scheint, werden sich irgendwann die Frage stellen, ob sie nicht gleich eine (meist kostengünstigere) Direktbank wählen sollen, wenn auch die Filialbank nur digital erlebbar wird und die nächste Filiale nur mit dem Auto erreichbar ist. Genau hier liegt die Crux für die Ortsbanken: Eine Kostenstruktur wie die filiallosen Wettbewerber können sie selbst mit den besten digitalen Angeboten kaum erreichen. Gleichzeitig sorgt die Digitalisierung dafür, dass Direktbanken immer stärker zum direkten Vergleichsmaßstab werden. Der Spagat zwischen digital und persönlich ist somit schwierig. Das wissen auch Lokalpolitiker, die einerseits die Infrastruktur vor Ort erhalten wollen, als Mitglieder von Sparkassen-Verwaltungsräten aber auch die wirtschaftlichen Zwänge im Blick behalten. Landrätin Stephanie Ladwig aus dem Kreis Plön fordert auch sie zum Mitgestalten auf. Die "Markttreffs" in Schleswig-Holstein oder Video-Beratungsplätze im Gemeindehaus nennt sie als Beispiele.

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