Digitalisieren. Aber richtig!

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

"Bleiben Sie der Fläche gewogen!" Dieser Appell, den Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Sparkassentag 2019 an die Sparkassen richtete und der natürlich in gleicher Weise auch für die Genossenschaftsbanken Geltung hat, ist eine Selbstverständlichkeit, die sich schon aus der Dezentralität dieser beiden kreditwirtschaftlichen Säulen ergibt. In gewisser Weise hat die Kanzlerin damit also die sprichwörtlichen Eulen nach Athen getragen. Wer, wenn nicht regionale Banken, sollte der Fläche gewogen sein? Mit der Gewogenheit allein ist es aber leider nicht getan. Auch das hat die Kanzlerin angedeutet: Sparkassen (und andere Kreditinstitute) müssen digitalisieren, um im veränderten Wettbewerbsumfeld mithalten zu können. Sie sollen darüber aber nicht zu viele Filialen schließen, damit sich die Menschen in der Fläche nicht abgehängt fühlen. Das ist schon lange eine Forderung der Politik. Viele Sparkassen können ein Lied davon singen, wie regelmäßig Landräte und Bürgermeister intervenieren, wenn Filialen geschlossen werden sollen. Volksbanken geht es in dieser Hinsicht nur insofern besser, als die Politiker bei ihnen nicht automatisch in den Aufsichtsräten sitzen. Der öffentliche Aufschrei bei Filialschließungen ist aber der gleiche. Es allen recht zu machen, gleicht somit der Quadratur des Kreises.

Das zeigen auch die Ergebnisse der Bitkom-Studie "digital Finance - wie die Digitalisierung die Finanzbranche verändert", die der Digitalverband am 21. Mai vorgestellt hat. Demnach hat das Verständnis rund um das Banking seit 2016 deutlich zugenommen. Doch noch immer sagen 53 Prozent der insgesamt 1005 Befragten, dass sie die Finanzwelt immer weniger verstehen. Und 42 Prozent verstehen viele digitale Angebote rund um Banking und Bezahlen nicht. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass ihnen die persönliche Beratung am Schalter bei ihrer Bank wichtig ist. Das sind jedoch sechs Prozent weniger als 2018 - und das Beratungsangebot liegt damit erstmals gleichauf mit digitalen Angeboten wie Online-Banking, Banking-App oder Online-Beratung. 58 Prozent legen Wert auf viele Bankfilialen, die schnell zu erreichen sind. Gleichzeitig nutzt fast jeder Dritte ausschließlich Online-Banking, weitere 54 Prozent besuchen lediglich hin und wieder eine Bankfiliale. Und mehr als jeder Vierte hat sein hauptsächlich genutztes Konto entweder schon bei einer reinen Online-Bank (14 Prozent) oder hat das innerhalb der kommenden 12 Monate fest vor (13 Prozent). Nur noch 27 Prozent der Befragten können sich auf keinen Fall eine Kundenbeziehung zu einer reinen Online-Bank vorstellen.

Die Argumente dafür, "der Fläche gewogen zu bleiben" und das Filialnetz nicht so stark zu straffen, werden somit weniger - und sie scheinen rapide zu schwinden. Rückgänge von fünf oder sechs Prozentpunkten bei der Bedeutung von Filialen und Beratung sowie der Vorstellbarkeit einer reinen Online-Bankbeziehung lassen erahnen, wie bald Filialbanken nicht mehr für die Mehrheit von Relevanz sein werden. Der Ansatz, "Nähe" immer weniger räumlich zu definieren, ist somit mindestens sehr nachvollziehbar. Bleibt die regionale Verantwortung für das eigene Geschäftsgebiet. Ein Beitrag, die Infrastruktur im ländlichen Raum nicht noch mehr erodieren zu lassen, gehört dazu ebenso wie die Versorgung von Senioren mit Finanzdienstleistungen. Doch selbst hier zeigt sich: Online-Banking wird auch bei Älteren immer beliebter. Selbst unter den 50- bis 64-Jährigen nutzen mittlerweile 83 Prozent das Online-Banking, nur unter der Rentnergeneration ab 65 sinkt die Quote der Nutzer auf 21 Prozent. Die Frage, wie viele Filialen man auf längere Sicht noch braucht, ist angesichts solcher Zahlen verständlich. Studien zeigen zwar, dass auch Berufsstarter überdurchschnittlich stark auf Beratung setzen. Bei den jungen Leuten darf die aber auch eher online stattfinden. Das scheinbar unausweichliche Voranschreiten der Digitalisierung schwächt die Kundenloyalität zur eigenen Bank, die Wechselbarrieren sinken. Umso wichtiger ist es, Wege zu finden, die Kundenbindung auch in der digitalen Welt zu festigen. Beim Blick auf das Versicherungsgeschäft zeigt die Bitkom-Umfrage, wie das gelingen könnte. Immerhin 49 Prozent der Befragten können sich heute schon auf jeden Fall oder eher vorstellen, ihre Versicherungsangelegenheiten über das Online-Banking zu erledigen - ganz so, wie es die R+V aktuell anstrebt. Auch solche Integration hin zu einem Finanzökosystem werden Bankwechsel in Zukunft zwar nicht verhindern. Sie können aber neue digitale Bindungen aufbauen - und sei es nicht aus echter Loyalität, sondern aus Bequemlichkeit.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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