Gefahr im Anmarsch

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Die Alterssicherung und der Klimawandel haben einiges gemeinsam: Beides sind Themen, die sich nicht einfach aussitzen lassen und bei denen die Probleme umso größer werden, je länger Entscheidungen aufgeschoben werden. Bei beiden Themenfeldern sind die Probleme seit langem bekannt. Deshalb drängt nun die Zeit. Dass die Politik sich trotz der sattsam bekannten Herausforderungen beider Themenfelder bislang nur unzureichend angenommen hat, liegt nicht zuletzt daran, dass es beim Klimaschutz wie auch der Alterssicherung um weit mehr als nur geringfügige Anpassungen des Bisherigen gehen muss - unpopuläre Entscheidungen inbegriffen. Um die haben sich nun schon etliche Regierungen mehr oder weniger herumgedrückt. Die neue wird das nicht mehr können.

In der Altersvorsorge heißt das: Die gesetzliche Rentenversicherung muss auf eine verlässliche Grundlage gestellt werden. Dafür reicht es nicht, mit "Haltelinien" und einer Perspektive bis 2025 um sich zu werfen. Sondern es braucht endlich Konzepte auf Dauer, die zwar ein Mindestniveau bei der gesetzlichen Rente garantieren - aber zugleich realistische Perspektiven bieten, wie dieses zu finanzieren ist, ohne die Beitragssätze ins Unermessliche steigen zu lassen. Gedankenspiele, einfach den Kreis der Beitragszahler auszuweiten, reichen dafür gewiss nicht aus - weil dadurch ja auch der der Anspruchsberechtigten ausgedehnt wird. Ohne einen echten Paradigmenwechsel von der reinen Umlagenfinanzierung zu einem Modell mit mindestens einem Teil Kapitaldeckung wird es nicht gehen. Das erkannt und kommuniziert zu haben, ist schon einmal ein Verdienst der voraussichtlichen neuen Koalitionäre. Allerdings wird der Teufel hier im Detail der konkreten Ausgestaltung stecken. Ob es zu den erhofften schnellen Weichenstellungen kommt, ist deshalb fraglich.

Mehr Kapitalmarktorientierung braucht es auch in der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Auch hier gilt der Paradigmenwechsel: weg von Langfristgarantien hin zu mehr Renditechancen (aber auch Risiko). In der bAV hat das im Betriebsrentenstärkungsgesetz verankerte Sozialpartnermodell den Weg dafür frei gemacht. Daran, dass es rund drei Jahre gedauert hat, bis ein erstes Modell dieser Art den Weg in einen Tarifvertrag gefunden hat, lässt sich ablesen, wie lange es dauert, die Vorsorgesysteme umzusteuern. In der privaten Altersvorsorge haben deshalb die Anbieter das Heft selbst in die Hand genommen. Produkte mit klassischen Langzeitgarantien sind nahezu gänzlich vom Markt verschwunden. Das gleiche Schicksal droht auch "Riester", wenn der Gesetzgeber das Produkt nicht nachbessert - mit einer Lockerung des Beitragserhaltsgebots einerseits und einer Dynamisierung der Förderung andererseits. Erste Anbieter haben bereits angekündigt, sich vom Riester-Vertrieb zu verabschieden.

Die Bürger, denen von allen Seiten gepredigt wird, wie wichtig zusätzliche Vorsorge ist, wollen vor allem Sicherheit. Um verlässlich abschätzen zu können, womit sie im Alter rechnen können, wünschen sie sich nach wie vor Garantien - und gleichzeitig eine Rendite oberhalb der von Spareinlagen. Im aktuellen Zinsumfeld ist das so realistisch wie die "Eier legende Wollmilchsau". Das Versprechen einer höheren Rendite durch weniger Garantien erscheint vielen wie die sprichwörtliche Taube auf dem Dach: hochgradig ungewiss. Auch die von der Politik versprochene Übersicht über die gesamte Altersvorsorge über alle drei Säulen hinweg kann daran nichts ändern. Dass der Bestand an Riester-Verträgen trotz ihrer geringen Rentierlichkeit seit dem Jahr 2018 zwar sinkt, der Rückgang in vier Jahren aber nur 1,95 Prozent beträgt, ist ein Indiz dafür. Den Paradigmenwechsel weg von der Beitragsgarantie plus x wird dieses Widerstreben vieler Bürger nicht aufhalten können. Die Politik sollte sich jedoch überlegen, wie man den Menschen das Vorsorgesparen dennoch wieder schmackhafter machen kann. Ein Abbau der Zulagenbürokratie allein wird nicht ausreichen. Sondern der Staat muss auch finanzielle Anreize setzen, seien sie steuerlicher Art und/oder in Form einer Dynamisierung der Zulagen. Dass ein Zulagenniveau, das 2001 attraktiv sein mochte, dies 20 Jahre später in einem Umfeld anziehender Inflation nicht mehr ist, ist eine Binsenweisheit. Ohne dass der Staat Geld in die Hand nimmt, wird der Weg zu einer besseren Alterssicherung nicht gelingen. Nichts zu tun und immer mehr Menschen in die Grundsicherung zu treiben, wäre langfristig jedoch noch teurer.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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