Was ist "gleich"?

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Gleiche Spielregeln und Wettbewerbsbedingungen für alle - in diesem Grundsatz sind sich Regulatoren, Aufsicht und Marktteilnehmer einig. Was genau das jedoch heißt und wie das stets beschworene "Level Playing Field" für Banken, Fintechs und Bigtechs geschaffen werden kann, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. Die grundsätzliche Frage ist die, ob die "Tanker" der etablierten Anbieter im Nachteil sind, die mit ihren gewachsenen, komplexen Strukturen von den "Schnellbooten" der agilen, von alten Strukturen unbelasteten Fintechs überholt werden, oder ob es gerade umgekehrt die Neuen sind, die zwar agil digital agieren, jedoch den Vorsprung der Etablierten in Sachen Kundenreichweite nur schwer aufholen können. Beides ist sicher ein Stück weit richtig.

Klar ist: Die bestehende Regulatorik stammt zum großen Teil aus der "alten Welt" vor der Digitalisierung und dem damit veränderten Wettbewerb und wird erst Stück für Stück daran angepasst. Teilweise wurden diese Anpassungen von dem Gedanken getragen, neuen Marktteilnehmern das Leben zu erleichtern, um Innovationen im Markt für Finanzdienstleistungen zu fördern. Diesen Gedanken atmet zum Beispiel die PSD2, die anfangs von Banken und Sparkassen auch genau so verstanden wurde: als Fintech-Förderung zulasten der Banken. Dass die von der PSD2 verlangten Schnittstellen auch den etablierten Marktteilnehmern das Angebot ganz neuer, innovativer digitaler Dienstleistungen ermöglichen und ihnen dabei neue Chancen bieten, die eigene Marktposition zu sichern, haben beide Seiten erst allmählich erkannt. Aus dem Gegeneinander wurde in vielen Fällen ein Miteinander. Und so ist es sicher kein Zufall, dass ein großer Teil der Fintech-Neugründungen inzwischen im B2B-Bereich angesiedelt ist.

Gewisse Ungleichheiten lassen sich gleichwohl kaum vermeiden. Es ist nun einmal so, dass Universalbanken, die sich mit einem breiten Angebot an breite Zielgruppen richten, sich mit sehr viel mehr regulatorischen Vorgaben auseinandersetzen müssen als neue Wettbewerber, die sich mit einem stark spezialisierten Geschäftsmodell an spitz zugeschnittenen Zielgruppen orientieren. Dieser regulatorische Baukasten schlägt sich dann in Kostenstrukturen nieder, die zudem von ungleich größeren, gewachsenen Strukturen geprägt sind, die sich wiederum nur langsam an die digitale Welt anpassen lassen. Dass Compliance belastend sein kann, gilt allerdings nicht ausschließlich für die etablierten Marktteilnehmer. Das zeigt das Beispiel von N26. Digitale Geschäftsmodelle mögen zwar von der technischen Seite her nahezu beliebig skalierbar sein. Die entsprechenden Strukturen zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben lassen sich indessen nicht so einfach ausbauen - allein schon deshalb, weil sich die erforderlichen Fachkräfte nicht aus dem Boden stampfen lassen. Im Extremfall kann damit die Compliance für Neobanken zum Flaschenhals für weiteres Wachstum werden. Von manchen regulatorischen Anforderungen sehen sich digitale Newcomer überdies in besonderem Maße belastet - eben weil diese mit der Digitalisierung nicht Schritt gehalten haben. Stichwort ist hier zum Beispiel die digitale Identität, die für digitale Geschäftsmodelle natürlich einen noch höheren Stellenwert hat als für Filialbanken, die zumindest einen Teil ihres Geschäfts vor Ort generieren.

Die eigentliche Frage, wenn es um den Wettbewerb zwischen alt und neu und gleiche Bedingungen für alle geht, konzentriert sich inzwischen jedoch längst nicht mehr auf Banken versus Fintechs. Vielmehr richtet sich der Blick auf die Bigtechs, die inzwischen auch der Regulator verstärkt ins Visier genommen hat. Am Beispiel Apple Pay hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass Europa auch die Internet- und Technologiegiganten im Blick hat und auf deren Geschäftsmodelle reagiert. Das wiederum bedeutet: Das "Level Playing Field" zu erreichen, ist mehr denn je eine europäische Aufgabe. Zu Recht weist Lea Maria Siering in diesem Heft darauf hin, dass eine europäische Regulierung, die in der nationalen Umsetzung noch zu viele länderspezifische Eigenheiten ermöglicht, die Bildung starker europäischer Player hemmt, die es mit den Bigtechs aus den USA und demnächst wohl auch aus China oder Indien aufnehmen können. Wenn Europa es ernst damit meint, Sicherheit, Verbraucherschutz und Datenschutz hoch halten und eigene Standards durchsetzen zu wollen, dann wird es ohne eine wirklich einheitliche europäische Regulierung und Aufsichtspraxis nicht gehen. Ansonsten werden die Bigtechs immer ein bisschen "gleicher" bleiben als alle anderen. Mehr Europa könnte allerdings auch wieder zulasten der deutschen Institute gehen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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