Gute Erziehung

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Die Preisgestaltung in Banken ist eine diffizile Angelegenheit. Profitabel oder doch wenigstens auskömmlich soll sie sein, dabei die Preisbereitschaft der Kunden nicht überfordern und dem Wettbewerbsvergleich standhalten. Sie darf auch den Kunden nicht "unangemessen benachteiligen", wie es gern von der Justiz heißt. Das bedeutet, wo der Gesetzgeber den Banken zusätzliche Lasten auferlegt, dürfen diese die damit verbundenen Kosten in aller Regel nicht an die Kunden weiterreichen. Das Geld muss also an anderer Stelle erwirtschaftet werden. Das mag nicht im Sinne der immer wieder geforderten Transparenz sein. So lautet jedoch der Ductus der Rechtsprechung. Dass die Konditionen der Banken und Sparkassen stets "angemessen" sein müssen, versteht sich von selbst. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass es längst nicht immer klar ist, was als angemessen zu bewerten ist. Hier klaffen das Verständnis auf Kunden- beziehungsweise Verbraucherschutzseite und der Anbieter naturgemäß häufig auseinander.

Bei der Konditionengestaltung sitzt die Branche somit gewissermaßen zwischen allen Stühlen. Die BaFin mahnt die Kreditwirtschaft seit langem zu einer Steigerung ihrer Profitabilität - auch in Gestalt von Preisanhebungen. Sobald die Institute eben das versuchen, hagelt es indessen von anderer Seite Kritik. Werden Kreditkonditionen für Unternehmen aus Risikoerwägungen angehoben, lautet der Vorwurf, die Banken sorgten für eine Kreditklemme und schwächten damit die wirtschaftliche Entwicklung. Dispozinsen beim Girokonto werden als "Abzocke" kritisiert - und bei Konsumentenkrediten und Baufinanzierungen sind der Wettbewerbsdruck und die Markttransparenz durch Vergleichsplattformen ohnehin so hoch, dass die Durchsetzung höherer Zinsen fast aussichtslos scheint.

Als die beiden wesentlichen Stellschrauben der letzten Jahre im Bereich der Konditionensetzung hat die Branche deshalb Kontoführungsgebühren und die Weitergabe der Negativzinsen an die Kunden ausgemacht. Das Gratiskonto, an das die Branche ihre Kunden bis zur Finanzkrise gewöhnt hatte, wird inzwischen mehr und mehr zur Ausnahme. Längst sind es nicht mehr nur Filialbanken, die hier an der Preisschraube drehen und dafür Kritik einstecken müssen. Sondern sogar bei Fintechs hat es den entsprechenden Sündenfall gegeben. N26 setzt mehr und mehr auf kostenpflichtige "Premium-Konten" und auch Numbrs arbeitet jetzt mit einem "Abonnement"-Modell - das letztlich auch nur ein schönerer Name für eine Kontoführungsgebühr ist.

Die Preisbereitschaft der Kunden, so sagt es Stefan Schindler in diesem Heft, ist im Zuge dieser Entwicklung zwar nicht unbedingt gestiegen. Weil aber die Auswahl an Gratiskonten sinkt und zugleich die Wahrscheinlichkeit wächst, dass diejenigen Anbieter, die bisher noch daran festhalten werden, ebenfalls in naher Zukunft ein Kontoführungsentgelt einführen, steigt nolens volens die Akzeptanz. Mehrwertkontomodelle, bei denen die Bankdienstleistungen mit Zusatzdiensten verknüpft werden, sind zwar im Grunde in vielen Fällen nur ein Deckmäntelchen, um Preisanhebungen durch ein Mehr an Leistungen zu kaschieren. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich das durchaus lohnen kann - und sei es nur, weil durch die unterschiedlichen Pakete der Preisvergleich mit dem Wettbewerber erschwert wird.

Ganz ähnlich verhält es sich mit den Negativzinsen für Privatkunden, die zumindest bei hohen Einlagen längst kein Tabu mehr sind. Als die ersten Anbieter begannen, solche "Verwahrentgelte" einzuführen, regte das zu einer neuen Art des "Zinshoppings" an - nicht mehr mit dem Ziel, möglichst hohe Zinsen auf das eigene Guthaben zu erhalten, sondern jetzt in dem Bestreben, für die Entgegennahme der Gelder nichts bezahlen zu müssen. Auch dieses neue Zinshopping dürfte allerdings mehr und mehr zum Auslaufmodell werden - nicht, weil die Akzeptanz der Kunden für die Negativzinsen wächst, sondern weil die Kunden es müde werden und das Ausweichen immer schwieriger wird. Selbst die DKB erhebt inzwischen für nach dem 3. Dezember 2020 eröffnete Konten ab einer Einlagenhöhe von 100 000 Euro ein Verwahrentgelt. Insgesamt scheint es der Branche damit zu gelingen, ihre Kunden wieder zu einer gewissen Preisakzeptanz zu erziehen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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