Katharsis für die Finanzbranche

Swantje Benkelberg, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Nachdem der erste Schock über die Corona-Krise und den Lockdown überwunden ist, hat der Vergleich mit früheren Krisen begonnen. Für die Finanzbranche fördert dieser zumindest ein positives Resultat zutage. Anders als bei der Finanzkrise 2008/2009 und mindestens in Teilen auch beim Platzen der Dotcom-Blase nach der Jahrtausendwende, muss sich die Branche nicht den Schuh anziehen, an der Krise schuld zu sein. Im Gegenteil: Anstatt als Sündenbock an den Pranger gestellt zu werden, kann sie sich dieses Mal als Partner und Helfer der Realwirtschaft präsentieren und wird dabei vom Regulator unterstützt. Insofern ist die Corona-Krise keine Finanzkrise im Sinn einer Krise der Geschäftsmodelle, wie es Robert Urtheil von Alix Partners formuliert. Diese Aussage stimmt allerdings nur teilweise, da die Pandemie geradezu als "Booster" für die Digitalisierung wirkt. Das wiederum hat zur Folge, dass Filialbanken ihre Geschäftsbeziehungsweise Vertriebsmodelle noch stärker auf den Prüfstand stellen müssen als bisher. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass nach der Pandemie wieder alles sein wird wie zuvor.

Der Vergleich mit früheren Krisen zeigt auch: Die regulatorischen Maßnahmen des letzten Jahrzehnts haben Früchte getragen. Unter anderem besser mit Kapitalpuffern ausgestattet, ist Finanzbranche vergleichsweise gut vorbereitet in die Krise gegangen. Und weil sie - da systemrelevant - vom Lockdown nur insofern direkt betroffen war, als ein Großteil der Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt werden musste, ist sie bisher auch vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen - ohne Nachfrageeinbruch oder Unterbrechungen von Lieferketten.

Das heißt indessen nicht, dass aus Sicht der Finanzbranche alles gut wäre oder man sich gar als Krisengewinner fühlen dürfte. Denn das sprichwörtliche "dicke Ende" steht vermutlich noch aus. Wie genau das aussehen wird - in welchem Umfang zum Beispiel Banken mit Kreditausfällen oder Versicherer mit Schäden aus der Betriebsschließungs-, Betriebsunterbrechungs-, Eventausfall- oder Reiseversicherung zu rechnen haben werden -, und inwieweit diese Krisenfolgen für die Unternehmen handhabbar sind oder zu Marktbereinigungen führen werden, das wird sich erst noch zeigen müssen. Schon jetzt dürfte allerdings klar sein, dass die Branche ihre Kosten weiterhin und vermutlich sogar noch stärker als bisher genau im Blick halten muss. Denn die in den letzten Jahren aufgebauten Kapitalpuffer werden nicht ewig vorhalten und werden über kurz oder lang wieder aufgebaut werden müssen. Zudem sind die regulatorischen Erleichterungen zeitlich befristet, was zum Beispiel den Kreditbanken im Bankenfachverband mit Blick auf die Zeit danach jetzt schon Sorgen bereitet, wie es Jens Loa im Interview in diesem Heft sagt.

Schwierig wird es allerdings nicht nur für die etablierten Anbieter, sondern auch für ihre neuen Wettbewerber, die Fintechs und Insurtechs. Denn viele Start-ups stehen während der Pandemie vor einem Finanzierungsproblem. So haben Bankenverband und Bitkom darauf verwiesen, dass viele von ihnen aus dem Raster der KfW-Corona-Hilfen fallen, etwa weil sie zwischen 2017 und 2019 keine Gewinne erzielt haben oder mit mehreren, häufig nicht bei der KfW registrierten Investoren die Voraussetzungen für die Start-up-Hilfen nicht kurzfristig erfüllen. Viele Marktbeobachter rechnen deshalb mit einer Marktbereinigung. Davon wiederum könnten neben den verbleibenden Start-ups auch Banken und Versicherer profitieren.

Natürlich wird der Wettbewerb durch das Verschwinden des einen oder anderen neuen Players nicht auf die Vor-Fintech-Zeit zurückgedreht - allein schon des-halb, weil auch "nach Corona" wieder neue digitale Angebote an den Markt gehen werden und teilweise jetzt schon starten. Banken und Versicherern bieten sich jedoch möglicherweise jetzt vermehrt Chancen, sich vergleichsweise günstig bei vielversprechenden Kooperationspartnern einzukaufen oder sie gar zu übernehmen. Damit allerdings könnte sich auch unter den etablierten Anbietern die Schere zwischen denen, die in Sachen Digitalisierung weit vorangekommen sind und solche Chancen ergreifen, und jenen, die noch ein deutlich weiteres Stück Weg zurückzulegen haben, noch deutlich weiter öffnen. So oder so hat Covid-19 damit das Zeug dazu, in der Finanzbranche zu einer Art Katharsis zu sorgen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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