Kreativität ist gefragt

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Knapp Verlag GmbH

Es ist schon fast ein Déjà vu: Beim Aufkommen der Direktbanken waren sie es, die die Filialbanken unter Druck setzten, ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und auf Digitalisierung zu setzen. Dann kamen die Fintechs, die ihrerseits den Direktbanken vormachten, dass es in Sachen Digitalisierung und vor allem Nutzerkomfort noch besser geht. Und nun, wo sich beide Seiten - klassische Banken mit oder ohne Filialen auf der einen und Fintechs auf der anderen Seite - auf ein verträgliches Mit- oder doch Nebeneinander auf der Basis von Kooperationen eingerichtet haben, kommen die Bigtechs und andere neue Wettbewerber und wirbeln das Wettbewerbsfeld noch einmal ganz neu durcheinander.

Diesmal ist die Herausforderung allerdings umso größer. Ging es seit dem Aufkommen der Direktbanken und ihrem Boom im Gefolge der Verbreitung des Internets vor allem um die Digitalisierung an der Kundenschnittstelle und dann in einem zweiten Schritt auch der Prozesse im Hintergrund, reicht das alles jetzt nicht mehr aus. Noch sind die Potenziale der Digitalisierung nicht ausgeschöpft, da geht es um das Geschäftsmodell "Bank" an sich. Zugegeben: Daran, dass das klassische Geschäftsmodell, das vor allem auf Zinserträgen aus der Fristentransformation beruht, nicht mehr trägt, sind weder Fintechs noch Bigtechs schuld. Das Vordringen immer neuer Wettbewerber in angestammte Geschäftsfelder der Banken macht es für Kreditinstitute jedoch umso dringender, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Überspitzt könnte man sagen: Die Kreditwirtschaft kämpft einen Zweifrontenkrieg - Ertragserosion auf der einen Seite, massiver Angriff auf die Kundenschnittstelle auf der anderen Seite.

Ein Patentrezept, wie sich dieses Dilemma lösen lässt, wird es nicht geben. Es muss jedoch darum gehen, den Kunden so zufriedenzustellen und ihm so viele Leistungen zu bieten, dass er nicht nur bereit ist, seiner Bank die Treue zu halten, sondern ihr - in Form von Entgelten oder durch Abschlüsse, die der Bank Provisionen einbringen - zu neuen Erträgen zu verhelfen. Hier müssen die Banken endlich von ihren neuen Wettbewerbern lernen und die Problematik vom anderen Ende her angehen. "Kundenzentrierung", die die Branche seit Jahren propagiert, heißt eben nicht nur, über welche Kanäle der Kunde Produkte abschließen oder Beratung in Anspruch nehmen will. Sondern sie bedingt auch, sich die Frage zu stellen, was der Kunde eigentlich will, und um diese Bedürfnisse herum Angebot und Zugangswege zu bauen. In Zeiten, in denen vor allem die Bigtechs, aber auch andere bereits bestehende Plattformen eine enorme "Saugkraft" entwickeln, können Mehrwertkontenmodelle mit Extras wie Schlüsselfundservice oder Dokumentenspeicher kaum mithalten. Wenn die Banken eine Chance haben wollen, selbst zur Plattform zu werden, die der Kunde auf der Suche nach Dienstleistungen zuerst ansteuert, dann müssen sie schon "größer" denken. "Annexprodukte" zu den eigenen Produkten sind gut und richtig. Zur echten Plattform wird aber nur, wer darüber hinaus denkt und auch solche Angebote integriert, die nichts mit Finanzierung oder Absicherung zu tun haben. Das eigene Firmenkundengeschäft eignet sich hier als Fundgrube zur Integration neuer Angebote für Privatkunden - und stärkt zugleich die Beziehung zu den Firmenkunden. Wo es zur Abrundung überregionale Angebote braucht, sind die Verbünde gefragt. Das Gleiche gilt auch für "Embedded Finance", also die Integration von Bankangeboten auf den Websites von Partnern.

Die Erwartungen an die Ertragswirkung neuer Angebote in der eigenen App sollte man nicht zu hoch hängen. Wenn Kunden über die Bank Handwerkerservices bestellen, einen Friseurtermin buchen oder Kinotickets kaufen können, lässt sich damit sicher nicht viel Geld verdienen. Für den Kunden ist es jedoch bequem - ein Aspekt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt und die Preissensitivität verringert. Auf dem Weg dahin lässt sich durchaus auch mit den eigenen Ressourcen punkten, wenn diese intelligent genutzt werden. Wie so etwas gehen kann, beschreibt die VR Bank Südpfalz in diesem Heft. Völlig neue Chancen eröffnet hingegen die Blockchain-Technologie. Auf ihrer Basis lassen sich ganz neue Angebote und Geschäftsfelder entwickeln, die noch nicht anderweitig besetzt sind. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache, der Kunde goutiert das Angebot.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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