Die Kunst des Möglichen

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Dem Chronisten ist es wieder einmal passiert: Die SMS-TAN für eine Online-Transaktion kam verspätet. Der Versuch, sie vielleicht doch noch rechtzeitig einzugeben, führte zur Sperrung des Online-Bankings, Freischaltung nur telefonisch möglich. Also flugs die Kontaktdaten der Bank aufgerufen - und siehe da: Erreichbarkeit Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr. Am Wochenende wird es also nichts mehr. Das ist gewiss kein Drama. Die Erinnerung an den letzten Kontakt mit dem Callcenter eines Online-Händlers (Servicezeiten täglich rund um die Uhr) noch frisch im Kopf, ist der Nutzer aber zumindest unangenehm überrascht.

Dieses Beispiel zeigt, wie sehr sich durch die Digitalisierung die Erwartungshaltung der Kunden gegenüber ihrer Bank verändert hat. Jedes Anliegen soll möglichst umgehend geklärt werden können. Für Angelegenheiten, die nicht automatisiert erledigt werden können, muss die Bank dafür direkt erreichbar sein. Banken stellt das vor ein Dilemma: Die persönliche Erreichbarkeit rund um die Uhr ist teuer und von daher nicht gut mit Bemühungen um mehr Kosteneffizienz zu verein baren. Zudem verträgt sie sich zumindest bei Filialbanken nicht mit den herkömmlichen Erwartungen der Servicekräfte an die Arbeitszeiten. Doch wer sich als "guter Arbeitgeber" an den üblichen Bürozeiten orientiert, der riskiert zugleich, in Sachen Service schlecht dazustehen.

Generell zeigt sich: Gerade im digitalen Zeitalter hat das Anrufaufkommen bei vielen Banken und Sparkassen nicht etwa ab-, sondern sogar zugenommen. Nicht umsonst stellt die "mobile Bank" N26 bei ihren mittlerweile drei kostenpflichtigen Girokonten einen telefonischen Service als Mehrwert heraus. Das Gefühl, mit "echten Menschen" kommunizieren zu können, ist also unverändert wichtig. Das heißt nicht, dass die Kundenkommunikation via Chat oder Messenger für Banken vernachlässigbar wäre. Wie so oft geht es um das Sowohl-als-auch und nicht um ein Entweder-oder. Ganz ähnlich verhält es sich auch im Marketing: Natürlich ist digital und Social Media im Kommen. Doch die Marktforschung zeigt eben auch, dass TV bisher nicht zu ersetzen ist und Print von den Adressaten nach wie vor die höchste Glaubwürdigkeit zugesprochen wird. Bei der direkten Kontaktaufnahme seitens der Bank wird der klassische Brief am ehesten akzeptiert, der Anruf am wenigsten. Und natürlich sprechen junge Kunden typischerweise auf ganz andere Kanäle an als ihre Eltern und Großeltern.

Die hohe Kunst liegt somit darin, je nach Bedarf die verschiedenen Kanäle zu bespielen und im Idealfall immer dort zu sein, wo auch der Kunde gerade ist. Im Marketing hat diese Vielfalt den Vorteil, dass sich Kampagnen auf spitze Zielgruppen zuschneiden lassen, wodurch Streuverluste vermieden und die Budgets effizienter eingesetzt werden können, als dies im "vordigitalen" Zeitalter der Fall war. Überall dort jedoch, wo sich der Kunde seinerseits an seine Bank wendet - sei es vor Ort in der Filiale, per Telefon, E-Mail, Chat oder vielleicht auch Messenger - hilft im Grunde nur die "Gießkanne", weil sich kaum vorhersagen lässt, wann welcher Kunde welchen Kanal zur Kontaktaufnahme wählt. Schließlich hängt dies nicht nur vom Kunden, sondern auch vom Anlass der Kontaktaufnahme ab. In dieser Richtung der Kommunikation gilt es deshalb, alle Kanäle abzudecken, und dabei ein möglichst hohes Servicelevel zu gewährleisten - und das alles natürlich im immer knapperen Kostenrahmen.

Für Entlastung sorgen kann hier Künstliche Intelligenz. Einzelne Vorreiter in der Bankenbranche machen vor, dass gute Systeme auch dann, wenn sich der Kunde telefonisch meldet, einen beträchtlichen (und wachsenden) Teil der Anliegen zu seiner Zufriedenheit ohne Einschaltung eines Mitarbeiters erledigen können, sodass die Mitarbeiter im Callcenter von solchen Standardfragen entlastet werden. Gleiches gilt auch für den Chat, wo der Kunde es im Idealfall nicht einmal merken muss, wenn seine Frage von einem Bot beantwortet wurde. Wer allerdings noch immer auf "Steinzeit-Sprachcomputer" setzt, die der Kunde anschreien muss, um verstanden zu werden, und die nur in den seltensten Fällen hilfreich sind, der tut besser daran, sie abzuschalten. Im Vergleich zu solchen Erlebnissen ist es immer noch besser, auf Servicezeiten am nächsten Tag zu verweisen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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