Dem Markt vertrauen

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Die Sorge wächst. "Nachhaltigkeit ist ein absolut essenzielles Thema. Doch man setzt am falschen Hebel an, wenn man die Finanzwirtschaft als Instrument zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Wirtschaft benutzen will. Denn Kreditinstitute haben die klare Aufgabe, die Realwirtschaft durch Liquidität, Finanzierungsmittel und Anlagemöglichkeiten zu unterstützen und nicht, sie durch Bürokratie und Restriktionen zu behindern." Das sagt Dr. Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, und dürfte vielen Kollegen damit aus der Seele sprechen. In ähnlicher Weise formulieren das auch Thomas Jorberg und Markus Müller in diesem Heft. Aus Äußerungen wie diesen spricht die Sorge, dass im Zuge der Diskussionen um mehr Klimaschutz eine neuerliche Regulierungswelle auf die Finanzbranche zurollen könnte, die nicht nur auf die Stabilität des Bankensystems zielt, sondern Banken indirekt zum Erfüllungsgehilfen der Politik macht.

Das Thema an sich hat die Finanzbranche längst im Blick, zumindest, was ihren eigenen ökologischen Fußabdruck angeht. Schon vor Jahren haben die Unternehmen begonnen, diesen zu verringern - durch Photovoltaikanlagen auf ihren Immobilien, durch Reduktion des Papierverbrauchs oder durch energieeffiziente Beleuchtung und Fassaden. Ein Stück weit konterkariert wird dies durch den Energie- und Ressourcenbedarf der Digitalisierung, die zum "Brandbeschleuniger für den Klimawandel" werden könnte, wie es Bundesumweltministerin Svenja Schulze formuliert hat. Hier muss die Finanzbranche ihre Rechenzentren stärker in den Blick nehmen.

Neuerdings scheint in der Branche nahezu ein Wettbewerb um das größte Maß an Nachhaltigkeit entbrannt zu sein. Bayern-LB und DKB schmücken sich mit guten Nachhaltigkeitsratings. Der Santander-Konzern hat angekündigt, ab 2020 klimaneutral zu werden. Die Gothaer Versicherung hat einen neuen Bereich Nachhaltigkeitsmanagement gegründet und die DEVK gewährt Kfz-Versicherten mit ÖPNV-Zeit karte einen Rabatt. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Dabei geht es nicht nur um Schlagzeilen, mit denen sich bei den Sympathiewerten punkten lässt. Sondern "Nachhaltigkeit" ist im operativen Geschäft angekommen. In der Geldanlage hat das Thema bereits eine hohe Dynamik erreicht. Bei institutionellen Investoren ist eine entsprechende Ausrichtung der Kapitalanlagen schon fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Im Privatkundengeschäft geht es langsamer voran. Grundsätzlich ist die Akzeptanz bei den Kunden hoch - solange das nicht mit höheren Konditionen oder geringerer Rendite verbunden ist. Das ist nicht anders als bei Bio- Lebensmitteln, für die auch längst nicht jeder einen Aufpreis zahlen möchte. Dennoch kann es nicht darum gehen, in der Kundenberatung etwa nur noch nachhaltige Fonds überhaupt zum Vertrieb zuzulassen.

Wenn die Branche sich präventiv gegen eine Nachhaltigkeitsregulierung verwahrt, dann tut sie das vor allem aus einem gewissen Misstrauen gegenüber dem Regulator. Zum einen befürchtet man erneut überbordende Bürokratie. Zum andern wird der Sinn bezweifelt, solange man sich in Europa beispielsweise nicht einmal einig ist, ob Atomenergie als nachhaltig gilt oder nicht. Hier braucht es deshalb nicht zu viele Detailregelungen. Sondern es gilt, ein wenig dem Markt zu vertrauen.

Im Kreditgeschäft dagegen scheint der Fokus auf Nachhaltigkeit noch verbesserungsbedürftig. Hier wird es darum gehen, solche Kreditrisiken verstärkt in den Blick zu nehmen, die auf dem Weg zu mehr Klimaschutz immer mehr an Relevanz gewinnen werden. Das liegt im gesunden Eigeninteresse der Banken, und hier muss die Aufsicht genau hinschauen. Beispielsweise müssen Banken oder Leasingunternehmen geringere Restwerte aufgrund drohender Fahrverbote der finanzierten Fahrzeuge in ihr Risikomanagement und die Kalkulation der Konditionen einbeziehen. Es sollte aber nicht dazu kommen, die Finanzierung politisch unerwünschter Technologien beispielsweise per Gesetz mit einer Art "Strafzinsaufschlag" zu belegen. Sondern wenn die Politik die Zahl spritschluckender SUVs auf den Straßen reduzieren will, dann sollte nicht die Finanzierung, sondern bereits der Kauf etwa durch CO2-Abgabe oder Kfz-Steuer unattraktiv gemacht werden.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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