Mehr als Mobile Banking

Swantje Benkelberg, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

"Mobilität" ist in diesen Zeiten aus zweierlei Gründen zum Reizwort geworden. Spätestens seit dem Diesel- Skandal der Automobilwirtschaft und dem Aufkommen der "Fridays for Future"-Bewegung richtet sich das Augenmerk auf die ökologischen Folgen der Mobilität. Mit Corona sind die negativen Auswirkungen einer allzu mobilen Gesellschaft auf das Infektionsgeschehen hinzugekommen. Ein großer Trend in Sachen Mobilität bleibt allerdings trotz Klimaschutz und Corona-Krise ungebrochen: der Trend zu mehr Digitalisierung und zur Verwendung mobiler Endgeräte für die Nutzung digitaler Angebote, auch im Bereich Finanzdienstleistungen. Selbst dann, wenn die Kunden aufgrund von Corona- Beschränkungen mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen, nutzen sie eher Smartphone und Tablet für die Erledigung ihrer Finanzangelegenheiten als den Desktop-PC, der zunehmend zum Auslaufmodell wird. Die Banking-App ist längst zum Hygienefaktor geworden, den eine wachsende Zahl von Kunden von ihrer Hausbank erwartet, weil immer mehr Menschen über gar keine anderen Geräte verfügen und die Alternative zum Mobile Banking dann lediglich das SB-Terminal in der Filiale wäre - aus Sicht von Digital Natives vermutlich eine Art Steinzeittechnologie.

Dass sich Fintechs noch immer als "Smartphone-Banken" positionieren, wird vor diesem Hintergrund mehr und mehr zum Marketingschlagwort. Denn die reinen Smartphone-Konten unterscheiden sich allenfalls in einzelnen Funktionen von dem, was Banken und Sparkassen in ihren Apps längst bieten. Der Hauptunterschied ist vielmehr ein anderer: Oftmals lassen sich diese Smartphone-Konten tatsächlich ausschließlich mit dem Smartphone nutzen. Was als Marketingargument daher kommt, stellt somit im Grunde eine Limitation dar: Denn wo es neben der App kein Online-Banking gibt, das über den Web-Browser auch am Desktop-PC genutzt werden kann, da können manche Zielgruppen nicht erreicht werden. Nicht umsonst gehen immer mehr Fintechs dazu über, neben der App auch eine Desktop-Variante ihres Angebots nachzureichen. Das ist ein Indiz dafür, dass die klassischen Banken an dieser Stelle nicht nur wettbewerbsfähig sind, sondern mit ihrem dualen Ansatz sogar die Nase vorn haben. Zugleich deutet dieser Trend darauf hin, dass sich die Sparkassen zu Recht von ihrem Smartphone-Konto-Projekt Yomo verabschiedet haben.

Wesentlich anspruchsvoller als die reine Technik für das Mobile Banking wird es jedoch sein, die Bedürfnisse einer mobilen Gesellschaft zu antizipieren, um das Banking mit immer neuen Funktionen anzureichern. Auf diesem Gebiet dürfte sich der eigentliche Wettlauf zwischen Banken und Fintechs abspielen. Startups, in denen die Digital Natives mehr oder weniger unter sich sind, haben vermutlich die Nase vorn, wenn es darum geht, neu entstehende Bedürfnisse zu identifizieren. Dafür haben Banken und Sparkassen die bessere Ausgangsbasis dafür, Partner zu gewinnen, um mit ihnen neue Services, beispielsweise im E-Ticketing im ÖPNV, zu etablieren.

Die Mobilität wandelt sich. Und damit stoßen auch Geschäftsmodelle in der Finanzbranche, die an der Mobilität ihrer Zielgruppen anknüpfen, ein Stück weit an ihre Grenzen beziehungsweise müssen sich anpassen, wie es die Reisebank oder die Deutsche Leasing in diesem Heft beschreiben. Wenn das Sortengeschäft zusammen mit dem internationalen Reiseverkehr einbricht, braucht es ein anderes Standbein. Und das Flottengeschäft eines Leasinganbieters muss sich natürlich auf Elektromobilität und die wachsende Nachfrage nach neuen Dienstleisters einstellen. Der Begriff "Mobilität" beinhaltet jedoch zudem noch einen ganz anderen Aspekt. Denn er lässt sich auch mit der zunehmenden Wechselfreudigkeit der Kunden gleichsetzen. Das kommt nicht von ungefähr: Wer es gewohnt ist, heute hier und morgen dort zu sein, der überträgt dieses Verhalten auch auf seine Beziehungen zu Unternehmen. Wer sich auf mobile Zielgruppen einrichtet, der muss deshalb zum einen flexible Angebote in sein Portfolio aufnehmen, die der "Hin- und Weg-Mentalität" gerecht werden - seien es nun situative Versicherungen oder auch flexible Ansätze für die Altersvorsorge. Zugleich gilt es jedoch daran zu arbeiten, sich seinen Kunden mit Servicekombinationen, die es in dieser Form nicht überall gibt, möglichst unentbehrlich zu machen und damit implizite Wechselbarrieren aufzubauen. Und damit zeigt der Trend einmal mehr in Richtung Plattformökonomie.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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