Neue Regulierung

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Drei wesentliche Stoßrichtungen hatte die Bankenregulierung der letzten Jahre - die Stabilisierung des Bankensystems, die Stärkung des Wettbewerbs und die Erhöhung des Verbraucherschutzes. Diese drei sind nach wie vor wichtig und beschäftigen Regulatoren, Aufseher und die Branche selbst weiterhin - mit Neuregelungen oder auch der Überprüfung dessen, was in den vergangenen Jahren beschlossen und umgesetzt wurde. National steht zum Beispiel die Evaluation des Lebensversicherungsreformgesetzes und die Einführung eines Provisionsdeckels beim Vertrieb von Lebensversicherungen auf der politischen Agenda. Auf EU-Ebene sollen Interchange-Regulierung und die Verbraucherkreditrichtlinie auf ihre Wirkung hin überprüft werden. Und bei der PSD2 wird noch an der Umsetzung gearbeitet - Stichtag ist der 19. September dieses Jahres.

Die Beiträge in diesem Heft spiegeln allerdings wider, dass diese "klassischen" Regulierungs- (und in der Folge auch Compliance-)themen schon in naher Zukunft um ganz neue Aspekte ergänzt werden könnten. Die vertriebsbezogenen beziehungsweise -relevanten Aspekte bleiben zwar unverändert im Fokus. Die PSD2 war jedoch nur ein erster Schritt in neue Regulierungsthemen, bei denen die Digitalisierung Pate steht. Wie lassen sich Blockchain-Anwendungen compliancekonform umsetzen? Was für Vorgaben braucht es beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, damit die Algorithmen sich nicht verselbstständigen, sondern jederzeit nachvollziehbar bleibt, wie welche Ergebnisse zustande kommen? Das sind Beispiele dafür, mit welchen Themenfeldern sich Regulatoren wie Anbieter gleichermaßen werden beschäftigen müssen. Dass auch im Bereich des technischen Fortschritts weitere Auflagen auf die Branche zukommen werden, ist auf den ersten Blick natürlich keine gute Nachricht - stöhnen die Finanzdienstleister doch schon heute unter der Last des Aufwands, der mit der Umsetzung der bestehenden Regeln verbunden ist. Andererseits liegt es auf der Hand, dass es auf Dauer nicht ausreichen kann, auf dem Status quo zu verharren und die technische Weiterentwicklung völlig außer Acht zu lassen - allein schon deswegen, weil damit jeglichen Praktiken neuer Wettbewerber Tür und Tor geöffnet wäre.

Banken mögen sich beim Thema Big Data oder Künstlicher Intelligenz vielleicht mit Skrupeln plagen, ob sich das denn alles so mit dem für sie geradezu überlebenswichtigen Kundenvertrauen verträgt, weil schon der geringste Zweifel daran enorme Risiken für das Image in sich birgt - Wettbewerber aus dem Technologieumfeld tun das sehr viel weniger. Wenn es also das Ziel des Regulators ist, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen, dann führt an einer Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens und mithin einer Ausdehnung desselben auf ganz neue Felder eigentlich kein Weg vorbei. Natürlich hinkt der Gesetzgeber (und mit ihm die Kontrollbehörden) überall dort, wo es um Innovation geht, dem Entwicklungstempo der Praxis weit hinterher. Das jüngste Vorgehen des Bundeskartellamts gegen Facebook ist ein Beispiel dafür: Hier versuchen die Wettbewerbshüter eine Praxis zu unterbinden, die bereits seit gefühlten Ewigkeiten so geübt wird - sei es nun, dass der Erkenntnisprozess der Behörde so lange gedauert hat, sei es, dass erst die DSGVO ihr die rechtliche Grundlage für ihr Handeln gegeben hat. So oder so kann die zeitliche Verzögerung kein Grund dafür sein, gar nicht zu handeln.

Die Finanzdienstleister wird eine Regulierung, die zum Beispiel auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen zielt, vielleicht viel weniger treffen als ihre neuen Wettbewerber aus dem Technologieumfeld - allein schon deshalb, weil Banken oder Versicherer bei diesen Themen noch ziemlich am Anfang stehen. Einmal vorausgesetzt, dass der Gesetzgeber sich nicht gar zu viel Zeit lässt, würde das bedeuten, dass man entsprechende Leitplanken von Anfang an in Prozesse einarbeiten könnte, anstatt diese nachträglich anzupassen. Auf den Regulator warten kann die Branche dabei zweifellos nicht, das verbietet die Wettbewerbssituation. Es spricht aber manches dafür, dass die Praktiken der Finanzdienstleister auch vor Eingriff des Gesetzgebers nie so bedenkenlos sein werden wie die der "Bigtechs". Kommt die Regulierung, dürfte der Anpassungsbedarf bei letzteren somit ungleich höher aus fallen. Ausgebremst wird der Wett bewerb dadurch aber sicher nicht. Schließlich verfügt er auch über die größeren Ressourcen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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