Noch viel zu tun

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

"Wem gehört der Kunde - der Filiale oder dem Direktvertrieb?" Diese Frage aus den Frühzeiten des Online-Bankings kann rückwirkend als Luxusproblem einer Branche bewertet werden, die sich der Kundenbeziehung an sich noch sicher sein zu können glaubte. Längst ist klar: Der Kunde und seine Daten "gehören" niemandem - nicht dem medialen Vertrieb und schon gar nicht dem Berater, nicht einmal einer Bank oder Sparkasse. Sondern er ist ein zunehmend flüchtiges Wesen, das seine Finanzgeschäfte immer dort abwickelt, wo es die attraktivsten und komfortabelsten Angebote für den jeweiligen Bedarf in der passenden Situation findet. Längst gilt das nicht mehr allein im Privatkundengeschäft, sondern auch im Firmenkundengeschäft, wenngleich dort die Loyalität zur finanzierenden Hausbank immer noch deutlich höher ist. Auf diese Entwicklung müssen sich Banken einstellen.

Vieles ist auch schon erreicht worden. Ebenso viel bleibt noch zu tun. Wenn Omnikanalbanking nur an der Kundenschnittstelle funktioniert und der Kunde sich nicht darauf verlassen kann, dass die Bank, die er vielleicht mit Rückfragen kontaktiert, nicht auf das zurückgreifen kann, was er online bereits eingegeben hat, dann gibt das Minuspunkte in Sachen Betreuungsqualität. Gleiches gilt, wenn bestimmte Produkte - allen voran im Bereich der Altersvorsorge - immer noch nicht online abgeschlossen werden können, sondern der digitale Kunde lediglich den Hinweis auf die ach, so wichtige persönliche Beratung erhält. Nicht besser ist es, wenn zwar Online-Tools vorhanden sind, mit denen sich der Kunde Bedarf und Angebot ausrechnen kann, dann aber nicht zum Abschluss kommt und wieder auf die Beratung verwiesen wird. Wenn dann mit dem Berater noch einmal von vorne angefangen werden muss, ist das aus Kundensicht ein Gau.

Auch im Direktmarketing sind die Banken in den letzten 20 Jahren dem Anschein nach wenig vorangekommen. Noch immer werden Kunden nach dem Gießkannenprinzip mit Angeboten zu Leistungen bedacht, die sie entweder längst nutzen oder - wie der Blick in die Kundendaten zeigen könnte - erkennbar nicht brauchen. Beispiele sind die Kreditkarte für Kreditkarteinhaber oder die Baufinanzierung für Eigenheimbesitzer. Vieles davon wäre in Zeiten digitaler Datenanalysen und von KI unnötig - trotz der europäischen Datenschutzgrundverordnung. Der größte Teil der Bankkunden, so berichten es Marktteilnehmer aus allen kreditwirtschaftlichen Säulen, erteilt der Bank die Einwilligung zur Datenverwendung zwecks individualisierter, persönlicher Ansprache. Es wird aber zu wenig daraus gemacht. Statt dessen kontaktiert in vielen Fällen das Callcenter diejenigen Kunden, die sich überhaupt noch beratungsaffin zeigen, turnusmäßig jedes halbe Jahr zwecks Vereinbarung eines Beratungstermins - unabhängig davon, ob beim Kunden oder aus Sicht des Beraters überhaupt ein Bedarf besteht. Wenn sich Kunde und Berater dann gegenübersitzen und keiner von beiden einen Anlass für das Gespräch sieht, dann darf das getrost als Verschwendung von Betreuungskapazitäten wie auch der Zeit des Kunden bewertet werden. Hier braucht es mehr Anstrengungen, solche Kunden herauszufiltern, die einen Beratungsbedarf haben könnten, aber bisher noch nicht angesprochen wurden.

Eine Renaissance erlebt allem Anschein nach derzeit der telefonische Zugang zur Bank. Das Anrufaufkommen steigt, obwohl Standardanliegen zunehmend digital erledigt werden. Live-Chats oder Sprachdialogsysteme, die ihren Vorläufern aus der Frühzeit der Sprachcomputer um Lichtjahre voraus sind, helfen, der Anrufflut Herr zu werden. Dadurch verkürzen sich Warteschleifen am Telefon, gleichzeitig haben die Mitarbeiter mehr Zeit für qualitativ höherwertige Gespräche. Das kann als echter Fortschritt für beide Seiten bewertet werden. Dennoch gibt es auch hier Einschränkungen, gerade bei Filialbanken. Filialbankkunden, das hat die Marktforschung ausdrücklich herausgearbeitet, machen ihre Bankwahl vor allem an der Möglichkeit eines Kontakts mit einem festen persönlichen Ansprechpartner fest. Das muss trotz Sprachdialogsystemen, Live Chats mit Servicemitarbeitern und Chatbots weiterhin möglich sein, ohne dass die Berater deswegen mit Nichtigkeiten behelligt werden.

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