Nicht nur ein Kostenfaktor

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Schon lange bevor die Digitalisierung des Bankgeschäfts richtig Fahrt aufgenommen hatte, ja noch ehe der Begriff Digitalisierung überhaupt gebraucht wurde, stand die Bankfiliale in der Diskussion und wurde gern als "Mühlstein um den Hals des Bankgewerbes" bezeichnet. Dass die zahlreichen Zweigstellen die Filialbanken bis heute nicht ertränkt, sprich sie die Existenz gekostet haben, ist den beachtlichen Entfesselungskünsten der Branche in Form ihrer Anpassungsfähigkeit zu verdanken. Auch hier passt der Vergleich mit dem Mühlenwesen. So wie im Zuge der Industrialisierung die Windmühlen erst den dampfbetriebenen und später den elektrischen Großmühlen weichen mussten, so geht auch bei den Bankfilialen der Trend zu weniger, dafür aber technisch höher gerüsteten Standorten. Bei allem Fortschritt werden jedoch sowohl Mühlen als auch Bankfilialen weiterhin gebraucht. Die Frage ist nur, in welcher Zahl und in welcher Form. Auf diese Frage, mit der sich die Branche seit rund 30 Jahren befasst, kann es keine allgemeingültige und abschließende Antwort geben, bestimmt doch letztlich das Kundenverhalten über Dichte und Struktur des Filialnetzes. Und das ist permanent im Wandel.

Die Anpassung der Vertriebsstrategie ist vor diesem Hintergrund ein andauernder Prozess, bei dem eine Vielzahl von Faktoren zu beachten ist. Die reine Kostenbetrachtung würde an vielen Stellen vermutlich für eine deutlich stärkere Straffung des Geschäftsstellennetzes sprechen. Der Erhalt der Präsenz in der Fläche ist für Genossenschaftsbanken und Sparkassen allerdings auch Teil der regionalen Verantwortung. Es geht jedoch nicht allein um die Versorgung weniger technikaffiner und mobiler Kunden mit Bankdienstleistungen. Sondern das Filialnetz hat nach wie vor auch eine wichtige Funktion für Markenwahrnehmung und Imagewerte. Das gilt auch für die Digital Natives. Dass auch diese jungen Kunden es schätzen, bei ihrer Hausbank Menschen begegnen zu können, mag damit zusammenhängen, dass sie im digitalen Umfeld, in dem sie zuhause sind, auch an dessen Grenzen und auf dessen Schwachstellen stoßen, wenn bestimmte Fragestellungen von FAQ-Listen oder Chatbots oder in Online-Foren unzureichend beantwortet werden, wenn sie eine gefühlte Ewigkeit in Telefon-Hotlines in der Warteschleife hängen oder es erst gar keine Telefonnummer für Rückfragen gibt. Hier kann die Filialbank mit Ansprechpartnern vor Ort punkten.

Natürlich stellt sich die Frage, ob und wie lange es sich lohnt, die Präsenz in der Fläche gewissermaßen als "Backup"-Funktion aufrechtzuerhalten, die dem Kunden das gute Gefühl gibt, im Fall des Falles einen Ansprechpartner zu finden. Dann wäre der stationäre Vertrieb ein bloßer Kostenfaktor. Die Kosten-Nutzen-Rechnung für die Servicefunktion ist jedoch gar nicht so einfach aufzumachen. Dass sie für die Kundenzufriedenheit und damit auch die Kundenbindung immer noch eine Rolle spielt, lässt sich an dem Kundenverlust ablesen, der mit Filialschließungen fast immer verbunden ist, obwohl Kunden in Befragungen regelmäßig angeben, für den Weg zu Beratungsgesprächen eine gewisse Entfernung in Kauf zu nehmen. So erklärt sich die Renaissance, die die "rollenden Filialen" seit einiger Zeit wieder erleben, aber auch der große Zuspruch, den die gemeinsam genutzten "Finanzpunkte" von Frankfurter Volksbank und Taunussparkasse finden. Auch was die Geldautomaten betrifft, hält DSGV-Vorstandsmitglied Dr. Joachim Schmalzl im Interview in der August-Ausgabe von KARTEN fest, dass es für einen Rückbau noch zu früh ist. Die Filiale ist also auch im digitalen Zeitalter weit mehr als nur ein Kostenfaktor: Sie dient als Anlaufstelle für Service, als Markenbotschafter und als Ort der persönlichen Begegnung und der Beratung. Auch die Beratung wird sich weiter verändern, auch hier wird Technik eine wachsende Rolle spielen. Die Corona-Krise hat Beratern und Kunden die neuen Möglichkeiten stärker als bisher nahe gebracht. Sie hat aber auch gezeigt, dass die persönliche Begegnung weiterhin geschätzt wird - und schmerzlich vermisst wird, wenn sie nicht stattfinden kann. Der digital gestützte Dialog kann das nur begrenzt ersetzen, auch deshalb, weil der virtuelle Austausch "komprimierter" stattfindet als das persönliche Gespräch. Das mag effizienter sein. Es fallen allerdings auch Dinge weg. Wenn Kunden in der virtuellen Beratung weniger Fragen stellen, als sie es am runden Tisch im Beratungsbüro getan hätten, dann kann das letztlich auch die Zufriedenheit mit der Beratung schwächen. Wie so oft im Leben gilt damit auch bei der Beratung: Das eine tun und das andere nicht lassen. Den einen Königsweg gibt es nicht.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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