Risiken und Nebenwirkungen

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Natürlich wäre es Unfug, die Finanzkrise der Jahre 2007/2008 als Segen bezeichnen zu wollen. Und doch lässt ihr rückblickend aus der aktuellen Corona-Krise heraus in gewissem Sinn etwas Positives abgewinnen. Ohne die Finanzkrise wären viele der seit damals beschlossenen und umgesetzten Regulierungsmaßnahmen vielleicht nicht, später oder nur in milderer Form eingeführt worden. Dann würden die Unternehmen der Finanzwirtschaft vermutlich nicht in gleichem Maße über Kapitalpuffer verfügen wie heute. Die Ausgangslage dafür, die Folgen der Corona-Krise einigermaßen unbeschadet zu überstehen, wäre vermutlich deutlich schlechter, als sie es heute ist. Die Autoren in diesem Heft - die aus der Politik ebenso wie die aus der Finanzbranche - sind sich darin im Wesentlichen einig: Die Regulierung der letzten Jahre macht sich nun bezahlt. Es geht deshalb auch niemandem darum, das Rad zurückzudrehen.

Die grundsätzliche Übereinstimmung darin, dass das Schärfen der regulatorischen Vorgaben berechtigt war und die Kreditwirtschaft, nun hoffentlich vor dem Schlimmsten bewahrt, damit sie auch weiterhin die Kreditversorgung privater Haushalte und der Unternehmen sicherstellen kann, ändert allerdings nichts daran, dass nicht jede Maßnahme von allen Seiten gleich gut bewertet wird und dass sich unbeabsichtigte, unerwünschte Nebenwirkungen einstellen können. Als Beispiel für Letzteres lässt sich die Interchange-Regulierung im Zahlungsverkehr anführen. Das eigentliche Ziel, den Handel durch eine Deckelung der Interbankenentgelte aus den Händen des vermeintlichen "Banken-Kartells" zu befreien, wurde nur bedingt erreicht. Denn wie eine aktuelle Studie zeigt (siehe Karten-News, Seite IV, in der Heftmitte) sind seitdem die Scheme Fees der internationalen Kartensysteme kräftig gestiegen, sodass der Handel nicht unbedingt viel gewonnen hat. Gleichzeitig wurde die Innovationskraft der Banken gebremst, wodurch die ursprünglich beklagte Abhängigkeit von außereuropäischen Playern eher noch zugenommen hat. Ohne den regulatorischen Eingriff würde es ein wettbewerbsfähiges europäisches Payment Scheme vermutlich schon geben. Erst seit dem massiven Vordringen der Bigtechs haben Wettbewerbshüter gelernt, dass es nicht ausreicht, die Banken kleinzuhalten, wenn man einen funktionierenden Wettbewerb mit europäischen Anbietern haben möchte.

Auf die Liste der "Risiken und Nebenwirkungen", die es bei jedem Heilmittel gibt und zu denen man bitte den Regulator fragen möge, gehört beispielsweise auch das drohende Aus der Wertpapierberatung für den Durchschnittsanleger, sollte sich der Gesetzgeber für ein Provisionsverbot entscheiden. Und eine Regulierung, die primär für große Kreditinstitute gestrickt wurde, aber in gleicher Weise auf kleinere Banken und Sparkassen mit teilweise ganz anderem Geschäftsmodell übertragen wird - Stichwort Basel III - gefährdet (ebenfalls ebenso unbeabsichtigt wie unerwünscht) eine regionale Bankenstruktur, die sich in der Finanzkrise doch gerade als stabilisierend erwiesen hat. Die Kritik daran und der Ruf nach einer Anpassung des Regelwerks an den europäischen Bedarf ist weit mehr als das Gejammer von Marktteilnehmern, denen der Regulierungsdruck zu viel wird, und wird deshalb mittlerweile auch von der deutschen Politik unterstützt, auch wenn nicht alle so weit gehen wie Jörg Cezanne von den Linken, der kleinere Banken geradezu als Leitbild der Regulierung sehen will. Darin, dass die Proportionalität gewahrt bleiben muss, herrscht heute nahezu Einstimmigkeit. Das in konkrete Regulierungsvorhaben einfließen zu lassen, ist indessen leider nicht trivial.

Manchmal ist es aber auch einfach des Guten zu viel. Das hat schon der vorige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erkannt und eine "bessere" Regulierung im Sinn einer Durchforstung und der Beschränkung auf das wirklich Notwendige versprochen. Daraus geworden ist wenig. Und unter Ursula von der Leyen hat man bislang eher den Eindruck, als stünde der Branche noch eine Flut weiterer Regelungen - diesmal primär zu den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit - ins Haus. Das mag in der Pandemie später kommen als ursprünglich geplant. Sinken wird der Compliance-Aufwand, der nach einer Umfrage des Bankenverbands unter den Beschäftigten seiner Mitarbeiter auch deren Gesamtzufriedenheit und Gesundheit belastet, aber wohl nicht.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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