In der Schusslinie

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Zwei Aufregerthemen der letzten Wochen haben die Betreiber von Finanzplattformen vermutlich völlig unvorbereitet erwischt: erst die Causa Gamestop in den USA, dann die Insolvenz der bis dahin wenig bekannten Greensill Bank in Deutschland. Ohne einen konkreten Fehler gemacht zu haben, gerieten Neobroker und Zinsplattformen plötzlich unvermutet ins helle Licht der Öffentlichkeit und es wurde heiß darüber diskutiert, welche Rolle sie bei der jeweiligen Thematik eigentlich gespielt haben.

Im Fall der Tradingplattformen hat vermutlich der Mangel an greifbaren Verantwortlichen für das konzertierte Agieren der Kleinanleger gegen die Hedgefonds dazu geführt, dass die Broker in den Fokus rückten. In den sozialen Netzwerken gibt es keinen "Amtsträger", der sich identifizieren und für eine Manipulation des Markes zur Verantwortung ziehen ließe. Also richtet sich der Blick auf die Plattformen, die die in Rede stehenden Transaktionen ausgeführt beziehungsweise zeitweise gestoppt haben. Mit ihnen als regulierte Unternehmen hat man zumindest etwas Greifbares an der Hand. Die Frage, ob sie das viral abgesprochene "Zocken" auf den Kurs der Gamestop-Aktie hätten unterbinden können und sollen, ist dennoch nicht leicht zu beantworten - nicht nur, weil es bislang keinen wirklich vergleichbaren Präzedenzfall gab, sondern auch, weil hier einander teilweise widersprechende Vorschriften aus unterschiedlichen Rechtsgebieten zum Tragen kommen, wie Jörg Baumgartner und Dr. Sebastian Sieder in diesem Heft darlegen. Die Brokerplattformen sind damit vermutlich aus dem Schneider. Stattdessen werden sich Regulatoren und Aufsichtsbehörden darüber Gedanken machen können, ob und wie man dergleichen künftig verhindern kann und welche Leitlinien man für die die Orders ausführenden Plattformen festlegen kann und soll. Im Fall der Zinsplattformen ist die Angelegenheit etwas anders gelagert und gewinnt viel grundsätzlichere Bedeutung. Niemand käme auf die Idee, ihnen die Verantwortung für die Insolvenz der Greensill Bank zuschieben zu wollen. Angesichts der Inanspruchnahme der Einlagensicherung durch private Kunden, die ihre Sparguthaben über die Plattformen bei der Greensill Bank angelegt haben, ist jedoch eine Bedeutung über das Geschäftsmodell der Zinsmarktplätze entbrannt, das vielen vor kurzem noch als der erlösende Ausweg aus den Einlagen- und Negativzinsdilemma schien. Hier lautet die Frage, ob solche Plattformen nicht in gewissem Sinn weniger seriöse Banken quasi zu einem Missbrauch der Einlagensicherung einladen, da sie es ihnen leichter machen, Kunden zu gewinnen, die - im Vertrauen auf die Einlagensicherung - gern das Angebot von Zinssätzen im positiven Bereich annehmen. Der eigentliche Missbrauch der Sicherungseinrichtung erfolgt dann zwar nicht durch die Plattformen, die den Marktplatz betreibt, sondern durch diejenigen Institute, die dort zu unwirtschaftlichen Konditionen um Einlagen werben. Ohne die Plattform wäre dieses Geschäft allerdings weitaus schwieriger.

Die grundsätzliche Fragestellung bei beiden Fällen ist im Kern die gleiche, die sich auch im Kontext der sozialen Medien stellt: Inwieweit können und dürfen die Anbieter der Plattformen in die Dinge eingreifen, die auf der von ihnen bereitgestellten technischen Basis geschehen? Bei Facebook & Co. ist die Frage danach, wo das Blockieren ungesetzlicher Inhalte in eine Zensur durch private Unternehmen übergeht, schwierig genug zu beantworten. Bei Finanzplattformen, die sich in einem engmaschig regulierten Markt bewegen, ist das mit Sicherheit nicht leichter. Dr. Tamaz Georgadze von Raisin sagt: Plattformen können und dürfen nicht in einen regulierten Markt eingreifen und die Rolle der Aufsicht übernehmen. Genau das würden sie aber tun, wenn Broker entscheiden wollten, welche Transaktionen sie abwickeln oder nicht, oder wenn Zinsplattformen die Geschäftsmodelle der auf ihnen anbietenden Banken auf ihre Tragfähigkeit hin abklopfen wollten. Man kann sich die Reaktion von Verbraucherschützern vorstellen, sollte ruchbar werden, dass Zinsmarktplätze für Verbraucher lukrative Angebote bewusst ausschließen, obwohl diese Angebote für die Sparer aufgrund der Einlagensicherung nicht riskant sind. Das heißt nicht, dass die Rolle der Plattformen völlig unproblematisch wäre, da sie ja nur den Marktplatz zur Verfügung stellen. Auch ein Marktplatzbetreiber muss Regeln vorgeben. Welche das sind, kann jedoch nicht allein in seiner Verantwortung liegen. Hier sind Regulator und Aufsicht am Zug, gegebenenfalls die Leitplanken eindeutiger zu definieren.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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