Vor der Trendwende

Swantje Benkelberg

In den letzten Jahren war der Blick in die Insolvenzstatistik immer erfreulich: Regelmäßig waren die Zahlen rückläufig, sowohl bei den Firmen- als auch bei den Privatinsolvenzen. Auch das Jahr 2018 bildet da keine Ausnahme. Doch die Regel, dass alles ein Ende hat, gilt auch hier. In dem Maße, wie die Konjunktur sich eintrübt, wird es auch in der Insolvenzstatistik wieder aufwärts gehen - bei den Firmen- wie auch bei den Verbraucherinsolvenzen. Ob diese Entwicklung schon 2019 oder doch eher 2020 oder 2021 eintreten wird, wird von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abhängen.

Was die Verbraucher angeht, hat die Marktforschung selbst in den "fetten Jahren" eine kontinuierliche Zunahme der "weichen" Überschuldungsmerkmale ausgemacht und dies auf "unwirtschaftlichen Konsum" zurückgeführt. Wenn sich eine schwächelnde Konjunktur über kurz oder lang auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen und die Zeit der weitgehenden Vollbeschäftigung beenden wird, könnte sich daraus eine ungute Gemengelage ergeben. Denn Arbeitslosigkeit ist nach wie vor eine der Hauptursachen dafür, dass Verbraucher ihre Schulden nicht bezahlen können. Steigen die Arbeitslosenzahlen, dann könnten in vielen Fällen aus den "weichen" Merkmalen der Überschuldung schnell "harte" - sprich gerichtliche Schritte - werden.

Ein gutes Stück Verantwortung dafür, dass immer mehr Verbraucher in Deutschland dazu tendieren, über ihre Verhältnisse zu leben und Konsum auf Pump zu finanzieren, trägt sicher die Geldpolitik der EZB: Wenn es sich nicht mehr lohnt zu sparen, dann wird das Geld ausgegeben. Und eine Kreditwerbung, die noch dazu mit Negativzinsen wirbt, verleitet manchen dazu, sich mehr zu leisten, als er sollte. Gerade die Werbung mit Negativzinsen, mit der sich vor allem die Plattformen gegenseitig überbieten, macht Verbraucherschützern deshalb schon lange Sorgen. Verantwortungsvolle Anbieter sollten sich derzeit vielleicht mit Kreditwerbung etwas stärker zurückhalten. Auf Unternehmensseite ist die Lage eine andere. Viele Firmen haben die "fetten Jahre" genutzt, ihre Kapitalbasis zu verbessern. Auch die Liquidität ist (noch) gut. "Bremsspuren" in der Auftragslage dürften deshalb in vielen Fällen nicht gleich zur Insolvenz führen. Dennoch werden Risikomanager auch im Firmenkundengeschäft wohl bald mehr zu tun bekommen. Die ersten Unternehmen, die es erwischen wird, dürften weitgehend ertraglose sogenannte "Zombie-Unternehmen" mit hoher Schuldenlast sein, die nur noch dank niedriger Zinsen überleben. Doch dabei wird es nicht bleiben.

Gerät ein Unternehmen in die Krise, dann scheidet sich bei den Gläubigern die Spreu vom Weizen, wie es Frank Klomfaß im Interview ausführt. So grotesk es klingt: Gerade in der Krise kann die Hausbank im Vergleich zum Wettbewerb punkten, wenn Kreditlinien nicht kommentarlos gekündigt werden, sondern die Bank in der Intensivbetreuung versucht, gemeinsam mit dem Kunden das Steuer herumzureißen und das Unternehmen wieder zu stabilisieren. Das kann nicht immer gelingen. Doch wenn es gelingt, stärkt der gemeinsame Erfolg die Stabilität der Kundenbeziehung. Als "Mund-zu-Mund-Propaganda" lässt sich dies allerdings nur wenig nutzen - schließlich sind Pleitekandidaten, die die Insolvenz nur mithilfe ihrer Bank umschifft haben, nicht unbedingt stolz darauf und deshalb auch wenig motiviert, anderen Unternehmern davon zu berichten.

So bleibt es bei einer Situation, in der die Hausbank sich oft genug im Konditionenwettbewerb sehen - mit anderen Kreditinstituten, die mit "Kampfkonditionen" in den Markt gehen, aber auch mit Crowd-Lending-Plattformen, auf denen Unternehmen mitunter leichter eine Finanzierung erhalten als bei der Hausbank. Entstanden sind die meisten dieser Plattformen in einer Zeit des Wachstums. Wie sie reagieren, wenn es zu Zahlungsstörungen kommt, werden manche Unternehmen erst noch erfahren. Eine Begleitung durch die Krise wie durch die Hausbank werden sie wohl nicht leisten (können). Doch auch für die Investoren steht der Lackmustest der Plattformen noch aus. Denn erst, wenn der Motor der Wirtschaft wirklich ins Stottern gerät, wird sich zeigen, wie gut die Risikoprüfung tatsächlich ist, mit der die Schwarmfinanzierer um Anleger geworben haben. Das kann am Ende möglicherweise zu einer Marktbereinigung führen.

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