Weltspartags-Nostalgie

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Die Zeiten, in denen der Weltspartag für Banken und Sparkassen ein Event war und die Kunden massenhaft in die Filialen strömten, sind lange vorbei. Gleichwohl ist er immer wieder ein Anlass, einen Blick auf die Befindlichkeiten der Sparer zu werfen, wie sie sich aus Umfragen ergeben. In diesem Jahr lohnt er angesichts des Wechsels an der EZB-Spitze vielleicht umso mehr - hat doch Christine Lagarde angekündigt, die Sorgen der Sparer zumindest ernst nehmen zu wollen - was immer das für die Geldpolitik bedeuten mag.

Da ist zum einen das von Kantar monatlich erhobene Sparklima, das im September 2019 erstmals ins Negative gedreht hat. Das heißt: Der Anteil derjenigen, die Sparen aktuell nicht für sinnvoll halten, ist größer als der Anteil jener, die darin einen Sinn sehen. Natürlich ist das eine Momentaufnahme und womöglich dreht das Sparklima schon im nächsten Monat wieder ins Positive. Am grundsätzlichen Befund ändert das nichts: Die befürchtete Erosion der Sparkultur ist offensichtlich eingetreten und der Anteil der überzeugten Sparer ist mehr oder weniger im freien Fall. Gründe dafür gibt es genug: die bundesdeutsche Politik, die die Sparförderung früherer Zeiten längst aus dem Blick verloren hat und sich stattdessen auf das Verteilen sozialer Wohltaten beschränkt; die anhaltende Diskussion um die EU-Einlagensicherung, die nicht zur Vertrauensbildung beiträgt; und nicht zuletzt die Zinspolitik der EZB, die das traditionelle Sparen so unattraktiv macht wie nie. Wie sehr das Zinsumfeld das Sparverhalten prägt, zeigt eine anlässlich des Weltspartags veröffentlichte Studie von Yougov und dem Sinus-Institut, für die über 2 098 Personen ab 18 Jahren zwischen dem 1. und 9. Oktober 2019 mittels standardisierter Online-Interviews repräsentativ befragt wurden. 60 Prozent der Befragten gaben dabei an, sie wünschten, der Weltspartag hätte wieder die gleiche Bedeutung wie in ihrer Kindheit, in etwa ebenso viele vermissen die Zeiten, als das gedruckte Sparbuch die wichtigste Sparform war. Weltspartags-Nostalgie macht sich breit.

Der Mehrheit ist jedoch klar, dass das Sparbuch keine sinnvolle Form des Sparens mehr ist. Rund zwei Drittel sehen im Niedrigzinsumfeld keinen Sinn mehr im klassischen Sparen, noch mehr sehen, dass andere Anlageformen attraktiver sind als ein Sparbuch, wenn die Zinsen so niedrig bleiben. 37 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass sie innerhalb der nächsten fünf Jahre selbst Negativzinsen für ihr Sparguthaben zahlen müssen. Und mehr als drei Viertel (77 Prozent) würden in diesem Fall ihr Geld eher unter das Kopfkissen als auf das Sparbuch legen.

Unter diesen Umständen ist es fast schon erstaunlich, dass eine Mehrheit von 61 Prozent den Weltspartag immer noch wichtig oder eher wichtig findet, um Kindern die Bedeutung des Sparens beizubringen. Auch hier ist vermutlich ein Stück Nostalgie im Spiel. Es ist aber vielleicht auch ein Indiz dafür, dass die Sparkultur noch nicht ganz verloren ist. Etwa jeder fünfte Erziehungsberechtigte von Kindern unter 18 Jahren (doppelt so viele wie bei den Bankkunden insgesamt) besucht am Weltspartag immer oder meistens seine Bank - primär vermutlich, damit die Kinder ihr gesammeltes Sparguthaben einzahlen und dafür ein kleines Geschenk erhalten. Wenn es schon keine Zinsen mehr gibt, kann wenigstens dies dem Nachwuchs ein Gefühl dafür geben, dass Sparen sich lohnt.

Es wäre jedoch unfair, es allein der Zinspolitik von Mario Draghi anzulasten, dass der Weltspartag an Bedeutung verloren hat. Sollte die EZB unter Christine Lagarde wieder zu einer Zinspolitik zurückfinden, bei der auch die Jugend Guthabenzinsen als etwas erleben kann, das nicht nur im Schulunterricht und in Gesellschaftsspielen vorkommt, dann wird dies die Sparkultur sicher wieder stärken - den Weltspartag aber vermutlich weitaus weniger. Denn natürlich ist es nicht allein das Fehlen attraktiver Zinsangebote, das die Kunden immer weniger in die Filialen lockt, sondern es ist auch die Digitalisierung. Hier lässt sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Dennoch ist es nicht verkehrt, wenn zumindest etliche Volksbanken und Sparkassen zum Weltspartag am Tradierten festhalten und wenigstens die Kinder mit Kinderschaltern und kleinen Gaben ansprechen - sind sie doch die Kunden von morgen. Und wer schon in jungen Jahren erlebt, dass sich der Gang in die Filiale lohnt, der kommt vielleicht auch später wieder, wenn es um die Nutzung von Beratungsangeboten geht - wenn nicht für das klassische Sparen, dann eben für das Investieren in Wertpapiere für die Altersvorsorge.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X