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Die BGH-Urteile vom 16. Mai 2006 aus der Sicht eines Kreditinstituts

Die Urteile des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16.
Mai 2006 sind bereits im Vorfeld auf großes Interesse bei
Öffentlichkeit und Medien gestoßen. Das verwundert nicht, wurde doch
allgemein eine Klarstellung des BGH erwartet, ob und wie die
Leitlinien aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 25.
Oktober 2005 im deutschen Recht zu berücksichtigen sind.
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Die EuGH-Urteile vom 25. Oktober 2005
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Zur Erinnerung: Der Europäische Gerichtshof hatte am 25. Oktober 2005
darüber zu entscheiden, ob Käufer von bankfinanzierten
Eigentumswohnungen, die einen so genannten "Haustürwiderruf" erklären,
sich gegen Übertragung der erworbenen Wohnung auf die Bank von der
Darlehensverbindlichkeit befreien können. Der EuGH hat diese Frage
nicht selbst beantwortet. Er hat hingegen den nationalen Gerichten
aufgetragen, die Risiken des Kunden aus dem jeweiligen Immobilienkauf
gegebenenfalls auf die finanzierende Bank zu verlagern, wenn diese den
Kunden nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hatte.
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Spekulationen, wie der Bundesgerichtshof mit dieser Vorgabe umgehen
würde, gab es reichlich. Sie waren häufig von Hoffnungen und
zweifelhaften Erwartungen ihrer Autoren getragen und gingen mitunter
so weit, rechtssystematische Grundprinzipien in Frage zu stellen.
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Mit seiner Entscheidung vom 16. Mai 2006 hat der BGH nun Klarheit für
die Fälle geschaffen, in denen - wie meist üblich - der Kaufvertrag
vor dem Darlehensvertrag abgeschlossen worden war. Hierzu hat der BGH
verbindlich klargestellt, dass ein Haustürwiderruf keinesfalls zu den
von den Klägern geforderten Rechtsfolgen führen kann: Ein Erlass der
Darlehensschuld gegen Übertragung der Immobilie auf die Bank ist nicht
möglich. Die Kunden - so die logische Argumentation des BGH - hätten
durch einen Widerruf des Darlehensvertrags die Risiken aus dem zuvor
geschlossenen Kaufvertrag gar nicht mehr abwenden können. Die von den
Banken unterlassene Widerrufsbelehrung könne somit gar nicht
ursächlich für die Risiken aus dem Immobilienkauf sein.
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Diese Klarstellung schafft für alle Beteiligten ein weiteres Stück
Rechtssicherheit. Für uns bedeutet sie einerseits, dass wir als
finanzierendes Institut bei zahlungsunwilligen Kunden weder auf unsere
Forderungen verzichten noch deren Wohnungen - sozusagen als
Tilgungssurrogat - übernehmen müssen.
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Andererseits ist die jetzt durch den BGH geschaffene Klarheit der
Rechtslage besonders wichtig für Problemlösungen im Vergleichswege.
Kunden mit eingeschränkter Zahlungsfähigkeit oder einer
problematischen persönlichen Lebenssituation werden wir also, wie
übrigens stets bisher, auf dem Vergleichswege entgegenkommen.
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Dass hierbei allerdings in jedem Einzelfall sorgfältig abzuwägen ist
zwischen den Pflichten eines Vorstands als ein auf Zeit bestellter
Sachwalter fremden Vermögens (also Gutsverwalter und nicht etwa
Gutsherr! ) und den Möglichkeiten des Kunden, macht die
Verfahrensweise nicht immer ganz einfach. Vor allem den
selbsternannten Verbraucherschützern verstellen Honorarinteressen
bisweilen den Blick für das, was für ein Kreditinstitut möglich und
verantwortbar ist.
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Noch offene Rechtsfragen
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Zudem wird der BGH in Kürze hoffentlich in einem weiteren Punkt
Rechtssicherheit schaffen. Es handelt sich um die Fälle, in denen der
Kaufvertrag erst nach dem Darlehensvertrag geschlossen wurde. Über
diese - in der Bankenpraxis und auch bei uns nur sehr selten
vorkommende - Fallkonstellation hat der BGH am 16. Mai noch nicht
entschieden.
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Dieser Umstand hat einige "Anlegeranwälte" allerdings bereits zum -
bislang rechtlich unbegründeten - Umkehrschluss veranlasst, dass den
Kunden in solchen Fällen die Darlehensschuld gegen Übertragung der
erworbenen Wohnung auf die Bank erlassen werden müsse.
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Auch hier wird nach meiner Einschätzung Seriosität und Sachkunde durch
Akquisitionsstreben und Quacksalberei ersetzt, zumal der Vorsitzende
des entscheidenden Senates über diese Konstellation in der Verhandlung
bereits in eine ganz andere Richtung "laut nachgedacht" hat: Auch hier
wird nämlich den Darlehensnehmern voraussichtlich kein Anspruch gegen
die Kreditinstitute zugestanden werden.
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Kein Verschulden der Banken bei fehlender Widerrufsbelehrung
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Begründung: Den Banken kann nicht angelastet werden, zur damaligen
Zeit die Kunden nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt zu haben, weil
Gesetzeslage und obergerichtliche Rechtsprechung in Deutschland eine
derartige Verpflichtung damals noch gar nicht vorsahen.
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Die Rechtslage hat sich erst durch ein EuGH-Urteil aus dem Jahr 2001
geändert. Es fehlt somit an einem Verschulden der Banken. Dieses ist
aber wiederum Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch. Nach den
Äußerun-
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gen des Vorsitzenden sehen wir der zu erwartenden Entscheidung ohne
Sorge entgegen, zumal diese Fälle bei uns seltene Ausnahmen sind.
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Erleichterte Beweisführung für die Kunden
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Der Bundesgerichtshof hat über diese Klarstellungen hinaus eine
Beweiserleichterung zu Gunsten der Anleger vorgesehen. Kunden, die von
den Vermittlern über Eigenschaften der Immobilie arglistig getäuscht
wurden, soll künftig die Beweisführung gegen die finanzierende Bank
erleichtert werden.
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Voraussetzung: Die Unrichtigkeit der Vermittlerangaben war so evident,
dass sie sich der finanzierenden Bank "geradezu aufgedrängt" und diese
sich der Kenntnis "geradezu verschlossen" hat.
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Ich begrüße diese Erleichterung ausdrücklich. Denn der BGH hat hier -
unter klar eingegrenzten Voraussetzungen - eine Möglichkeit eröffnet,
Anlegern dort weiterzuhelfen, wo dies jedes normal entwickelte
Rechtsbewusstsein fordert. Eine arglistige Täuschung eines
Vermittlers, vor der die finanzierende Bank die Augen verschlossen
hat, muss auch zu einer Haftung der Bank führen. Dass Anwälte, die
bereits in der Vergangenheit derartige Behauptungen pauschal erhoben
haben, jetzt gezwungen sind, solche Fälle auf den Tisch zu legen, ist
mir sehr recht. Mir sind nämlich nach dem bisherigen Ergebnis der
Prüfung vieler Akten keine Vorgänge bekannt geworden, in denen dieser
Vorwurf haltbar wäre. Schlussendlich eine Anmerkung, losgelöst von
allen Urteilsbegründungen des BGH: Dass Immobilienkäufer für ihr
Handeln voll verantwortlich sind, ist das eine. Dass ein
Kreditinstitut, und hier insbesondere eine Bausparkasse, Pflichten
hat, die über die reine Rechtslage hinausgehen, das andere. Gemessen
daran ist im Zusammenhang mit den Finanzierungen in den neunziger
Jahren vieles anders gelaufen, als Konzeptionäre und Investoren sich
das vorgestellt haben mögen. Auch aus diesem Grunde bin ich zusammen
mit meinen Vorstandskollegen in der Deutschen Bausparkasse Badenia
sehr bestrebt, durch Vergleiche einen Schlussstrich zu ziehen, wo
immer sich dafür faire und gerechte Wege eröffnen.

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