MIPIM Special

Deutsche Immobilien - sicherer Hafen oder überschätzter Markt?

Die Staatsschuldenkrise im Euroraum und ihr Potenzial, die Finanzwirtschaft in ihrer Stabilität zu gefährden, sorgen für anhaltende Verunsicherung auf den Kapitalmärkten. Wie die Anleihen-Märkte zeigen, genießt Deutschland in diesem Umfeld ein besonderes Vertrauen unter Investoren. Ebenso verhält es sich bei den Immobilieninvestoren, wenn man den in verschiedenen Umfragen geäußerten Absichten Glauben schenkt.

So ergab die kürzlich von Inrev, dem europäischen Verband für Investoren in nicht-börsennotierten Immobilienfonds, unter europäischen Investoren durchgeführte "Investment Intention Survey", dass Deutschland neben den skandinavischen Ländern als das Land mit dem geringsten Investitionsrisiko erachtet wird. Zudem beabsichtigt eine deutliche Mehrheit von etwa 70 Prozent, die Immobilienallokation in Deutschland innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erhöhen. Was ist davon auf dem deutschen Investmentmarkt zu spüren und welche zukünftigen Implikationen sind zu erwarten? Gibt es Unterschiede bezüglich der Kapitalherkunft?

Überflutung des Marktes mit ausländischem Geld?

Im Einklang mit den wirtschaftlichen Fundamentaldaten zeigt sich auch der deutsche Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien derzeit recht robust. Im Vergleich zu den anderen großen europäischen Volkswirtschaften konnte sich die Erholung des Investmentmarktes auch 2011 fortsetzen, was allerdings im Wesentlichen von einheimischen Investoren getragen wurde. Der doch deutliche Einbruch nach den Boom-Jahren 2006 und 2007 scheint zumindest für die heimischen Investoren überwunden zu sein. Das Transaktionsvolumen überstieg im vergangenen Jahr wieder den mehrjährigen Durchschnitt seit 2005, wobei sich ausländische Investoren noch etwas zögerlich geben.

Die Zurückhaltung gegenüber grenzüberschreitenden Investments hat jedoch nichts mit Deutschland zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass der ohnehin latent vorhandene "Home Asset Bias" in wirtschaftlich unsicheren Zeiten verstärkt zur Ausprägung kommt. Ein deutlicher Zusammenhang ergibt sich beispielsweise bei der Betrachtung des allgemeinen Wirtschaftsklimas und des Anteils internationaler Investitionen.

Ähnlich verhält es sich bei den Transaktionen von Wohnungspaketen, die in obiger Betrachtung unberücksichtigt blieben. Mit über sechs Milliarden Euro im Jahr 2011 konnte hier eine hohe Steigerungsrate von 44 Prozent erzielt werden, doch bewegt sich das Volumen lediglich im Bereich des langjährigen Durchschnitts. Von einem starken Investitionsdruck aus dem Ausland kann angesichts der über 70 Prozent heimischen Investoren auch hier gegenwärtig nicht gesprochen werden

Attraktiver Investmentmarkt

Wenngleich sich derzeit also das Transaktionsvolumen in Deutschland im durchschnittlichen Bereich bewegt und auch der Anteil ausländischer Investoren angesichts der weltwirtschaftlichen Unsicherheiten noch niedrig ist, ist für die absehbare Zukunft von einem weiter steigenden Investitionsvolumen auszugehen. Dies gilt sowohl für inländisches als auch für ausländisches Kapital.

Aus der Abwägung zwischen Risiko und Rendite heraus haben Investoren gute Gründe, in Deutschland zu investieren. Hinsichtlich des Risikos kann der deutsche Investmentmarkt aus struktureller Sicht mit seiner doch beachtlichen Größe aufwarten. In Sachen Liquidität liegt Deutschland zwar hinter Großbritannien, doch die größte Volkswirtschaft Europas hat noch einen theoretisch größeren investierbaren Immobilienbestand und somit noch ein enormes Potenzial. So gibt es in Deutschland beispielsweise 80 Städte mit über 100 000 Einwohnern, deren Investmentpotenzial auch für institutionelle Investoren noch nicht ausgeschöpft ist.

Ebenfalls ein strukturelles Asset ist die Wirtschaftskraft des Landes, welche sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbesserte. Mitunter aufgrund von Reformen des Sozialsystems, welche andere europäische Länder noch vor sich haben, verbesserte sich die Wettbewerbsfähigkeit der hochentwickelten wissensbasierten Volkswirtschaft. Damit zeigt sich auch der deutsche Arbeitsmarkt in Zeiten globalwirtschaftlicher Schwächen überaus robust.

Im aktuellen Umfeld der Staatsschuldenkrise im Euroraum beginnen Investoren nun auch Szenarien eines Auseinanderbrechens der Gemeinschaftswährung in ihre strategischen Planungen miteinzubeziehen. Wenngleich diese Gefahr, die im Gesamten sicherlich ein großes volkswirtschaftliches Gefahrenpotenzial darstellt, nicht der Konsens ist, so wollen Investoren den möglichen Schaden im Rahmen dieses Worst-case-Szenarios eingrenzen.

Die Währungskomponente

Im Falle einer Rückkehr Deutschlands zur D-Mark hätte dies höchstwahrscheinlich eine Aufwertung gegenüber dem bisherigen Euro-Niveau, aber auch gegenüber vielen ausländischen Währungen zur Folge. Deutsche Investoren begegnen diesem Risiko, indem sie den Heimatmarkt fokussieren. Unter den ausländischen Investoren, die voraussichtlich eine relativ schwächere Währung haben, gewinnt Deutschland an Attraktivität, da sie von potenziellen Aufwertungen profitieren.

Hinsichtlich der Immobilienmärkte kann Deutschland als generell weniger volatil erachtet werden, was für die meisten langfristig orientierten Immobilienanleger einen Sicherheitsaspekt darstellt. In Verbindung mit den guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurde dies insbesondere beim letzten zyklischen Abschwung deutlich. Aufgrund der soliden wirtschaftlichen Fundamentaldaten waren Investoren bereit, im europäischen Vergleich niedrigere Renditen zu akzeptieren. Dies hatte zur Folge, dass sich das Preisniveau von einer Überbewertung aus dem Jahr 2007 lediglich neutralisiert hat, jedoch nie stark unterbewertet erschien, wie dies in zyklischeren Investmentmärkten wie Großbritannien oder Frankreich der Fall war.

Betrachtet man innerhalb Deutschlands die verschiedenen Nutzungsarten, zeigt sich aktuell ein ausgeglichenes Preisniveau. Die Anfangsrenditen bewegen sich im Bereich des mehrjährigen Durchschnitts, nachdem sie gegenüber dem letzten Höchststand im Jahr 2009 moderat zurückgegangen sind. Im Bürosektor waren dies etwa 20 Basispunkte, Einzelhandel-Investments in Einkaufsstraßen verteuerten sich um 14 Basispunkte, während die Renditen in dem etwas zyklischeren Logistiksektor um knapp 40 Basispunkte sanken.

Verhältnis von Produktivität und Arbeitskosten

Neben den Anfangsrenditen ist das zu kapitalisierende Mietniveau kaufpreisbestimmend. Für langfristig orientierte Investoren gilt es dabei, die Nachhaltigkeit des Mietniveaus zu bewerten. Für den Bürosektor beispielsweise empfiehlt es sich, die Relation zwischen Produktivität und Arbeitsplatzkosten zu betrachten. Das Mietniveau wird demnach als nachhaltig eingestuft, wenn das Produktivitätsniveau den Kosten eines Arbeitsplatzes entspricht, wobei neben dem Mietniveau auch der markttypische Raumbedarf pro Angestelltem zu berücksichtigen ist.

Im europäischen Vergleich kann man für Deutschland auch hier von einer fairen Bewertung sprechen. Trotz des im europäischen Vergleich hohen Raumbedarfs von etwa 20 Quadratmetern pro Angestelltem sind die Gesamtkosten eines Arbeitsplatzes dank der relativ niedrigen Mieten doch eher moderat und entsprechen auch dem Produktivitätsniveau.

Aus der Analyse des aktuellen Marktgeschehens in Deutschland ergibt sich, dass der Markt weder von ausländischem Kapital überflutet wird, noch dass die Preise überteuert sind. Diese neutrale Bewertung lässt den deutschen Investmentmarkt besonders im europäischen Vergleich sehr attraktiv erscheinen. Sowohl aus wirtschaftszyklischer Perspektive überzeugt Deutschland, aber auch langfristig aufgrund vielfacher struktureller Vorteile gegenüber anderen Ländern. Es ist davon auszugehen, dass Deutschland sowohl von inländischen als auch ausländischen Investoren verstärkt als Investitionsziel wahrgenommen wird.

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