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Energieeffizienz bei Büroimmobilien - Nischenmarkt mit Zukunft

Nach Wohnimmobilien wird Energieeffizienz nun auch bei Büroimmobilien immer mehr zu einem bedeutenden Qualitätsmerkmal. Neben einem gestiegenen Kostenbewusstsein bei den Büronebenkosten tragen auch Zertifizierungen dazu bei, energieeffiziente Büroimmobilien in den Fokus der Nutzer und Investoren zu rücken - so wird beispielsweise ab 1. Juli 2009 der Energieausweis für Bestandsbüroimmobilien in Deutschland Pflicht. Über eine rein energetische Betrachtung hinaus geht das Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), für das gegenwärtig erste Pilotprojekte durchgeführt werden. Es berücksichtigt den kompletten Lebenszyklus der Immobilie sowie ökonomische, ökologische und sozio-kulturelle Aspekte. Künftig werden so Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu messbaren Qualitätskriterien bei Büroimmobilien.

Nutzen und Güte der Zertifikate

Die Vorteile von Zertifikaten sind vielfältig. Sie machen die Qualität eines Gebäudes gegenüber Eigentümern und Nutzern sichtbar. Dies gilt im Falle der DGNB auch vor Fertigstellung. Bereits im Planungsstadium kann geprüft werden, ob die Qualität eines Gebäudes bei der Fertigstellung den Anforderungen des Zertifikats entsprechen wird. Als Grundlage für die Kriterien des DGNB-Zertifikats dienen die Ergebnisse des Runden Tisches Nachhaltiges Bauen am Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Außerdem werden aktuelle Normungsarbeiten zur Nachhaltigkeit, Qualitäts- und Gütezertifizierungen für Bauprodukte sowie Umweltdeklarationen auf Basis der internationalen Norm ISO 14025 einbezogen. Die DGNB definiert anschließend für jedes Kriterium messbare Größen, um die Gebäudequalität objektiv darstellen zu können.

Die Expertengruppe, die derzeit mit der Feinabstimmung des Zertifizierungssystems beschäftigt ist, spiegelt die gesamte Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft wider: Architekten, Ingenieure, Bauphysiker, Bauökologen, Energiefachberater, aber auch Bauproduktehersteller sowie Investoren und Wissenschaftler überprüfen das System auf Praxistauglichkeit. Eine Grundlage dabei ist, dass die Ziele zwar zwingend vorgegeben sind - beispielsweise wie viel Energie eingespart werden muss oder welche Qualität die Raumluft aufzuweisen hat. Der Weg, wie diese Ziele erreicht werden, ist jedoch offen. Die am Bau beteiligten Architekten, Planer und Investoren sind nicht an bestimmte, vorgegebene Technologien gebunden, sondern können nach individuellen Lösungen suchen.

Plant ein Investor, sein Bürogebäude zertifizieren zu lassen, kann er bereits vor Baubeginn einen Architekten beauftragen, der über eine entsprechende Zusatzausbildung hinsichtlich der DGNB-Anforderungen für nachhaltige Gebäude verfügt. Diese Architekten begleiten den Eigentümer auf dem Weg zum Zertifikat. Zu ihren Aufgaben zählt, die Ziele für das geplante Gebäude in einem objektspezifischen Pflichtenheft zusammenzustellen. Die Einhaltung der dort beschriebenen Kriterien wird von der DGNB vor Baubeginn geprüft, sodass die Ergebnisse in die Ausführungsplanung und Umsetzung beim Bau einfließen können.

Auch während der Bauphase überwacht der Architekt, ob die Kriterien des Pflichtenheftes weiterhin den DGNB-Standards entsprechen. In der Planungs- oder Bauphase kann bereits ein Vorzertifikat ausgestellt werden, das abschließende Zertifikat - die Bestätigung, dass alle Kriterien ordnungsgemäß erfüllt sind - wird grundsätzlich erst nach Fertigstellung des Gebäudes vergeben. Das Gütesiegel der DGNB wird in drei Wertigkeiten ausgestellt - in Gold, Silber und Bronze.

Ein Pilotprojekt mit hohem Anspruch

Ein Objekt, das gegenwärtig als Pilotprojekt der DGNB geprüft wird, ist der Skyline Tower in der Münchner Parkstadt Schwabing. Das im Bau befindliche Hochhaus gilt aktuell als das energetisch innovativste Projekt auf dem deutschen Büroimmobilienmarkt. Der Skyline Tower ist ein Ensemble aus einem 23-geschossigen Turm sowie zwei fünf- und zwei siebengeschossigen Campusgebäuden. Die Stahl-Glas-Konstruktion von Architekt Helmut Jahn ist etwa 84 Meter hoch und verfügt insgesamt über rund 44 000 Quadratmeter Geschossfläche. Die Bauarbeiten werden 2010 abgeschlossen sein.

Der Büro-Komplex erfüllt bereits die Kriterien des europäischen Green-Buil-ding-Zertifikats. Nach den vorliegenden Berechnungen werden außerdem die derzeit bekannten verschärften Anforderungen der Energieeinsparverordnung 2009 erfüllt. Der Energieverbrauch liegt 30 bis 50 Prozent niedriger als bei konventionellen Gebäuden. Daher werden sich die Nebenkosten für die Mieter im Skyline Tower deutlich reduzieren - dies ist insbesondere bei Mietern großer Flächen ein wichtiges Argument.

Erreicht wird die Einsparung unter anderem durch eine moderne, dreifachverglaste Wärmeschutz-Fassade und eine effiziente Technik bei der Wärme- und Kälteerzeugung. Zusätzlich zum niedrigen Bedarf an Energie zeichnet sich das Haus durch besonders umweltfreundliche Wärmequellen aus - Geothermie und Fernwärme. Ein Energie-Management sorgt für einen optimierten Ressourcenverbrauch im laufenden Betrieb.

Für den Skyline Tower wird die Pilotphase bei der DGNB bis Ende 2008 laufen. Wie bei allen Projekten in der Planung beziehungsweise während der Bauausführung erfolgt der Abschluss, indem ein Vorzertifikat ausgestellt wird. Gegenwärtig liegt der Skyline Tower bereits weit über den Mindestanforderungen zur Erteilung eines Vorzertifikates. Daher kann die Ausstellung mit Abschluss der Pilotphase Ende 2008 als gesichert angenommen werden. Im Zuge des weiteren Zertifizierungsprozesses wird - unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte - die maximale Wertigkeit (Gütesiegel in Gold) angestrebt.

Insgesamt wirken sich nachhaltige Gebäude positiv auf die Gesundheit, Behaglichkeit und Zufriedenheit der Nutzer aus - diese Faktoren haben wiederum positive Auswirkungen auf die Produktivität der Mitarbeiter. Die Effekte zu quantifizieren ist jedoch schwierig.

Gleiches gilt für die Effekte zertifizierter Bürogebäude auf die zu erzielenden Mieten oder Kaufpreise. Angaben der Royal Institution of Chartered Surveyers (RICS) zufolge sind Mieter von Büroimmobilien bereit, Mietaufschläge von bis zu zehn Prozent zu bezahlen, wenn die Gebäude aktuellen Standards etwa im Hinblick auf Wärmedämmung und Energieverbrauch entsprechen.

Produktivitätseffekte nachhaltiger Gebäude

Die DGNB quantifiziert die positiven Effekte ihres Zertifikats zwar nicht, geht aber auch davon aus, dass es die Chancen bei Verkauf und Vermietung eines zertifizierten Gebäudes auf dem Immobilienmarkt erhöht. Auch auf der Handelsblatt Jahrestagung der Immobilienwirtschaft Mitte des Jahres wurde eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Gebäude konstatiert - mehr als 85 Prozent der Tagungsteilnehmer waren dieser Ansicht.

Unabhängig vom jeweiligen Nutzen für den einzelnen Investor oder Eigentümer profitiert die gesamte deutsche Bauwirtschaft davon, wenn sich energieeffiziente Bürogebäude vom Nischenmarkt zum Standard entwickeln: Bereits jetzt ist die deutsche Umweltkompetenz im internationalen Vergleich hoch, und eine entsprechende Reputation - die auch durch ein international anerkanntes Zertifizierungssystem unterstützt wird - fördert die Exportchancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens von der Planung bis zur Ausführung.

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