Infrastruktur-Finanzierung

Erfahrungen des Landes Hessen mit PPP-Strukturen

Seit dem Jahr 2000 hat sich das Land Hessen das Ziel gesetzt, seinen Immobilienbestand neu zu ordnen und dessen Bewirtschaftung zu professionalisieren. Im Vordergrund steht für Hessen eine Konzentration auf die Kernaufgaben des Landes und eine höhere Flexibilität in der Finanzierung und in der Nutzung der öffentlichen Infrastruktur. Wesentliche Erkenntnisse für diese Neuordnung entstanden zusätzlich, als das Land Hessen von der kameralistischen Haushaltsführung auf die kaufmännische Buchführung umstellte. Durch die Umstellung auf die doppelte Buchführung werden nun sowohl die stillen Reserven, die im Immobilienbestand liegen, identifiziert, als auch Leerstandskosten und Abschreibungen dargestellt. Die Bewertung einer Immobilie erfolgt nunmehr über den gesamten Lebenszyklus.

Privatisierungen und Paketverkäufe

Die Hessische Landesregierung sucht in den unterschiedlichsten Bereichen gezielt nach wirtschaftlichen und effizienten Lösungen, um eine gut funktionierende, öffentliche Infrastruktur langfristig sicherzustellen. Natürlich erfolgt dies immer unter der Voraussetzung, dass die hoheitlichen Aufgaben beziehungsweise die rechtlich fixierten Kontrollfunktionen der öffentlichen Hand unberührt bleiben.

Mit diesem Ziel wurden im Jahr 2005 die Universitätskliniken Gießen / Marburg privatisiert. Das Land bleibt zu einem kleinen Prozentsatz beteiligt, um so seine vertraglich fixierten Interessen, insbesondere für den Bereich der Forschung und Lehre, sicherstellen zu können. Bei der JVA Hünfeld werden die hoheitlichen Aufgaben (Gefangenenbewachung) weiterhin vom Staat wahrgenommen, während der Großteil aller Dienstleistungen weitgehend einem Privaten übertragen wurde.

Mit den Immobilientransaktionen des Landes Hessen in den Jahren 2005 und 2006 (Leo I und II) wurde ein Teil der Büroimmobilien des Landes Hessen in einem jeweiligen öffentlichen Bieterwettbewerb an private Investoren verkauft. Mit den erzielten, hervorragenden Ergebnissen konnten die Neuverschuldung reduziert werden und gleichzeitig wichtige Zukunftsinvestitionen, wie zum Beispiel im Schulwesen und in der Inneren Sicherheit, getätigt werden. Dagegen wurde in diesem Herbst der Verkauf von Leo III gestoppt, als sich - aufgrund der internationalen Immobilienkrise - abzeichnete, dass die Angebote für das Land wirtschaftlich nicht akzeptabel sein würden.

Im Frühjahr dieses Jahres wurde das Hochschulbauprogramm "Heureka" von der Hessischen Landesregierung beschlossen. Mit der entsprechenden Zustimmung des Hessischen Landtags wird das Land Hessen bis 2020 insgesamt drei Milliarden Euro in die Sanierung und den Neubau der hessischen Hochschulen investieren. Hessen wird damit in diesem deutschlandweit einmaligen Programm zum modernsten Hochschulstandort Deutschlands ausgebaut. Public Private Partnership (PPP) in Hessen bringt zusätzliche Inhalte in die Debatte, wie das Land Hessen seinen Immobilienbedarf wirtschaftlich decken und wie dies dauerhaft effizient erreicht werden kann. Damit ist PPP eine mögliche weitere Beschaffungsvariante neben dem herkömmlichen Eigenbau, die im Einzelfall durch den Wirtschaftlichkeitsvergleich geprüft wird.

Landeseigene PPP-Projekte unterschiedlicher Größe

Seit 2004 hat das Land Hessen landeseigene PPP-Pilotprojekte im Hochbaubereich identifiziert und auf den Weg gebracht. Die ersten beiden Pilotprojekte "Finanzzentrum Kassel-Altmarkt" (Gesamtinvestitionskosten: 37 Millionen Euro) und "Justiz- und Verwaltungszentrum Wiesbaden - gemeinsam mit der Stadt Wiesbaden" (128 Millionen Euro) konnten bereits im Herbst 2006 beziehungsweise Frühjahr 2007 erfolgreich an die jeweilige Investorengruppe beauftragt werden.

Mit der Vertragsunterzeichnung der Ämter für Bodenmanagement in Limburg (zwölf Millionen Euro), Korbach (sechs Millionen Euro) im Oktober 2007 und Büdingen in diesen Tagen ist sodann die erste Staffel der Pilotprojekte abgeschlossen. Für das Polizeipräsidium Südosthessen (rund 100 Millionen Euro) laufen derzeit die Vorbereitungen. Auch wenn die Gesamtinvestitionskosten von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich sind, so konnten Effizienzvorteile der PPP-Variante im Vergleich zu der konventionellen Beschaffung von jeweils über zehn Prozent erzielt werden.

Kennzeichnend für die hessischen Pilotprojekte ist, dass sie als Mietmodelle mit Projektfinanzierung konzipiert sind. Für die Neubauten der Büroimmobilien wurden Investoren gefunden, die Planung, Bau, Betrieb, Finanzierung und Verwertung übernehmen. Das Land tritt als Mieter auf und kann danach - unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung - frei entscheiden, wie der Bedarf weiter gedeckt werden soll.

Hessen ist mit der Durchführung der oben genannten Pilotprojekte im Hochbaubereich bundesweit führend. Wir realisieren diese Projekte auch, um in kurzer Zeit eigene praktische Erfahrungen zu sammeln, Möglichkeiten zur Standardisierung und Optimierung zu identifizieren und diese landeseigenen Erfahrungen als Empfehlung an die Kommunen und im Bund weiterzugeben.

Wie die Pilotprojekte zeigen, ist der Erfolg eines PPP-Projektes im Wesentlichen von einer interessengerechten und fairen Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abhängig. Grundsätzlich gilt bei PPP, dass derjenige das Risiko trage, der es am besten beeinflussen kann. Zum Beispiel hat in der Regel der Private das Bau- und Betriebsrisiko zu übernehmen.

Das Nachfragerisiko sollte dagegen bei der öffentlichen Hand bleiben. Gleiches gilt auch für das Risiko einer Umsatzsteuererhöhung oder wesentlicher Änderungen der technischen Bestimmungen, die der Private über eine Laufzeit von 30 Jahren nicht zuverlässig kalkulieren kann. Natürlich liegt eine ausgewogene Risikoverteilung auch im Interesse des öffentlichen Auftraggebers, da Risiken in den Angeboten der Bieter einkalkuliert werden und sich somit unmittelbar im Preis niederschlagen.

Risikoverteilung - entsprechend der Verschuldungskriterien

Das Thema der Übertragung von Risiken von der öffentlichen Hand auf den privaten Partner ist eng verbunden mit der bundesweit geführten Diskussion über die Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften) hat im Jahr 2004 eine Empfehlung gegeben, wie öffentliche Aufträge, die im Rahmen von Partnerschaften mit Privaten abgeschlossen werden, in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu verbuchen sind.

Danach hat ein Vertrag dann keine Auswirkungen auf die Staatsverschuldung, wenn das Baurisiko und entweder das Ausfallrisiko oder das Nachfragerisiko auf den Privaten übertragen werden. Für die Landesprojekte wurde deshalb die Projektfinanzierung festgelegt, bei der der Private einen Teil der Risiken (Bau- und Ausfallrisiko) zu übernehmen hat. Das Finanzinstrument Forfaitierung mit Einredeverzicht kommt deshalb wegen dieser Eurostat-Kriterien für hessische PPP-Landesprojekte nicht in Frage.

Die Forderung an die privaten Partner, eine komplett privatwirtschaftliche Finanzierung, das heißt ohne jegliche Haftungsübernahme durch das Land Hessen, sicherzustellen, hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Verträge und das Verhandlungsverfahren für alle Beteiligten. So wird die Finanzierungsleistung neben der Planung, dem Betriebskonzept und der Wirtschaftlichkeit - dem Wettbewerb unterstellt. Als Auftraggeber profitieren wir von der umfangreichen Due Dilligence der einzelnen Projekte, die vor Abgabe einer endgültigen Finanzierungsbestätigung durch die Banken durchgeführt wird.

Wie unsere Erfahrungen zeigen, haben sowohl die öffentlichen als auch die privaten Banken in Deutschland ein hohes Interesse daran, ihr Geschäftsfeld auch auf PPP-Projekte zu erweitern. Mit der Übernahme und Begrenzung von Risiken leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Gelingen von PPP-Projekten.

Die hessischen PPP-Pilotprojekte zeigen, dass diese Form der Partnerschaft im Bereich des öffentlichen Hochbaus eine interessante und wirtschaftliche Beschaffungsvariante für den öffentlichen Auftraggeber sein kann. Angesichts der Chancen insbesondere auch für die Kommunen, mit PPP-Projekten in geeigneten Fällen zu einer zeitnahen und effizienten Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur zu gelangen und somit die Standortattraktivität zu erhöhen, wird sich PPP auch in anderen Bereichen der öffentlichen Infrastruktur, wie zum Beispiel im Krankenhauswesen und Verkehrswegebau, verstärkt entwickeln.

Hierfür ist es notwendig, dass die Rahmenbedingungen optimiert werden und durch eine weitere Standardisierung in den Abläufen und Verträgen die Transaktionskosten auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite deutlich gesenkt werden können. Gleichzeitig gilt es, das vorhandene private Kapital in nennenswertem Umfang in solche partnerschaftlichen Modelle zu lenken. Verstärkt werden auch geeignete Finanzierungskonzepte für kleinere Projekte mit mittelständischen Bietern gefragt sein.

Partnerschaften weiter entwickeln

Neue Impulse für eine bundesweite Professionalisierung verspricht auch die Initiative der IFD (Initiative Finanzplatz Deutschland), die sich für die Gründung der gemischtwirtschaftlichen "Partnerschaften Deutschland Gesellschaft (PDG)" einsetzt. Sie soll bei geplanten PPP-Vorhaben bundesweite Unterstützung für die Länder und Kommunen anbieten und die bundesweite Standardisierung vorantreiben.

Hessen mit dem bundesweit wichtigsten Finanzzentrum Frankfurt kommt bei der weiteren Entwicklung von PPP in Deutschland und in Europa eine tragende Rolle zu. Dies hat die Hessische Landesregierung erkannt. Neben der Einrichtung eines PPP-Kompetenzzentrums im Finanzministerium (2005) und der konsequenten Realisierung von eigenen, geeigneten PPP-Projekten setzt sich die Landesregierung auch auf Bundesebene für eine weitere Stärkung der Impulse für Public Private Partnerships ein.

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