Bewertungsfragen

Ermittlung von Tenant Sales und Vacant Possession Price

In den letzten Jahren wurden in erheblichem Maße Wohnungsbauunternehmen durch angelsächsische Finanzinvestoren erworben, und die Frage, weshalb diese ausländischen Erwerber mehr als die deutschen Investoren bieten können, wird diskutiert. Werden die Maßnahmen nach Erwerb beobachtet, so wird eine identische Wertschöpfungsstrategie offenbar: Nach dem Erwerb der Wohnungsbauunternehmen werden Wohnungen in kleineren Einheiten im Vergleich zu dem Einstandspreis zu höheren Preisen verkauft.

Im Rahmen dieser auch als Discount Deal bezeichneten Wertschöpfungsstrategie spielt die Mieterprivatisierung, also der Verkauf von Wohnungen an die bisherigen Mieter eine prominente Rolle.1) Im Folgenden soll die Preisfindung im Rahmen der Mieterprivatisierung beleuchtet werden, die offensichtlich einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Wertschöpfung spielt.

Segmentierung der Käufergruppe

Unter Mieterprivatisierung wird die Veräußerung von Wohnungseigentum an Privatpersonen, die diese Wohnungen zur eigenen Nutzung erwerben möchten, verstanden. Unterschieden werden kann dabei zwischen den bisherigen Mietern und anderen Eigennutzern, die bisher auch zur Miete gewohnt haben und die Wohnung erwerben.2) Aufgrund des nach § 577 BGB bestehenden Vorkaufsrechts der Mieter im Falle einer Aufteilung von vermietetem Wohnraum in Wohnungseigentum, stellen die derzeitigen Mieter im ersten Schritt die vorrangige Erwerbergruppe dar. Wohnungen, die fluktuationsbedingt leerstehen, können darüber hinaus auch an Eigennutzer veräußert werden, da in diesem Fall das Vorkaufsrecht nicht anwendbar ist.3)

Grundsätzlich wird sich ein Erwerber an den Marktpreisen für vergleichbare Objekte orientieren, um zu bewerten, ob der ihm angebotene Preis als fair zu erachten ist. Darüber hinaus spielt aber auch seine augenblickliche finanzielle Belastung als Mieter eine erhebliche Rolle, da die aus der zukünftigen Fremdfinanzierung resultierende finanzielle Belastung, die bisherige Belastung als Mieter unterschreiten beziehungsweise diese nur in vertretbarer Weise überschreiten sollte.

Diese Sichtweise wird durch die finanzierende Bank verstärkt, die zunächst einmal davon ausgeht, dass ein Mieter der seine bisherige Miete ohne Rückstände gezahlt hat, einen Kapitaldienst in gleicher Höhe ebenfalls wird zahlen können. Somit fließen einerseits die bisherigen Mieten als Referenzgrößen und andererseits die künftigen Alternativbelastungen eines Wohnungseigentümers in die Überlegungen des Mieters ein. Hierzu zählen der Kapitaldienst, Kosten der Wohnungseigentumsverwaltung sowie gegebenenfalls Instandhaltung.4)

Die Orientierung an der bisherigen finanziellen Belastung des Mieters zur Bemessung des akzeptablen Kaufpreises erscheint in der neo-klassischen Investitionstheorie unberechtigt und kann mit den hier vorgeschlagenen Instrumenten der Investitionsentscheidung nicht hinreichend begründet werden. Die Theorie des Behavioural Finance bietet mit dem Konzept des Anchoring hingegen einen Erklärungsansatz für dieses Verhalten. Als Anchoring wird die Heuristik bezeichnet, in der ein Schätzwert ausgehend von einem Anfangswert - häufig auf Basis historischer Erfahrungen adjustiert wird.5) Dabei sind die Adjustierungen typischerweise unzureichend. Bezogen auf die Schätzung von möglichen Kaufpreisen für Wohnungseigentum, dient dabei die augenblickliche finanzielle Belastung als Ankerpunkt für die Schätzung zukünftig möglicher finanzieller Belastungen.

Insofern ist der für einen Erwerber zur Eigennutzung akzeptable Kaufpreis für Wohnungseigentum in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen wird der Erwerber keinen Kaufpreis akzeptieren, welcher höher ist als der Preis für vergleichbares Wohnungseigentum und zum anderen wird er sich an seiner bisherigen finanziellen Belastung aus dem Mietverhältnis orientieren, um die möglich tragbare finanzielle Belastung aus dem Kapitaldienst zu schätzen und hierdurch den maximal möglichen Kaufpreis abzuleiten.

Einflussfaktoren auf die Belastung der Erwerber

Eine wesentliche Komponente, die der bisherige Mieter oder mietende Eigennutzer nicht tragen musste, ist der sich aus Zins- und Tilgungsanteil zusammensetzende Kapitaldienst, dessen Höhe von dem Eigenkapitalanteil am Kaufpreis, der geplanten Laufzeit der Finanzierung sowie der Höhe des aktuellen Zinssatzes abhängt.

Im Rahmen der Bewirtschaftung der Wohnung werden Mieter und Eigennutzer aufgrund der zum Teil nicht gegebenen Umlagefähigkeit der Bewirtschaftungskosten in unterschiedlicher Höhe belastet. In der Tabelle wird die unterschiedliche Belastung anhand eines Beispiels dargestellt.

Als Betriebskosten werden nach § 27 II. BV solche Kosten bezeichnet, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Wohnungsbestandes laufend entstehen. In Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV werden die Betriebskosten abschließend aufgezählt. Diese Kosten sind grundsätzlich umlagefähig, das heißt grundsätzlich unterscheidet sich die Kostenbelastung von Eigentümer und Vermieter nicht.

Zu den nicht umlagefähigen Betriebskosten zählen zum Beispiel Heizkosten, die aufgrund fehlender technischer Einrichtungen nicht verbrauchsabhängig im Sinne des § 7 HeizKV auf die Mieter verteilt werden können. Diese nicht umlagefähigen Betriebskosten sind jedoch von dem Eigentümer zu tragen, so dass im Falle des Erwerbs die Belastung des Erwerbers um die Höhe nicht umlagefähigen Betriebskosten höher ist.

Gemeinschaftseigentum und Wohnungsverwalter

Aufgrund der Aufteilung des Wohnungsbestandes in Mietwohnungen und Wohnungseigentum, ist dieses Wohnungseigentum durch einen von der Eigentümerversammlung bestellten Verwalter zu verwalten. Dieser übernimmt nach § 27 Abs. 1 und 2 WEG insbesondere die Koordination der Instandhaltungsmaßnahmen, der Verwaltung der Gelder der Wohnungseigentumsgemeinschaft sowie der Abrechnung der Hauskosten.

Diese Aufgaben des Verwalters können nach § 27 Abs. 3 WEG auch nicht durch die Eigentümergemeinschaft entzogen werden, so dass eine gegebenenfalls Kosten sparende Selbstverwaltung nicht möglich ist. Damit entstehen unweigerlich Kosten der Verwaltung, die nach § 16 Abs. 2 WEG von den Wohnungseigentümern anteilig nach dem Verhältnis ihres Anteils zu tragen sind.

Die Wohnungseigentümer sind nach § 16 Abs. 2 WEG verpflichtet, neben den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums und der Verwaltung auch die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung nach dem Verhältnis ihres Anteils zu tragen. Um die unregelmäßig anfallenden Kosten zu glätten, sieht § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage vor.

Ermittlung der Belastung des Erwerbers

Die gesuchte Belastung des Erwerbers entspricht der Kaltmiete des bisherigen Mieters, die in der Gleichung 1.1 zusammengefasst wird. Die Belastung des Erwerbers setzt sich in einer Periode aus den bereits beschriebenen Komponenten Kapitaldienst in Abhängigkeit von dem gezahlten Kaufpreis, Instandhaltungsrücklagen, Verwaltungskosten, nicht umlagefähige Betriebskosten sowie gegebenenfalls der Eigenheimzulage zusammen (Gleichung 1.2).

Zur Ermittlung der Grenzbelastung des Mieters unter Berücksichtigung einer gegebenenfalls bestehenden Bereitschaft zum Erwerb des Eigenheims eine höhere Belastung in Kauf zu nehmen, sind die Belastung bei Miete und Belastung bei Erwerb zuzüglich des in Kauf nehmbaren Zuschlags zur Kaltmiete gleichzusetzen (Gleichung 1.3). Der gesuchte Kaufpreis kann dabei in Abhängigkeit der Miete in der Periode 1, des Mietmultiplikators und der Wohnfläche dargestellt werden (Gleichung 1.4).

Wird der Kaufpreis in der Gleichung zur Bestimmung der Belastung des Erwerbers durch die zuvor genannte Kaufpreisgleichung substituiert und wird die Gleichung nach Mietmultiplikator aufgelöst, so ermittelt sich der den Grenzpreis bestimmende Mietmultiplikator wie in Gleichung 1.5.Dieser so ermittelte Kaufpreis je Quadratmeter kann zur Ermittlung des jeweiligen Grenzpreises durch Einsetzung der entsprechenden Variablen eingesetzt werden. Hierbei ist zu beachten, dass dieser Preis lediglich einen rechnerischen Grenzpreis darstellt und des Marktvergleiches bedarf. Der aus Sicht des Mieters oder Eigennutzers akzeptable Erwerbspreis wird durch den belastungsäquivalenten Erwerbspreis repräsentiert, der jedoch nicht durch den Marktpreis unterschritten werden darf.

Definition des Tenant Sales und Vacant Possession Prices

Bezüglich der beiden Käufergruppen - Mieter und Eigennutzer - können unterschiedliche Grenzpreise ermittelt werden, da Mieter und Eigennutzer unterschiedliche Mietniveaus als Referenzgröße betrachten. Für die Ermittlung des Mieterverkaufspreises, des so genannten Tenant Sales Prices, stellt die gegenwärtig gezahlte Kaltmiete die Ausgangsgröße für weitere Überlegungen dar. Der Eigennutzer orientiert sich hingegen eher an der Marktmiete, was entsprechend bei der Ermittlung des Vacant Possession Prices zu berücksichtigen ist.6)

Nach § 194 BauGB ist der Verkehrswert definiert als "Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre."

Grenzkaufpreise lassen sich mathematisch ermitteln

Maßgebliches Kriterium für die Bemessung des Verkehrswertes ist der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis. Mit dem Begriff "gewöhnlichen Geschäftsverkehr" wird der Handel auf einem freien Markt beschrieben, bei dem allein objektive Maßstäbe preisbestimmend sind.7)

Gerade dieser Umstand gilt jedoch nicht im Falle der Mieterprivatisierung, da hier vielmehr die persönlichen Verhältnisse des Mieters oder Eigennutzers wie zum Beispiel die zuletzt gezahlte Miete eine wesentliche Rolle spielen. Aus diesem Hintergrund handelt es sich bei den Tenant Sales Prices und Vacant Possession Prices nicht um Verkehrswerte im Sinne der Definition des § 194 BauGB.

Im Rahmen der Mieterprivatisierung erfolgt die Veräußerung des geschaffenen Wohnungseigentums an Mieter und Eigennutzer, wobei erster aufgrund des bestehenden Vorkaufsrechtes bei der Umwandlung in Wohnungseigentum Vorrechte haben. Die Kaufpreisgestaltung für diese beiden Käufergruppen erfolgt mit der Überlegung, dass die nach dem Erwerb resultierende Belastung des Erwerbers aus dem Kapitaldienst und den bisher nicht zu tragenden Bewirtschaftungskosten aufkommensneutral zu der vormals geleisteten Miete sein sollte.

Da für den bisherigen Mieter die derzeitig gezahlte Miete relevant ist und für den Selbstnutzer die augenblickliche Marktmiete von Bedeutung ist, wird zwischen dem Mieterverkaufspreis (Tenant Sales Price) und dem Selbstnutzerkaufpreis (Vacant Possession Price) unterschieden. Diese Preise entsprechen nicht einem Verkehrswert im Sinne des § 194 BauGB, da bei der Ermittlung die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers im Mittelpunkt stehen.

Unter Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Überlegungen lässt sich eine mathematische Gleichung entwickeln, mit der unter Berücksichtigung der relevanten Einflussfaktoren ein Grenzkaufpreis aus Sicht der jeweiligen Käufergruppe errechnet werden kann.

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