Bewertungsfragen

Erwerb eines Immobilienportfolios und Abbildung im IFRS-Abschluss

Nicht nur für die Bewertung von Unternehmen, auch für die Bewertung von Immobilienportfolios gilt, dass der "einzig wahre und objektiv richtige" Wert nicht existiert; vielmehr sind Werte regelmäßig durch individuelle Nutzenerwägungen geprägt. Eine, wenn nicht die herausragende Bedeutung für jede Bewertung liegt in der Beachtung der Bewertungsregeln, welche die Ermittlung des Wertes maßgeblich bestimmen.

Bewertung von Investment Property

Werden Werte für bilanzielle Zwecke ermittelt, so geben die Normen des Bilanzrechts die Grenzen der zulässigen Interpretation des Bewertungsmaßstabs vor. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Ermittlung des Fair Value von Investment Property im Sinne des IAS 40.

- So schreibt IAS 40 bei Investment Property zwingend vor, Einzelwerte und damit Fair Values der einzelnen Objekte zu ermitteln. Entsprechend können zur Bewertung nur Methoden zur Anwendung gelangen, die der (gesetzlichen) IFRS-Zwecksetzung entsprechen und zur Bestimmung von Einzelwerten geeignet sind.

- Während im Anschaffungszeitpunkt Transaktionskosten aus Gründen der Wahrung der Erfolgsneutralität des Zugangsvorgangs aktiviert werden, sind diese Transaktionskosten des Erwerbers nicht Bestandteil des Fair Value im Anwendungsbereich des Fair-Value-Modells des IAS 40, stellen diese Transaktionskosten doch kein Vermögen dar und sind auch nicht Bestandteil des Austauschbetrages im Sinne des IAS 40.5.

Die Liste der gesetzlichen Vorgaben, deren Kenntnis und Beachtung zur Interpretation des Fair-Value-Begriffs heranzuziehen ist, ließe sich weiter fortsetzen; allein zeigen diese Beispiele, dass der Fair Value als Rechtsbegriff zu interpretieren ist und nicht etwa einer ökonomischen Interpretation unterworfen werden darf.

Auch für die Bilanzierung des Erwerbs von Immobilienportfolios im Konzernabschluss - und nur dieser soll im Folgenden behandelt werden - ist entsprechend der rechtliche Rahmen der IFRS maßgebend; dabei ist zu beachten, dass Portfolios regelmäßig zu einem Preis gehandelt wurden und gehandelt werden, der nicht einfach der Summe der Fair Values der einzelnen Immobilien entspricht. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Synergien, Portfoliozuschläge, Anlagedruck in Niedrigzinsphasen, Mengen- oder Risikoabschläge sowie schlichte Marktübertreibungen. All diese Faktoren können zur Erklärung der Frage angeführt werden, warum die Summe der Einzelwerte der Assets (bewertet zum Fair Value) und der Portfoliowert in nahezu allen Fällen divergieren.

Es ist zu betonen: Bilanziell sind nicht die individuellen Zwecksetzungen, die dem Portfolioerwerb zugrunde lagen, sondern die gesetzlichen Zwecksetzungen und die zur Gewährleistung des Gesetzeszweckes erlassenen Normen allein maßgebend. Entsprechend geben diese Normen auch die Abgrenzung des Bewertungsobjekts - das einzelne Investment Property - vor.

Erwerb eines Immobilienportfolios im Konzernabschluss

Für die Frage, wie ein Portfolioerwerb zu behandeln ist, ist in erster Linie die Norm des IFRS 3 heranzuziehen. IFRS 3 behandelt die Bilanzierung und Darstellung von Unternehmenszusammenschlüssen. Hierbei unterscheidet IFRS 3 in der Bilanzierung, ob mittels des Erwerbs des Portfolios auch ein Business (Geschäftsbetrieb) erworben wurde oder nicht. Doch wie sind nun Akquisitionen von Immobilienportfolios zu behandeln?

Im Folgenden soll zunächst die Frage betrachtet werden, ob im Rahmen der Portfolioakquisition - sei es nun der vollständige Erwerb (100 Prozent) des Eigentums am Portfolio im Rahmen eines Share Deals oder eines Asset Deals - ein Business erworben wurde oder nicht. Denn aus Sicht des IFRS-Konzernabschlusses - und nur dieser wird im Folgenden betrachtet - kommt es nicht auf die zivilrechtliche Ausgestaltung des Kaufvertrages (Share oder Asset Deal) an, sondern allein darauf, ob mittels der Akquisition ein Business erworben wurde. Bei Erwerb eines Business ist IFRS 3 einschlägig und neben den identifizierbaren Vermögenswerten und Schulden wird gegebenenfalls ein Goodwill aktiviert. Im IFRS-Konzernabschluss werden bei den vorgestellten Fällen eines 100-prozentigen Erwerbes auch bei einem Share Deal nicht die Anteile am erworbenen Unternehmen bilanziert, sondern die erworbenen Vermögenswerte und Schulden. Damit stellt sich bei einer Akquisition eines Portfolios immer die Frage der Bestimmung der Anschaffungskosten der einzelnen Assets im Zugangszeitpunkt.

Erwerb eines Business Nach der Definition des IFRS 3 (Revised 2008, EU Endorsement noch ausstehend) ist ein Business ein "integrated set of activities and assets that is capable of being conducted and managed for the purpose of providing a return in the form of dividends, lower costs or other economic benefits directly to investors or other owners, members or participants."

Neben Inputfaktoren (Immobilien) und der Möglichkeit zur Erwirtschaftung von Outputfaktoren müssen für das Vorliegen eines Business somit im Wesentlichen Prozesse (zum Beispiel Verfahren zur zielgerichteten unternehmerischen Nutzung) vorhanden sein, was bei Immobilientransaktionen das entscheidende Kriterium für das Vorliegen eines Business sein dürfte. Die Entscheidung, ob ein Business erworben wurde oder nicht, kann nur anhand der jeweiligen Umstände im Einzelfall getroffen werden. Als Hinweise für das Vorliegen eines Business können beispielsweise die folgenden Sachverhalte dienen:

- Mit dem Portfolio übertragen wird eine einheitliche Mietvertragsgestaltung, die integrierte Investitionsplanung für das Portfolio und der abgestimmte Außenauftritt als fester Bestandteil der Transaktion.

- Bei unbebauten Grundstücken werden der Bereich Projektentwicklung und die bestehenden Development-Konzepte sowie die schon getroffenen Mietvereinbarungen bei Fertigstellung zusammen mit den Grundstücken übertragen. Zweck der Unterscheidung, ob ein Business erworben wurde oder nicht, ist sowohl die vollständige Erfassung sämtlicher immaterieller Vermögenswerte (insbesondere des Goodwills) als auch die bilanzielle Trennung von materiellen und immateriellen Assets. Mit Erwerb eines Goodwills zeigt der Käufer des Portfolios, dass er einen Mehrwert mit den übertragenen Aktivitäten und Assets verbindet.

Für die bilanzielle Abbildung der Portfoliotransaktion geben die IFRS vor, wie die Bewertung zu erfolgen hat. Soweit die Übertragung eines Business vorliegt, richtet sich die Bewertung nach IFRS 3.18, wonach die identifizierbaren Vermögenswerte zu ihren zu dem nach IFRS maßgeblichen Zeitpunkt gültigen Fair Values zu bilanzieren sind. Damit sind die einzelnen Investment Properties im Sinne des IAS 40 Gegenstand der Bewertung. Hiervon ausgenommen sind die nach IFRS 5 zu bilanzierenden Vermögenswerte.

Der Wert der einzelnen Assets wird beim Erwerb eines Business nicht durch die Höhe des individuell vereinbarten Kaufpreises beeinflusst. Vielmehr ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Kaufpreises zu den neu bewerteten Vermögenswerten, Schulden und Eventualschulden gegebenenfalls ein Unterschiedsbetrag, dessen Behandlung sich wiederum nach IFRS 3.32 ff. richtet. Dieser Unterschiedsbetrag kann aus positiven Zukunftserwartungen oder aus irrtümlich gezahlten Überpreisen resultieren. Entsprechend ist im Fall des Erwerbes eines Portfolios gegebenenfalls ein Goodwill auszuweisen oder ein negativer Unterschiedsbetrag festzustellen und gemäß IFRS 3.34 ff. zu behandeln.

So entfaltet die Fair-Value-Bewertung der einzelnen Assets direkte Wirkung auf die Höhe eines etwaigen Goodwills. Dies unterstreicht, dass aufgrund der Kaufpreiszahlung nicht direkt auf die Höhe der Fair Values der Einzelobjekte geschlossen werden kann.

Erwerb eines Portfolios ohne Business

Wird ein Portfolio, welches kein Business beinhaltet, für einen einheitlichen Kaufpreis erworben, so stellt sich auch hier die Frage nach der Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Vermögenswerte und Schulden. IAS 40 enthält keine eigenständige Vorschrift zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises beim Erwerb eines Portfolios. Entsprechend ist eine Interpretation nach IAS 8.11 unter Rückgriff auf andere Standards vorzunehmen. Hier ist auf die Vorschrift des IFRS 3.2 zu verweisen, die beim Erwerb einer Gruppe von Vermögenswerten eine Aufteilung auf der Grundlage ihrer relativen beizulegenden Zeitwerte zum Erwerbszeitpunkt vorsieht. Hierdurch wird dem Grundsatz der Erfolgsneutralität der Zugangsbewertung entsprochen; eine Korrektur etwaig überhöhter Werte erfolgt gegebenenfalls im nächsten Jahresabschluss.

Mit dieser Vorgehensweise wird eine Anschaffungskostenzuordnung nach dem Verhältnis der Fair Values der einzelnen Vermögenswerte erreicht und damit eine objektivierte Kaufpreisaufteilung gesichert. So wird auch bei Erwerb eines Portfolios ohne Business ein etwaiger Überpreis in der Zugangsbewertung vollständig in den Anschaffungskosten erfasst. Erst in der Folgebewertung greift insofern ein Werthaltigkeitstest ein.

Damit kann der Zugangswert des Investment Property nach Aufteilung des Kaufpreises sowohl oberhalb als auch unterhalb des Fair Values liegen. Bei Investment Property gemäß IAS 40 heißt dies nichts anderes, als dass bei Anwendung des Fair-Value-Modells im ersten Reporting Date eine entsprechende GuVwirksame Anpassung auf den Fair Value der einzelnen Assets vorzunehmen ist. Bei Anwendung des At-Cost-Modells ist - jedenfalls bei hohen Aufschlägen auf den Fair Value - zu prüfen, ob ein Impairment Trigger im Sinne des IAS 36 vorliegt. Muss kein Impairment vorgenommen werden, so wird ein aufgeteilter Portfoliozuschlag über die planmäßige Abschreibung auf die einzelnen Perioden der Nutzung verteilt.

Umgang mit Portfoliozuschlägen

Fasst man die vorstehenden Ausführungen zusammen, so zeigt sich, dass bei Erwerb eines Business der Fair Value der einzelnen Assets den Zugangswert unter Geltung des Einzelbewertungsgrundsatzes determiniert und ein etwaig verbleibender positiver Unterschiedsbetrag im Konzernabschluss eine Abbildung jenseits der einzelnen Vermögenswerte erfährt.

Nicht in den Assets direkt begründete Übertreibungen des Marktes finden so keinen Eingang in den Fair Value der einzelnen Assets, sondern schlagen sich gegebenenfalls in einem Goodwill nieder. Dieses Verständnis der Portfolioakquisition unterstreicht die Tatsache, dass für die Einbeziehung von Portfoliozuschlägen (oder eine Reduktion aufgrund von Abschlägen) im Fair Value des einzelnen Assets gemäß IAS 40 kein Raum bleibt.

Dagegen kommt es bei der Portfolioakquisition ohne den Erwerb eines Business zum Ansatz von Buchwerten für das einzelne Investment Property oberhalb oder unterhalb des ermittelten Fair Value des einzelnen Objektes. Diese Abweichung vom Fair Value bleibt im At-Cost-Modell zunächst erhalten, wird aber in jedem Jahresabschluss der Überprüfung durch den Werthaltigkeitstest des IAS 36 unterworfen. Im Fair-Value-Modell des IAS 40 bewirkt die Bewertung zum Fair Value im ersten Jahresabschluss unmittelbar eine Veränderung des Vermögensausweises und gleichzeitig eine GuV-wirksame Erfassung dieser Vermögensveränderung.

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