Messebericht

Expo Real 2012: Qualität als Trumpf, Finanzierung als Joker

Wer Anfang Oktober nach München kommt, von dem darf mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es ihn auf den weit über die Grenzen hinaus bekannten Jahrmarkt zieht, wo er sich entweder als Schausteller präsentiert oder als Besucher die lokalen Wirtschaften kennenlernen will, dabei auch für allerlei Liquides einen hohen Preis zu zahlen bereit ist, solange es nur genügend Hochprozentiges enthält. Freche Zungen behaupten, dass es wohl kein Zufall sei, wenn ausgerechnet die internationale Immobilienwirtschaft sich alljährlich just zu dieser Zeit in der bayerischen Hauptstadt versammle, um sich auf ihrem eigenen "Oktoberfest" über lokale Märkte, Bewirtschaftung, Preise, Renditen und Möglichkeiten der Liquiditätsversorgung auszutauschen.

So fand nunmehr zum 15. Mal die internationale Fachmesse für Gewerbeimmobilien und Investitionen Expo Real in der Isar-Metropole statt. Und es kamen viele: Die Messe München bezifferte die Aussteller auf 1 700, was gegenüber den 1 610 des Vorjahres immerhin ein Plus von 5,6 Prozent ist, die mit zusammen 19 100 Repräsentanten in diesem Jahr auch 6,1 Prozent mehr Personal meldeten als im Vorjahr, als es noch 18 000 waren. Zudem zählte der Veranstalter während der drei Messetage 18 900 Fachbesucher, womit der Vorjahreswert von 19 000 annähernd erreicht wurde. Insgesamt erhöhte sich damit die Zahl der Teilnehmer um 2,7 Prozent von 37 000 im Vorjahr auf jetzt 38 000.

In dieser Entwicklung kann der Veranstalter natürlich eine wachsende Attraktivität der Messe sehen, weil sich ja ganz offensichtlich immer mehr Unternehmen entschließen, selbst auszustellen und mit mehr Mitarbeitern vor Ort zu sein. Hört man sich jedoch um, so zeigt sich, dass wohl eher wirtschaftliche Gründe die Verschiebung in der Teilnehmerstruktur bewirken. Zweifellos ist die Expo Real für die immobilienwirtschaftlichen Unternehmen sowie deren Dienstleister und Finanzierer hoch attraktiv und im internationalen Kongress- und Messe-Reigen die erste Wahl, doch leider auch eine zunehmend sehr teure.

In Zeiten, in denen alle Ausgabenposten intensiver als früher geprüft und auf ihr Verhältnis zum Nutzen hin zu beurteilen sind, wird Gemeinschaftsständen der Vorzug vor dem Individualstand gegeben. Zumal die dazu gehörende Standmannschaft günstigeren Eintritt hat und durchaus im Laufe der drei Messetage wechseln kann. Überhaupt stellen sich zahlreiche Unternehmen schon die Frage, ob es denn immer ein 3-Tages-Ticket sein muss, wenn sich auch in Kundenveranstaltungen außerhalb der Messehallen noch zu Gesprächen und Geschäften getroffen werden kann. Es gibt durchaus Veranstaltungen der Branche, deren Attraktivität unter anderem durch zu ambitionierte Preisvorstellungen gelitten hat.

Insgesamt aber gibt es viel Lob von den Teilnehmern, denn nach wie vor kann die Expo Real mit ihrem größten Pfund wuchern: Eine effiziente Kontakt- und Arbeitsmesse zu sein, die sich weder im Klein-Klein verliert, noch zum Schaulaufens der Schaumschläger aufbläst.

Daher ist es kein Makel für die Messe, wenn die offiziell höhere Teilnehmerzahl in den Gängen und Ständen kaum spürbar gewesen ist. Aber vielleicht lag das auch nur daran, weil die enge Taktung der Termine so manchen Entscheider in seinem Besprechungsraum gefangen hielt.

Zwar dominierten auch in diesem Jahr wieder die deutschen Teilnehmer, doch wurden insgesamt weitere 71 Besucherländer gezählt. Unter den ausländischen Gästen stellte Großbritannien die größte Gruppe, gefolgt von den deutschen Nachbarländern Österreich, den Niederlanden, Polen, Frankreich, der Schweiz und der Tschechischen Republik. Aber auch die Russische Föderation und die USA gehörten zu den zehn größten Teilnehmernationen. Damit nehmen die Veranstalter für sich durchaus in Anspruch, mit der Expo Real eine internationale Netzwerk-Plattform zu bieten.

Politik und Prominenz

15 Jahre hat es gedauert, bis auch die Bundespolitik auf die Expo Real aufmerksam wurde. Mit Peter Ramsauer eröffnete erstmals ein Bundesbauminister die Veranstaltung.

"Die Immobilienbranche ist für Deutschland besonders wichtig. Sie ist eine tragende Säule unserer Wirtschaftskraft und sorgt für Investitionen und Arbeitsplätze. Immobilien machen den weitaus größten Anteil am deutschen Anlagevermögen aus. Die Expo Real als größte Fachmesse für Immobilien Europas ist damit eine zentrale Plattform für die Wirtschaft in Deutschland", ließ der Bundesminister die Teilnehmer wissen.

Dass das Gewicht der Immobilienwirtschaft politisch und öffentlich kaum wahrgenommen wird, hat seine Ursachen auch in einer fragmentierten Verbandslandschaft. So lobte auch Ramsauer bei seinem Messerundgang, dass mit der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft der Immobilienwirtschaft Deutschlands (BID) erneut ein Versuch unternommen wird, die Kooperation und Kommunikation in der deutschen Immobilienwirtschaft zu intensivieren. In der BID sind die Verbände BFW, BVI, DDIV, GdW, IVD, vdp, VGF und ZIA zusammengeschlossen.

Für die neue Dachorganisation wird es jetzt darauf ankommen, die gemeinsamen Interessen der Branche zu identifizieren und geschlossen - auch gegenüber den politischen Entscheidern - zu artikulieren. Ihre nächste Bewährungsprobe könnte die sogenannte Sanierungs-AfA sein, also die steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen bei Gebäuden. Diese hängt derzeit im Vermittlungsausschuss fest, ohne dass sich eine Einigung mit den SPD-geführten Bundesländern abzeichnet, wie Ramsauer einräumte.

Märkte und Tendenzen

Trotz und auch wegen anhaltenden Problemen bei der Stabilisierung von Europas Staatsfinanzen und Banken und den ernüchternden Konjunkturdaten für die Eurozone und Nordamerika sind Immobilien derzeit noch gefragte Zufluchtsorte für internationales Kapital. Allein im 3. Quartal 2012 tätigten global agierende Investoren Transaktionen im Gesamtvolumen von 96 Milliarden US-Dollar, wie Jones Lang Lasalle errechnet hat. Im Vorquartal waren es allerdings noch 106 Milliarden US-Dollar gewesen. Der Makler sieht die Performance der etablierten Märkte in den USA, Großbritannien, Deutschland oder Australien nach wie vor als stabil an. Arthur de Haast, Leiter der International Capital Group bei Jones Lang Lasalle erklärt dazu: "Investoren setzen ihr Kapital in sicheren Märkten ein, die charakterisiert sind durch eine höhere Liquidität und geringere Risiken.

Damit bleiben die Investoren seiner Einschätzung nach vorsichtig, obwohl aufgrund der expansiven Geldpolitik in allen großen Volkswirtschaften enorme Kapitalmengen nach Anlagemöglichkeiten - vor allem in Immobilien - suchen. Gefragt sind fast ausschließlich erstklassige Objekte, gleichzeitig würden sich jedoch die Kaufverhandlungen für diese Liegenschaften immer länger hinziehen. Dass dabei in Europa vor allem Deutschland unverändert im Fokus der Anleger steht, erwies sich für die diesjährige Expo Real durchaus als zugkräftig.

Nach Analysen von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) summierten sich die Investitionen in deutsche Gewerbeimmobilien während der ersten drei Quartale 2012 auf rund 15 Milliarden Euro. Diesen Rückgang um gut 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erklärt Sven Stricker, Head of Investment Germany bei BNPPRE vor allem mit Unsicherheiten über den Fortgang der Währungskrise, die vor allem im zweiten Quartal zu einem schwächeren Investitionsgeschehen führte. "Nach dem ESM-Entscheid des Bundesgerichtshofs überwiegt nun zwar wieder die Zuversicht und eine höhere Investitionsbereitschaft, doch mangelt es an den gefragten Core-Produkten", ergänzt er. Noch sei auch nicht erkennbar, dass die Anleger hinsichtlich ihrer Qualitätsanforderungen Kompromisse eingehen würden.

So stammen 40 Prozent des bis Ende des dritten Quartals in deutsche Gewerbeimmobilien angelegten Kapitals von sicherheitsorientierten Investoren, wie der Maklerverbund Colliers International ermittelte. Offene Immobilienfonds sowie Immobilien-Spezialfonds legten insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro an, Geschlossene Immobilienfonds folgen mit 1,8 Milliarden Euro.

Dass Privatanleger für immerhin etwa 1,7 Milliarden Euro Liegenschaften erwarben, zeigt für Andreas Trumpp, Head of Research bei Colliers International, Deutschland, in welcher hohen Gunst die Immobilien im Vergleich zu alternativen Anlagemöglichkeiten stehen.

Sicherheit vor Rendite

Dabei kommen zwei von drei Investoren aus Deutschland, während vor allem US-amerikanische und britische Investoren aufgrund der ungewissen Perspektiven des Euro zurückhaltender geworden sind. Dagegen stiegen die Investitionen kontinentaleuropäischer Investoren im bisherigen Jahresverlauf um acht Prozent auf etwa 2,6 Milliarden Euro, sodass ihr Anteil inzwischen 18 Prozent ausmacht. "Gerade Investoren aus anderen Euro-Ländern suchen hierzulande vermehrt nach Investitionsgelegenheiten, um von der wirtschaftlichen Stärke und Sicherheit Deutschlands zu profitieren", berichtet Marcus Lemli, Deutschlandchef bei Savills. "Sie werden den Deutschland-Anteil an ihren Portfolios auch künftig deutlich erhöhen", erwartet er. Zwar ist die Nachfrage nach Top-Objekten unverändert groß, doch sind die Investoren anders als vor der Finanzmarktkrise nicht bereit, für die raren 1a-Lagen "Liebhaberpreise" zu zahlen. Entsprechend stabil entwickeln sich die Spitzenrenditen für erstklassige Büroimmobilien. Dabei haben München und Hamburg mit jeweils unter fünf Prozent Top-Rendite die teuersten Standorte. In Berlin, Stuttgart, Düsseldorf und Frankfurt am Main liegen die Spitzenrenditen jeweils leicht über fünf Prozent.

Aufgrund der Produktknappheit in den A-Städten weichen nach Informationen der Makler einige Investoren auf wirtschaftsstarke Regionalmärkte aus. Hier wuchs das Transaktionsvolumen um 18 Prozent. Generell, so konstatiert Savills, wächst bei Investoren die Bereitschaft, Abstriche bei der Mietvertragslaufzeit oder der Objektqualität zu akzeptieren, solange die Lage als uneingeschränkt wettbewerbsfähig gilt. Auch für opportunistische Investitionen sei durchaus Investoreninteresse vorhanden, doch lägen hier die Preisvorstellungen auf Käufer- und Verkäuferseite noch zu oft zu weit auseinander. Einig sind sich die Makler in ihrem Marktoptimismus: Bis Ende 2012 erwarten sie, die zu Jahresbeginn gegebene Prognose des Investitionsvolumens von über 20 Milliarden Euro erreichen zu können.

Produkte und Neuheiten

Zwar gewinnen Immobilien für institutionelle Investoren als Anlagealternative an Bedeutung, doch wird der Spagat zwischen hoher Sicherheit und auskömmlicher Rendite auch hier zunehmend schwieriger. Core-Objekte werden stark nachgefragt bleiben, weil sich die institutionellen Investoren mit diesen Objekten in der Regel sehr gut auskennen. Entsprechend hoch sind jedoch die Multiplikatoren. Um ihre Renditeversprechen gegenüber den Kunden zu erfüllen, sind Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerke zunehmen bereit, auch abseits des Core-Segments nach Investmentchancen zu suchen. "Es gibt einen klaren Trend zu spezialisierten Anlagestrategien", erläutert Georg Reul, Vorsitzender der Geschäftsführung der KGAL. Ob Einzelhandelsimmobilien in B-Städten oder Parkhäuser, Wohnungen oder Fachmarktzentren - die institutionellen Investoren erweitern ihren Anlagefokus, wenn sie von einem etablierten und im jeweiligen Markt kundigen Asset Manager begleitet werden.

Mit einem Spezialfonds will der Asset Manager MGPA besonders deutschen institutionellen Anlegern Zugang zu den asiatischen Immobilienmärkten verschaffen. Die hohe Dynamik in den Zielmärkten Hongkong, Singapur, Japan und Australien sowie Kuala Lumpur soll es dem Sondervermögen ermöglichen, eine Gesamtrendite zwischen zehn und zwölf Prozent nach Kosten zu erzielen, wobei eine durchschnittliche Ausschüttungsrendite von fünf Prozent prognostiziert wird. Zwei Versicherungsunternehmen und ein Versorgungswerk gehören bereits zu den Zeichnern, die im ersten Closing zusammen 85 Millionen Euro in den Fonds gaben.

Ziel ist es, für das auf zehn Jahre konzipierte Sondervermögen insgesamt 500 Millionen Euro einzuwerben. Die Fremdfinanzierung soll zwischen 40 und 50 Prozent liegen. "Die Rendite muss in erster Linie aus der Immobilie kommen. Mit einer Fremdfinanzierung kann dann vielleicht noch die Performance ein Stück weit erhöht werden", erklärt Christian Schulte Eistrup, Managing Director Capital Markets Europe bei MGPA.

Ursprünglich wollte Berlin seine Immobilien (ausgenommen sind hier die sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mit ihren 270 000 Einheiten) verkaufen, um so den enormen Schuldenberg des Landes teilweise abzutragen. Doch das Liegenschaftsportfolio ist mit enormen Krediten belastet. Zwar konnte die Loan-to-Value-Ratio von 128 Prozent im Jahr 2009 auf nunmehr 103 Prozent gesenkt werden, doch wird es noch zehn Jahre dauern, bis das Verhältnis einen für Grundstücksunternehmen gängigen Wert von 70 Prozent erreicht hat. Deshalb hat die Bundeshauptstadt nun beschlossen, die Komplettveräußerung nicht weiter zu betreiben, sondern das Portfolio selbst zu bewirtschaften und in einer neuen Gesellschaft zu bündeln. Am 1. Juli dieses Jahres ist die Berlinovo Immobilien GmbH gestartet.

Damit gesteht sich Berlin ein, dass es die Objekte nur mit Verlust abgeben könnte. Denn das Problem ist die enorme Streuung des Bestands über die gesamte Bundesrepublik, von dem sich nur ein Bruchteil in den Ballungszentren befindet. Hinzu kommen Objekte in den USA, Großbritannien und Schweden. Eine effiziente Betreuung und Steuerung wird zudem durch die Diversifikation in den Nutzungsarten erschwert. Neben Bürogebäuden zählen alle Arten von Einzelhandelsimmobilien, Ärztehäuser, Autohöfe, Kinos, Hotels, Seniorenheime, Restaurants, Produktions- und Lagerhallen sowie Wohnungen dazu.

Allein in Berlin gehören 21 000 Wohnungen der neuen Gesellschaft. Hierzu kommen bundesweit 17 000 Wohnungen und rund 3 000 Gewerbeeinheiten. Dieser Mix ist noch eine Altlast aus den Tagen der Bankgesellschaft Berlin, die seinerzeit für ihr Kreditgeschäft Fonds kreierte, die faktisch "alles überall" kauften, dessen sie habhaft werden konnten. 24 Sondervermögen gibt es noch, die inzwischen zu 96 Prozent in Landeshand sind. Die übrigen Anteile sollen 2013 erworben werden, wofür Berlin einen Aufwand von etwa 210 Millionen Euro kalkuliert.

Der Berlinovo-Geschäftsführer Roland J. Stauber plant, das Portfolio neu zu strukturieren. Zunächst soll sich aus dem Ausland zurückgezogen werden. Anschließend will sich das Unternehmen von aufwendigen Betreiberimmobilien wie Senioren- und Pflegeheimen trennen. Aber auch die Veräußerung weiterer, vor allem gewerblicher Liegenschaften ist vorgesehen. Konzentrieren will sich die Gesellschaft künftig auf ihre Liegenschaften in Berlin und deren Gebäudemanagement.

Grüne Immobilien

Nachhaltiges Bauen bleibt ein zentrales Anliegen der Immobilienwirtschaft, was erneut auf der Expo Real deutlich wurde. Zahlreiche Aussteller hatten ihre Stände optisch begrünt - mit Gras, Bambus oder zumindest deren Imitaten. Auch wenn der inflationäre Gebrauch von Schlagwörtern wie Nachhaltigkeit, Verantwortung und Energieeffizienz inzwischen reichlich plakativ wirkt, so ist doch zu konstatieren, dass dennoch mehr Sein als Schein herrscht. Denn Ideen, Maßnahmen und Produkte zur Realisierung von "grünen" Immobilien gab es erneut reichlich.

So orientiert die Union Investment Real Estate ihre Investmentstrategie an Nachhaltigkeitsstandards. Dafür wurde ein eigenes Scoring-Modell entwickelt, mit dem sich alle angebotenen und bereits im Bestand befindlichen Immobilien hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitspotenziale testen lassen. Aktuell sind 24 Immobilien beziehungsweise rund zehn Prozent des Bestandes der von Union Investment Real Estate verwalteten Liegenschaften zertifiziert. "Nachhaltigkeit sehen wir als langfristigen Trend, weshalb wir den Anteil sogenannter 'grüner' Gebäude in unseren Fonds weiter erhöhen wollen", erklärt dazu Reinhard Kutscher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate. Mittelfristiges Ziel ist es, für mehr als 50 Prozent des Bestands eine Zertifizierung zu besitzen.

Wie schnell dies erreicht werden kann, wird jedoch vor allem von der Umschlagsgeschwindigkeit im Portfolio abhängen. Denn während bei neu errichteten Objekten ein Zertifikat längst gängige Praxis ist, fehlt bei Gebäuden "aus zweiter Hand" oder Liegenschaften im Bestand in der Regel ein solches Label. Mit dem Schnelltest will die Kapitalanlagegesellschaft feststellen, wie ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig eine Immobilie ist und wie diese Objektqualität wirtschaftlich sinnvoll erhöht werden kann.

Bei Investitionen in "gebrauchte" Immobilien gibt es jedoch zwei wesentliche Probleme: Um zu kalkulieren, wie viel und an welchen Stellen im Gebäude investiert werden muss, braucht es eine verlässliche Dokumentation der Bauhistorie. Diese ist bei älteren Bestandsgebäuden jedoch oft lückenhaft. Zudem stellen Investoren bislang nur fest, dass nachhaltige Immobilien zwar gefragter sind als konventionelle, doch sind die Mieter noch nicht bereit, höhere Mietpreise zu akzeptieren.

Kutscher weiß aber auch, dass jede Immobilie nur so nachhaltig ist, wie sie genutzt wird. Baulich kann heute schon vieles erreicht werden, doch letztlich ist es der Mieter, der sich auch nachhaltig verhalten muss. Deshalb hat die Union Investment Real Estate gemeinsam mit Freshfields einen Standard für "Grüne Mietverträge" für Deutschland erarbeitet. In angelsächsischen Ländern gehören solche "Handlungsanweisungen für die Immobilienbenutzung" schon zum Standard - hierzulande ist das neu.

Auch Stefan Beretitsch, Managing Director der ABB Grundbesitz GmbH, weiß: "An dem Thema Nachhaltigkeit kommt man bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht mehr vorbei." Denn wer als Arbeitgeber attraktiv sein will, muss auch ein attraktives Arbeitsumfeld bieten. Dabei spielen seiner Erfahrung nach ökologische Aspekte eine immer größere Rolle. Allerdings fehlen bislang Nachhaltigkeitszertifikate für Industrieimmobilien. Deshalb ist sein Unternehmen selbst aktiv geworden und hat das Nachhaltigkeitssystem "Green CREM" (Green Corporate Real Estate Management) vorgestellt, das wie die gängigen Labels ökologische, ökonomischen und soziokulturelle Aspekte berücksichtigt.

Green CREM wurde bei ABB mit der Zielsetzung entwickelt und eingeführt, die Energiekosten und CO2-Emissionen nachhaltig zu senken, außerdem Immobilienwerte zu schaffen, zu erhalten und zu steigern sowie die Flächen- und Kosteneffizienz zu erhöhen. Im Gegensatz zu Leed- oder DGNB-Zertifikaten stellt Green CREM nicht auf den Status quo ab, sondern versteht sich als fortlaufender Prozess. Daher werden das Nachhaltigkeitspotenzial und der Grad seiner Ausschöpfung an den einzelnen Standorten des Unternehmens mit einem sogenannten "Green CREM Index" gemessen. So kann mit dem Index auch überprüft werden, ob und in welchem Umfang die gesteckten Ziele bereits erreicht wurden.

Beispielsweise werden mit einem Energy Monitoring die Energiedaten im gesamten Portfolio erfasst und gesteuert. So können in einem gewerblich-industriellen Immobilienbestand jederzeit aktuell abrufbare Energiedaten aller Standorte ausgewertet und damit gezielte Maßnahmen zur Reduzierung der Verbräuche, Senkung der Kosten und zur Steigerung der Energieeffizienz abgeleitet werden. "Somit stehen alle Energieverbrauchsverläufe für die Energieanalyse zur Verfügung, wir kennen die exakten Verbräuche an 365 Tagen im Jahr", erklärt Beretitsch. Nachdem Green CREM bereits für die deutschen Standorte eingeführt wurde, soll es bei ABB auch international angewandt werden. Gedacht ist aber auch, das Produkt Dritten anzubieten.

Neue Finanzierungspartner

Dominant war in den Messegesprächen auch dieses Jahr wieder die Objektfinanzierung. Während bei den Core-Immobilien ein intensiver Wettbewerb der Kapitalgeber tobt, wird die Kreditaufnahme bei Immobilien, die aufgrund eines Makels allenfalls Core-plus-Qualität haben, schon merklich schwieriger. Im Value-added-Bereich können sich die wenigen Darlehensanbieter die Rosinen herauspicken. "Vor allem großvolumige Projekte mit Developmentcharakter haben es derzeit schwer, einen Bankpartner zu finden", meint Bernhard Scholz, Vorstandsmitglied der Deutschen Pfandbriefbank.

Dem widerspricht der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hypothekenbank, Thomas S. Bürkle: "Mir ist kein professionelles Projekt bekannt, das keine Finanzierung bekommen hat." Sein Vorstandskollege Andreas Pohl ergänzt: "Die Finanzierung von Projektentwicklungen macht etwa 40 Prozent unseres Neugeschäfts aus." Dieses lag 2011 bei rund drei Milliarden Euro (ohne Prolongationen). Im laufenden Jahr soll ein Volumen von 2,5 bis 3,0 Milliarden Euro erreicht werden. Beide stellen allerdings fest, dass sich durch die Konsolidierung auf Bankenseite die Margen wieder normalisieren.

Derweil suchen Projektentwickler nicht nur neue Wege der Kapitalbeschaffung, sondern wollen auch ihren Investorenkreis erweitern. So kooperiert Hochtief Solutions mit dem Fondshaus Hamburg. Gemeinsam haben sie eine neue Gesellschaft für Immobilieninvestitionen gegründet, an der sie jeweils mit 50 Prozent beteiligt sind. Das neue Unternehmen FHH Fondshaus Hamburg Immobilien (FHHI) wird autonom am Markt auftreten und Geschlossene Immobilienfonds auch für institutionelle Anleger anbieten. "Wir möchten uns so einen besseren Zugang vor allem zu kleineren und mittleren Versicherungen, Versorgungswerken und Pensionskassen erschließen", erklärt Christoph Husmann, Vorsitzender des Segments Real Estate Solutions und Mitglied der Geschäftsführung der Hochtief Projektentwicklung GmbH, die Motivation seines Hauses.

Tatsächlich öffnet die strengere Bankenregulierung unter Basel III den Kreditmarkt für neue, anders regulierte Anbieter. Vor allem Versicherungen, Pensionsfonds und Versorgungswerke drängen in den Markt. Im Vergleich zu den USA, wo etwa ein Zehntel des Hypothekenmarktes auf die Assekuranz entfällt, bestehen in Deutschland noch erhebliche Potenziale. Allerdings werden die Versicherungen die teilweise regulatorisch induzierte Lücke hierzulande nicht schließen können, unter anderem weil sie tendenziell die gleichen Kunden und Objektsicherheiten suchen wie die Banken. "Wir wollen sichere und nachhaltige Cash-Flows kombiniert mit konservativen Covenants", bringt Hauke Brede, Chief Risk Officer der Allianz Real Estate die strategische Prämisse der Versicherer auf den Punkt.

Dass dabei aktuell Immobilien und deren Finanzierungen stärker im Anlagefokus stehen, hat jedoch weniger regulatorische Gründe als vielmehr einen Mangel an Anlagealternativen. Speziell das stark rückläufige Pfandbriefvolumen lässt die Versicherer die direkte Immobilienfinanzierung weiter ausbauen. Unter Solvency II werden die Versicherungen für gewerbliche Immobilienkredite mehr Eigenkapital unterlegen müssen. Dieses erhöht sich nach gegenwärtigem Stand mit der Kreditlaufzeit, wäre jedoch unabhängig von der Objektqualität.

Die neuen Spielräume könnten allerdings sogenannte Kreditfonds nutzen. Über die Chancen der neuen Kreditgeber diskutierte die Redaktion im Rahmen des Expo Real Forums mit Reinhard Mattern, Geschäftsführer von iii-Investments, Thomas Landschreiber, COO von Corestate Capital, und Curth-C. Flatow, Geschäftsführer von Flatow Advisory Partners. Demnach plant iii-Investments einen als Spezialfonds strukturierten Debt Fund, der kleineren und mittelgroßen Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerken Zugang zu einem breiten Portfolio an gewerblichen Immobilienfinanzierungen verschaffen möchte. Doch liegt auch hier der Fokus auf Core- und Core-plus-Objekten, für die jedoch immerhin ein Beleihungsauslauf von bis zu 80 Prozent durch den Fonds ermöglicht werden soll, solange eine Bank ebenfalls an der Finanzierung beteiligt bleibt. In solchen Produkten sieht Flatow eine vielversprechende Ergänzung des Kreditangebots durch die Banken. Allerdings beklagt Landschreiber, dass auch diese neuen Anbieter die Bereiche Value-added und Distressed Assets bislang meiden.

Für die Wohnungsunternehmen wird zwar der Kreis der Banken kleiner, doch die Zahl der potenziellen Finanzierungspartner, die beispielsweise von Dr. Klein vermittelt werden, wächst. Für Hans Peter Trampe, Vorstand der Dr. Klein & Co. KG, ist das dem verstärkten Engagement von Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerken einerseits und von Bausparkassen andererseits zuzuschreiben. Dadurch ist es heute möglich, langfristige Finanzierungen mit hohen Beleihungsausläufen zu günstigen Zinsen zu erhalten.

Nach Analysen von Dr. Klein liegt der durchschnittliche Beleihungsauslauf in der Wohnungswirtschaft derzeit bei 75 Prozent, gleichzeitig verlängerte sich die durchschnittliche Sollzinsbindung in den letzten fünf Jahren von zehn Jahren und acht Monaten auf heute 14 Jahre und sechs Monate. Zudem werden die niedrigen Zinsen genutzt, um Schulden abzubauen, indem die Unternehmen einerseits Altkredite umfinanzieren und bei Neuverträgen höhere Tilgungsraten vereinbaren.

Insgesamt hat die Expo Real die Erwartungen der Immobilienwirtschaft erfüllt. Von der Euphorie des vergangenen Jahres war deutlich weniger zu spüren, wenngleich die konjunkturelle Abschwächung und ihre zeitlich verzögerten Folgen für die Immobilienmärkte bislang gelassen gesehen werden. Die Branche wartet derzeit ab, wie sich die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen für Asset Manager, Anlageprodukte und Finanzierer auf die Marktstrukturen und die Immobiliennachfrage auswirken werden. Obwohl die Herausforderungen und Unsicherheiten keinesfalls weniger geworden sind, so herrscht doch deutlich mehr Gelassenheit als in den Vorjahren. Denn die Unternehmen wissen, dass sie angesichts der hohen Taktfrequenz neuer Regeln flexibel bleiben müssen. L.H. Die nächste Expo Real findet vom 7. bis 9. Oktober 2013 wie gewohnt in den Münchener Messehallen statt.

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