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Immobilien-Nachhaltigkeitsstrategie für Industrieunternehmen - das Beispiel ABB

Seit 25 Jahren begreift ABB die "Immobilie" als strategische Unternehmensressource. Allerdings haben sich seit der Fusion zweier Großkonzerne im Jahre 1988 unternehmensinterne und externe Rahmenbedingungen immer wieder stark verändert. Steigender Wettbewerbsdruck, globale Märkte mit erforderlichen Anpassungen von Produktpaletten, Fertigungs- und Vertriebsstrukturen, ein sich wandelndes strategisches Umfeld, die Energiewende - all dies sind Faktoren unter vielen, die insbesondere auch die Immobilienverantwortlichen von Industrieunternehmen vor immer neue Herausforderungen stellen. Gerade hier handelt es sich meist um Immobilienportfolios, die historisch mit der Entwicklung des Kerngeschäftes "gewachsen" sind und in der Regel einen hohen Anteil an in die Jahre gekommenen Bestandsimmobilien mit unterschiedlichen technischen Standards aufweisen.

Analyse und Steuerung von Verbräuchen

Die Anforderun gen an die Immobilienexperten von sogenannten Non-Property-Unternehmen (Unternehmen, deren Geschäftszwecke die Immobilie nicht selbst ist) sind immer komplexer geworden. Dass das "immobile" Gut schon lange möglichst flexibel und kurzfristig mit den Anforderungen aus dem Kerngeschäft Schritt halten sollte, haben viele Unternehmen im Zuge von Reorganisationen erfahren müssen. Kosten- und Flächentransparenz bei Immobilien sind im Non-Core-Bereich mittlerweile weitestgehend hergestellt, Betriebskostenoptimierungen sind Tagesgeschäft. Ebenso der Umgang mit Altlasten und Denkmalschutz. Die "Hausaufgaben" zur Erfüllung ökonomischer Ziele sind beziehungsweise werden derzeit weitestgehend gemacht.

Eine offene Flanke erkennen die ABB-Immobilienfachleute für Industrieunternehmen auf dem Gebiet der "Energie" und "ökologischen Nachhaltigkeit". Energiewende und Versorgungssicherheit, Zertifizierung und Normierung, "war for talents" verbunden mit der Attraktivität von Arbeitsplätzen, Erhalt respektive Steigerung von Immobilienwerten - für diese Themengebiete hat die Zukunft schon lange begonnen. An der Nahtstelle zum Kerngeschäft haben die ABB-Immobilienfachleute bereits im Jahr 2007 diese Entwicklungen erkannt und unter dem Begriff "Green CREM" eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die Ökologie und Ökonomie bei unternehmenseigenen Immobilien verbindet.

Wie lassen sich Energieverbräuche und ökologische Qualität in einem gewerblich-industriellen Immobilienportfolio analysieren und steuern? Im Fokus der Entwicklung und Umsetzung der Green CREM-Nachhaltigkeitsstrategie steht das gesamte Portfolio von Bestands-Industrieimmobilien und dessen kontinuierliche Verbesserung. Damit unterscheidet sie sich von den gängigen Zertifizierungssystemen am Markt (DGNB, Leed, Breeam), deren Bewertungsansatz eine Status-quo-Betrachtung für Einzelobjekte darstellt und sich im Wesentlichen auf Neubauten oder Bestandsobjekte in den Bereichen Büro, Gewerbe und Wohnung und nur sehr eingeschränkt im Bereich Industrie bezieht.

Zwei Konzeptstufen

Green CREM dagegen versteht sich als dynamisches Bewertungsinstrument, mit dem der Nachhaltigkeitsgrad im Immobilienportfolio mittels des sogenannten Green CREM-Index systematisch geprüft wird. Der für jeden Standort ermittelte Green CREM-Index dient dabei als Indikator für notwendige und durchzuführende bauliche Maßnahmen. Durch eine regel mäßige Neuerhebung des Index wertes an den einzelnen Unternehmensstandorten lassen sich Vergleiche zum Zustand vor und nach Umsetzung der Maßnahmen ziehen und der Grad der erreichten Nachhaltigkeit kontinuierlich darstellen. Das Green CREM-Nachhaltigkeitssystem gliedert sich in zwei Stufen (siehe Abbildung 1):

- Konzeptstufe 1 "Energieeffizienz": Bei ABB in Deutschland wurden seit 2007 in einer ersten Stufe alle maßgebenden Standorte hinsichtlich des Zustandes von Dächern und Fassaden, Gebäudetechnik und Energiemanagement unter sucht und die Energieverbräuche ermittelt (siehe Abbildung 2). Dabei wurde deutlich, dass rund 50 Prozent des Energieverbrauchs auf Gebäude entfallen. Die Analyse führte zu dem Ergebnis, dass 33 Prozent der untersuchten Teilflächen erhebliche energietechnische Mängel aufwiesen (siehe Abbildung 3).

Es handelte sich meist um Dächer und Fassaden ohne Wärmedämmung sowie um Fenster mit Einfachverglasungen. Entsprechend hoch waren der Energieverbrauch und die Kosten. Unter Aufwand-Nutzen-Aspekten und in Abstimmung mit der ABB-Geschäftsstrategie erstellten die Immobilienfachleute Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz an den jeweiligen Standorten, die sukzessive realisiert wurden. Es handelt sich dabei beispielsweise um Sanierungsmaßnahmen an Dächern und Fassaden, die Einführung einer zentralen Heizungssteuerung, den Einbau von Bewegungsmeldern oder tageslichtabhängiger Beleuchtungssteuerung et cetera.

- Konzeptstufe 2 "Green CREM-Index": Über die einzelnen Objekte hinaus bezieht das von ABB entwickelte Bewertungsinstrument in Stufe 2 komplette Standorte in die Nachhaltigkeitsbetrachtung ein; dabei werden alle wichtigen Kriterien zur Prüfung von Industriestandorten berücksichtigt. Die Immobilienfachleute legten bei der Entwicklung des Instruments großen Wert auf die Praktikabilität des Prüfungsprozesses, der "schnell" und übersichtlich zum Ergebnis führt. Die Bewertungskriterien beziehen sich unter anderem auf

- Standortqualität: Gestaltung der Außenbereiche, Reduktion des Individualverkehrs, Anbindung an den ÖPNV.

- Gebäudequalität: Zustand der Fassaden und Dächer hinsichtlich Wärmedämmeigenschaften, technischer Standard der Gebäudetechnik.

- Innenraumqualität: objektives und subjektives Innenraumklima, Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen in den Räumen, Luftqualität, thermischer, akustischer und visueller Komfort.

- Bewirtschaftung: Außenbereiche, Reinigung in den Gebäuden, Abfallbeseitigung, Nachhaltigkeit der Einkaufsstrategie.

- Wasser: Regen-, Trink-, Produktions- und Abwasser.

- Energieverbrauch: Stromverbrauch für ein Gebäude, Energieverbrauch für Heizung (siehe Abbildung 4).

Ist der standortbezogene Indexwert jeweils ermittelt, werden gezielte Maßnahmen abgeleitet, um die ökologische Qualität an den Standorten zu verbessern, die Energiekosten zu senken und damit die Indexwerte zu steigern. In Abstimmung mit den operativen Einheiten werden die Maßnahmen dann umgesetzt. Eine Re-Evaluierung findet standortbezogen dann alle drei Jahre statt.

Bei ABB wurde der Green CREM-Index inzwischen an 90 Prozent der zu untersuchenden Standorte ermittelt. Optimierungsmaßnahmen wurden beziehungsweise werden kontinuierlich umgesetzt, und die jährlichen CO2-Emissionen reduzierten sich um 5 700 Tonnen gegenüber 2007. Trotz steigender Energiepreise und zusätzlicher Belastungen aus gesetzlichen Verordnungen (zum Beispiel Öko-Steuer) konnten dabei die Energiekosten im Immobilienportfolio sogar gesenkt wer den. Weiterhin gelang es, die ökologische Qualität der Standorte maßgebend zu erhöhen und einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz zu erzielen. Im Rahmen der Sanierung eines Bürokomplexes in Mannheim wurde ABB dafür unter anderem mit dem Label "Good Practice Energieeffizienz" der Deutschen Energieagentur (dena) ausgezeichnet.

Inzwischen befinden sich bereits 20 Prozent der bewerteten Standorte in einer Re-Evaluierungsphase. Im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass bei Erstbewertung die ermittelten Indexwerte an den Standorten des Unternehmens zwischen 55 und 70 Prozent lagen. Wie die Werte dann verbessert werden können, sei hier beispielhaft am Standort Ladenburg dargestellt.

Beispiel Standort Ladenburg

Im Jahr 2009 wurde der Green CREM-Index am Standort Ladenburg mit einem Wert von 67 Prozent ermittelt. Aus der Erhebung leiteten die Immobilienfachleute gezielte Maßnahmen ab und setzten diese unter anderem wie folgt um (siehe Abbildung 5):

- Sanierung von Gebäudehüllen an Produktions- und Verwaltungsgebäuden aus den sechziger Jahren (Verbesserung Dämmeigenschaften, Senkung des Wärmedurchgangskoeffizienten),

- Umstellung des Heizsystems auf ein neu gebautes Blockheizkraftwerk,

- Installation einer Photovoltaikanlage,

- Entwicklung und Umsetzung eines modularen Bepflanzungskonzeptes zur sinnvollen Gestaltung der Freiflächen, das auch auf andere Standorte übertragen werden kann (mit integriertem Pflegemanagement und Pflanzenschutz),

- Verbesserung der Gebäudeautomation (zum Beispiel zentrale Beleuchtungssteuerung, Bewegungsmelder),

- Einführung eines neuen Energiemanagements,

- Entsiegelung von Flächen,

- Reduktion des Reinigungsmitteleinsatzes durch Dosiergeräte.

Die erneute Erhebung des Green CREM-Index am Standort Ladenburg nach drei Jahren resultierte in einer deutlichen Verbesserung der ökologischen Qualität und ergab eine Steigerung des Indexwertes auf 88 Prozent.

Energy Monitoring

Voraussetzung für effizientes Energiesparen ist Transparenz bei den Verbrauchswerten für Strom, Wasser, Gas und Heizöl. Allerdings werden Energiedaten an Industriestandorten heutzutage im Allgemeinen immer noch über die Abrechnung des Versorgers oder mittels manueller Zwischenablesungen erhoben. Dies wird den heutigen Anforderungen an ein effizientes Energiemanagement nicht mehr gerecht. Vor diesem Hintergrund entwickelte die ABB Immobiliengesellschaft das sogenannte Energy Monitoring. Es handelt sich dabei um ein Management-Tool, mit dem online alle Energieverbräuche an den Standorten erfasst, abgerufen und analysiert werden können. Erstmals können nun im gewerblich-industriellen Immobilienportfolio jederzeit und aktuell abrufbare Energiedaten ausgewertet und damit gezielte Maßnahmen zur Reduzierung der Verbräuche abgeleitet werden.

Innerhalb von nur zwei Monaten wurden an den relevanten Standorten in Deutschland die Energiehauptzähler auf das zentrale Monitoring aufgeschaltet. So mit stehen alle Energieverbrauchsverläufe für die Analyse zur Verfügung; hier geht es beispielsweise um Auswertungen hinsichtlich der exakten Energieverbräuche an einzelnen Ta gen oder Wochenenden, oder während der Sommer- beziehungsweise Wintermonate. Das Tool bildet auch betriebsrelevante Informationen ab. In einem Dashboard werden die notwendigen Daten präzise und übersichtlich zusammengefasst sowie Energie, CO2-Emissionen und Kosten berechnet. Das ist wichtig für die Optimierung von betrieblichen Prozessen. Die Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen führt dann sowohl zu Energieeinsparungen als auch zu Kostensenkungen. Viele weitere Auswertungen sind möglich. So besteht auch die Möglichkeit der Ausdehnung auf globale Ebene oder einer Detaillierung auf die Einzelobjektebene (siehe Abbildung 6).

Nachdem das Energy Monitoring nun erfolgreich in Deutschland umgesetzt und erhebliche Optimierungspotenziale identifiziert werden konnten, wird es derzeit auf die europäischen Standorte übertragen. Im Zusammenspiel von effizientem Energiemanagement mit lokaler Erzeugung, vor allem auf Basis erneuerbarer Energieträger, sowie intelligenter Nutzung konnte ABB in einem Pilotprojekt Zukunftsszenarien heute schon umsetzen. Am Standort Ladenburg wurde ein entsprechender Lösungsansatz unter Verwendung eigener Produkte realisiert. So errichteten die Immobilienexperten hier zusätzlich zum neu gebauten Blockheizkraftwerk eine Photovoltaikanlage, die lokal zum Energiemix beiträgt und von einem ABB-eigenen Leitsystem gesteuert wird. Weiterhin stehen in Ladenburg sowie auch an weiteren Standorten Elektroautos für dienstliche Fahrten zur Verfügung, und die betreffenden Werksgelände sind mit intelligenten Ladetechnologien ausgerüstet.

Bedeutung der Nachhaltigkeitsstrategie

Für ABB steht fest: Nachhaltigkeit ist für das gesamte Unternehmen von zentraler Bedeutung. An der Nahtstelle zum Kerngeschäft haben die Immobilienexperten Nachhaltigkeit in die Immobilienstrategie integriert und bereits im Jahr 2007 eine strategisch gute Ausgangssituation geschaffen.

Gerade Industrieunternehmen sind angesichts der Anforderungen beziehungsweise Auswirkungen der Themen Energiewende und Versorgungssicherheit, Zertifizierung und Normierung, "war for talents" verbunden mit der Attraktivität als Arbeitgeber vor große Herausforderungen gestellt - und dies schließt vor allem auch den Umgang mit ihren betrieblichen Immobilien ein. Denn um die gesellschaftlichen und politischen global vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen, misst man Bestandsimmobilien-Portfolios eine große Bedeutung zu. Dabei wird der Bewertung von bestehenden Immobilien neben der Zertifizierung von Neubauten künftig eine wichtige Rolle zukommen.

Aber wie analysiert man diese Portfolios? Immobilienbestände, deren Probleme alleine schon aus dem Alter der Gebäude resultieren und die den heute hohen technischen Standards respektive Gesetzen im Zusammen hang mit der Energiewende entsprechen sollen. Wie entwickelt man praktikable Strategien, mit denen man als Eigentümer wenigstens im Falle notwendiger Instandhaltungsmaßnahmen, bestenfalls aber im Rahmen einer strategischen Instandhaltungsplanung nachhaltiges Optimierungspotenzial identifizieren und nutzen kann? Mit dem Green CREM-Index können diese Aufgaben systematisch und nachhaltig gelöst werden.

Weiterhin kann festgehalten werden, dass geringer Ressourcenverbrauch, niedriger Kohlendioxidausstoß sowie Wohlbefinden der Nutzer als nachhaltige Qualitäten bei Immobilien nicht mehr wegzudenken sind. Insbesondere weil der Stellenwert von Lebensqualität und Gesundheit in unserer Gesellschaft hoch ist und noch weiter zunehmen wird. Und auch, um der Verknappung beziehungsweise Verteuerung von Rohstoffen so wie einer immer schärferen Klimaschutzgesetzgebung Rechnung zu tragen.

Studien belegen heute schon, dass sich auch der Faktor Verantwortung für Unternehmen im Kampf um die besten Fachkräfte respektive bei der Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen oder deren Produktivität auszahlt. Wie glaubwürdig ein Unternehmen ist, hängt von der Transparenz und Durchgängigkeit seines Handelns auf möglichst vielen Ebenen sowie den erreichten Ergebnissen ab. Insofern ist gerade in Industrieunternehmen ein Nachhaltigkeitsanspruch an das betriebliche Immobilienportfolio wesentlicher Bestandteil einer gesamten Strategie.

Wertschöpfung im Immobilienmanagement

Mit einem fehlenden Nachhaltigkeitsanspruch an ihr Immobilienportfolio vertun Industrieunternehmen große Chancen. Sie riskieren, den Anschluss bei der Ausrichtung an die sich sukzessive ändernden Rahmenbedingungen zu verpassen. Eine umsetzbare Strategie zur plan- und kalkulierbaren ökologischen und energetischen Verbesserung des Immobilienportfolios stellt einen bedeutenden Hebel zur Kontrolle von Risiken sowie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens dar. Nicht nur in ökonomischer Hinsicht, indem die Kostenbasis des Unternehmens gesenkt und die Werte der Unternehmensimmobilien wenigstens erhalten werden können.

Auch für eine ökonomische Verwertung wird die nachhaltige Sanierung von Bestandsimmobilien künftig Voraussetzung sein. Wissenschaftliche Studien schreiben nachhaltigen Immobilien heute sogar schon einen wirtschaftlichen Mehrwert zu, der künftig noch steigen wird. Und nicht zuletzt ist die sichtbare und durch gängige Übernahme von Verantwortung eines Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz als Wettbewerbsvorteil beim Recruiting von qualifizierten Fachkräften sowie bei der Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen beziehungsweise deren Produktivitätssteigerung zu sehen.

Bei ABB weiß man auf Kerngeschäftsseite um die Größenordnung und das Wertschöpfungspotenzial des Immobilienbereichs. Seit nunmehr 25 Jahren gelingt es den Immobilienexperten durch professionelles Corporate Real Estate Management, ihren Wertschöpfungsbeitrag und damit ihren Anteil an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichtbar zu machen.

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