Pro und Kontra

Ist das Fachmarktzentrum eine Core-Immobilie?

Hält man sich streng an die Kriterien für Core-Immobilien, können Fachmarktzentren diese Ansprüche nicht erfüllen. Sie sind selten hochwertige Spitzenimmobilien in Top-Lagen und verfügen nur in Ausnahmefällen über von einem bestimmten Mietertyp unabhängige Wiedervermarktungsmöglichkeiten, beantwortet Tobias Börsch von der Deutschen Fonds Holding die Frage kritisch. Dennoch bieten Fachmarktzentren im Vergleich zu Bürogebäuden oder Shoppingcentern ausgesprochen interessante Investitionsmöglichkeiten, meint Thomas Kuhlmann von der Hahn-Gruppe, sind doch das Flächenangebot knapp und die Nachfrage von Mietern, in der Regel solventen Handelskonzernen, stabil. Ist das nicht top? (Red.)PRO Eine Core-Immobilie der jungen Generation Sicherheitsorientierte Anleger entdecken derzeit die unscheinbaren Fachmarktzentren als attraktive Alternative zum klassischen Shoppingcenter sowie zur Büroimmobilie. Das hat vor allem drei Gründe: Erstens handelt es sich bei den Mietern von Fachmarktzentren in der Regel um Handelskonzerne mit Milliardenumsätzen und bester Bonität. Zweitens dominieren langfristige Mietverträge die Branche, die häufig für zehn bis 15 Jahre geschlossen werden. Das können beispielsweise Büroimmobilien nur in Ausnahmefällen bieten. Drittens sind die bestehenden Flächen für Fachmarktzentren umkämpft. Der Hauptgrund sind die vergleichsweise starren gesetzlichen Vorschriften der Baunutzungsverordnung, die die möglichen Genehmigungen für Fachmarktzentren einschränken. Das knappe Flächenangebot und die stabile Nachfrage durch die potenziellen Mieter schaffen einen aussichtsreichen Markt für die Eigentümer von Fachmarktzentren. Der aktuelle Hahn Retail Real Estate Report 2011/2012 hat gezeigt, dass die Nachfrage der potenziellen Mieter auch in nächster Zukunft eher noch zunehmen wird. Der Befragung zufolge bevorzugten die Expansionsverantwortlichen der Einzelhandelsketten zu rund 54 Prozent bei der Anmietung neuer Flächen Fachmarktzentren. Damit ist dieser Objekttyp noch vor Shoppingcentern der am stärksten nachgefragte. Insbesondere deutsche Fachmarktzentren können derzeit noch zu vergleichsweise attraktiven Konditionen erworben werden, da die Preissteigerungen zuerst erstklassig gelegene Shoppingcenter betroffen haben. Die Spitzenrenditen von deutschen Fachmarktzentren liegen momentan beispielsweise weit über den durchschnittlichen Spitzenrenditen von Shoppingcentern an A-Standorten. Fachmarktzentren mögen auf den ersten Blick mit einer Core-Immobilie, wie man sie sich üblicherweise vorstellt, nicht viel zu tun haben: In den Immobilien werden meist einfache, zweckorientierte Materialien verbaut und in der Regel befinden sich neue Fachmarktzentren eher am Stadtrand als im Stadtkern. Für Investoren lohnen sich die Einzelhandelsimmobilien allerdings. Denn die Fachmarktzentren erwirtschaften - gerade weil sie preiswert gebaut wurden - attraktive Spitzenrenditen um die sechs Prozent. Der Grund dafür ist, dass die Mieterträge bei weitem nicht so hoch sein müssen wie beispielsweise bei einer Prestige-Büroimmobilie in der Frankfurter Innenstadt, um den Einkaufspreis zu refinanzieren. Trotz der vergleichsweise höheren Renditen bieten Fachmarktzentren in der Regel gleichzeitig eine hohe Stabilität. Darüber hinaus weisen Handelsimmobilien einen Vorteil im Hinblick auf den demografischen Wandel auf. Laut der Umfrage im Hahn Retail Real Estate Report 2011/2012 meinen 40 Prozent und damit der größte Teil der Befragten, dass Handelsimmobilien weniger stark von den zu erwartenden demografischen Veränderungen betroffen sind als die anderen Assetklassen wie beispielsweise Büroimmobilien. Grund: Durch den Eintritt ins Rentenalter wird die Zahl der Bürobeschäftigten schneller zurückgehen als die Zahl der Konsumenten. Senioren fallen zwar als Arbeitskräfte weg, konsumieren aber weiterhin. Fachmarktzentren können also alle Voraussetzungen bieten, auf die ein sicherheitsorientierter Anleger achten sollte. Wie jedoch auch bei anderen Assets gilt es, bestimmte Kriterien zu erfüllen: Entscheidend für den Erfolg von Fonds, die in Fachmarktzentren investieren, sind bonitätsstarke Mieter und ein langfristiger Mietvertrag. Gleichzeitig ist es besonders wichtig, Lage, Größe und Mietermix sorgfältig auszuwählen. Für den Erfolg mit Fachmarktzentren gilt es deshalb zu differenzieren. Dennoch bietet gerade diese Assetklasse insbesondere aufgrund des künstlich verknappten Wettbewerbs durch genehmigungsrechtliche Einschränkungen dem Investor eine vergleichsweise starke Verhandlungsposition gegenüber Mietern und Nachmietern - ein Vorteil, den die klassische Core-Büroimmobilie in der Regel nicht bieten kann. Der Autor Thomas Kuhlmann Mitglied des Vorstands, HAHN-Immobilien-Beteiligungs AG, Bergisch Gladbach KONTRA Fachmarktzentren sind keine Core-Immobilien Fachmarktzentren können keine Core-Immobilien sein und werden es auch nie werden. Der Grund ist einfach: Die Basis einer jeden Core-Immobilie ist ein hochwertiges Objekt in zentraler Spitzenlage, das über gute Nachvermietungsmöglichkeiten möglichst unabhängig von einem bestimmten Mietertyp verfügt. Entsprechend führt an vergleichsweise höheren Einkaufsfaktoren kein Weg vorbei. Der Preis, den sicherheitsorientierte Investoren für eine Core-Immobilie zahlen, ist - gemäß dem höheren Einkaufsfaktor - die niedrigere Rendite. Dafür erhalten sie eine Immobilie mit hohem Wertentwicklungs- und Werterhaltungspotenzial auch in Krisenzeiten. Das zentrale Ziel einer Investition in Core-Objekte ist der Kapitalerhalt beziehungsweise eine Wertsteigerung des Gebäudes. Fachmarktzentren können diese grundsätzlichen Kriterien überwiegend nicht erfüllen. Die sogenannten "Flachmänner" werden zwar gerne als Core-Objekte bezeichnet, wenn sie denn über langfristige Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern verfügen. Allerdings machen gerade diese beiden Indikatoren noch lange keine Core-Immobilie, sondern sind vielmehr nur der Faktor, der die Höhe der Rendite einer Core-Immobilie mit beeinflusst. Der Grund: Es gibt keinen Mieter, der zu hundert Prozent bonitätsstark ist. Wie beispielsweise das Schicksal scheinbar unzerstörbarer Großketten wie Karstadt oder Hertie zeigt, kann kein noch so bekannter Mieter die ausschließliche belastbare Sicherheit für eine Immobilie darstellen. Auch langfristige Mietverträge sind eine nur operativ hilfreiche Beigabe - wenn der Mieter nicht mehr zahlen kann, helfen auch keine vertraglichen Regelwerke. Entsprechend wichtiger sind die Drittverwertbarkeit und die Attraktivität einer Immobilie für potenzielle Nachmieter. Eine Core-Immobilie macht aus, dass sie jederzeit für neue Nutzer interessant bleibt und auch noch nach Jahrzehnten unabhängig von Markttrends ihren Wert behält. Das entscheidende Kriterium ist und bleibt deshalb die Lage. Ein historisches, qualitativ hochwertiges und in seiner Geschichte bereits mehrfach unterschiedlich genutztes Gebäude beispielsweise im Frankfurter, Stuttgarter oder Münchener Zentrum kann den Werterhalt bieten, den eine Immobilie vorweisen können muss, um den Titel "Core" zu verdienen. Fachmarktzentren hingegen können das nicht: Die Gebäude sind vor allem auf Cash-Flow ausgelegt - und weniger auf lange Lebenszeiten oder hohe Verkaufsfaktoren. Dabei ist aber gerade der Verkaufsfaktor ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg und damit für den Werterhalt, den eine tatsächliche "Core"-Immobilie ihrem Anleger bieten kann. Immerhin muss über den Verkauf eines Gebäudes am Ende der Fondslaufzeit nach zehn, 15 oder gar 20 Jahren ein großer Teil des eingesetzten Kapitals wieder zurück "erwirtschaftet" werden - das Grundprinzip einer Investition in Sachwerte. Der Indikator schlechthin, ob ein Initiator tatsächlich eine Core-Immobilie eingekauft hat oder nicht, ist für den Anleger deshalb die Rendite. Liegt diese über 5,5 Prozent, handelt es sich um ein chancenorientiertes Investment. Denn dann muss die Immobilie entsprechend günstig eingekauft worden sein. Objekte, deren Qualität und deren schwer reproduzierbare Lage eine problemlose Nachvermietung ermöglichen, sind aber in der Regel unter dem 19-Fachen nicht erhältlich. Eine höhere Rendite wird entsprechend über ein niedrigeres Wertentwicklungspotenzial finanziert. Die Branche steht einmal mehr an einem Scheideweg: Initiatoren, die ihre Lehre aus der Krise gezogen haben, werden sich hüten, Immobilien voreilig mit der Bezeichnung "Core" zu klassifizieren. Chancenorientierte Investments, wie es Investitionen in Fachmarktzentren letztlich sind, mögen Anlegern als Assetklasse attraktive Optionen bieten. Core-Immobilien können sie jedoch schon aufgrund ihrer Konzeption nicht sein. Der Autor Tobias Börsch Mitglied des Vorstands, Deutsche Fonds Holding AG, Stuttgart

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