Aktuelle Rechtsfragen

Facility Management: Haftung und Risiken beim Outsourcing

Industrieunternehmen lagern ihr internes Gebäude-, Liegenschafts- und Facility Management (FM) immer häufiger aus. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar und längst marktüblich. Denn wenn sich externe Spezialisten um die Bewirtschaftung der Unternehmensliegenschaften kümmern, können bei gleicher Qualität zwischen 25 und 30 Prozent der Kosten eingespart werden. Allerdings werden bei der Auftragsvergabe an externe FM-Unternehmen oft wichtige Aspekte übersehen. Sie betreffen vor allem die Frage, wer im Schadensfall haftet.

Schäden im Zusammenhang mit dem Immobilienmanagement können Sach-, aber auch Personenschäden bis hin zum Tod von Beschäftigten oder Besuchern sein. Bei der eingestürzten Eislaufhalle in Bad Reichenhall vor fünf Jahren beispielsweise hätte eine gewissenhaftere Begutachtung des Dachs die Katastrophe, bei der 15 Menschen ums Leben kamen, möglicherweise verhindern können. Und dies ist nur ein Beispiel: Bei Industrieimmobilien lauern zahlreiche weitere Gefahren, für die im Extremfall der Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden kann, wenn er Fehler bei der Vergabe von Dienstleistungen gemacht hat.

Unterschätzte Risiken: Schneelast, Bäume, Ziegel

Haftungsfragen müssen nicht nur eine zu große Schneelast im Winter betreffen wie bei der Katastrophe in Bad Reichenhall. Ein einfaches weiteres Beispiel: Das FM umfasst üblicherweise nicht nur die Gebäudebewirtschaftung, sondern auch die Frei- und Grünflächen. Hier können Haftungsfragen im Zusammenhang mit umstürzenden Bäumen oder abgeknickten Ästen auftreten. Stürzt ein Baum um und kommt dabei ein Mitarbeiter oder ein Passant zu Schaden, kann sich der Eigentümer des Grundstücks nur dann von einer Mitschuld befreien, wenn er nachweisen kann, dass er den Baumbestand regelmäßig überprüft hat oder entsprechend durch einen Dienstleister prüfen ließ.

Gleiches gilt für den Immobilienbestand. Kommen Personen durch herabfallende Ziegel oder sonstige Teile eines Gebäudes zu Schaden, ist der Eigentümer in der Beweispflicht, zuvor ausreichend für Sicherheit gesorgt zu haben - selbst wenn der Schaden beispielsweise auf einen Sturm zurückzuführen ist und ohne Windböen kein Schaden entstanden wäre. Gerade Sturmschäden sollten nicht unterschätzt werden: Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV zufolge belaufen sich die Sturmschäden der Gewerbeindustriekunden jährlich im Durchschnitt auf dreistellige Millionenbeträge. In Jahren mit sogenannten Jahrhundertstürmen wie beispielsweise Kyrill im Jahr 2007 fallen die Schäden noch deutlich höher aus.

Fokus zu sehr auf eigenen Erfahrungen

Es gibt mehrere Gründe, weshalb bei der Auftragsvergabe von FM-Dienstleistungen zu wenig auf mögliche Haftungsrisiken geachtet wird. Ein Grund ist, dass die auslagernden Unternehmen bei der Vergabe zu sehr auf ihre bisherigen eigenen Erfahrungen mit der Immobilienverwaltung setzen. Vor allem in solchen Fällen, in denen beim internen FM bislang keine Schäden aufgetreten sind, gilt beim Outsourcing: Risiken und Gefahren, die aus der Verwaltung und dem Management von Grundstücken, Gebäuden, Produktionsanlagen oder beispielsweise Lagerhallen resultieren, werden unterschätzt.

Ein weiterer Grund, weshalb Haftungsrisiken unterschätzt werden, betrifft das Rollenverständnis von Eigentümer, Nutzer und FM-Dienstleister. Auf den ersten Blick scheinen die rechtlichen Anforderungen und die Haftungsfolgen vergleichsweise klar zugeordnet. So haftet beispielsweise ein Eigentümer in Sachen Verkehrssicherheitspflicht des Grundstücks, Betreiber und Dienstleister im FM eher für ihr aktives - oder auch unterlassenes - Handeln, und Mieter von Objekten sind für die von ihnen genutzten Bereiche verantwortlich wie beispielsweise ihre Arbeitsstätten.

Auf den zweiten Blick jedoch wird deutlich: Große FM-Dienstleistungsunternehmen nehmen heute wettbewerbsbedingt immer häufiger durchaus mehrere Rollen zugleich wahr. Sie bieten kaufmännische, technische und infrastrukturelle Produkte und Leistungen aus einer Hand an. Damit können auch teilweise Haftungsrisiken auf den Facility Manager übergehen - allerdings lässt sich hier nicht pauschal qualifizieren, in welchem Maß. Dies hängt jeweils vom Einzelfall ab. Hinzu kommt, dass es beim Auslagern durchaus üblich ist, nicht nur die Aufgaben, sondern auch das bislang interne Personal auf den Dienstleister zu übertragen. Aus ehemaligen Kollegen werden auf einmal Kunden. Für das Rollenverständnis, wer welche Haftungsrisiken übernimmt, ist dies zumindest in der Anfangsphase nicht immer förderlich.

Häufig ist ein hoher Kostendruck Auslöser dafür, dass eigentlich unnötige Risiken eingegangen werden. Erneut spielen hier Erfahrungen, die das auslagernde Unternehmen gemacht hat, eine entscheidende Rolle. Wenn ein Unternehmen beispielsweise selber nicht von einstürzenden Dächern oder umstürzenden Bäumen betroffen war, wird das Unternehmen in der Regel auch beim Dienstleister keinen gesteigerten Wert auf übermäßig häufige regelmäßige Kontrollen legen und diese gegebenenfalls sogar bewusst nicht mit beauftragen. Denn tendenziell gilt: Je seltener eine Prüfung durch den Dienstleister erfolgt, desto geringer sind die Kosten. Und die Kosten sind in fast 60 Prozent der Fälle der Hauptgrund für Outsourcing-Entscheidungen im Immobilienmanagement - dies hat eine Studie der Technischen Universität Darmstadt in Kooperation mit Strabag Property and Facility Services ergeben.

Sicherheit versus Kostendruck

Wird der Kostendruck aber zu hoch und droht ein Eigentümer in die Haftungsfalle zu tappen, ist es Aufgabe des spezialisierten FM-Unternehmens, den Auftraggeber auf eventuelle Rechtslücken in der Beauftragung hinzuweisen. Letztendlich schützt er damit den Auftraggeber: Denn überschreiten die vertraglich vereinbarten Intervalle die gesetzlich vorgegebenen (Inkongruenz) oder die in einer Gefährdungsbeurteilung nach Betriebssicherheitsverordnung angemessenen Intervalle, ist der Delegierende - also der Auftraggeber - in der Pflicht und nicht der Beauftragte. In der Praxis kommt es bemerkenswert häufig vor, dass sittenwidrige oder zumindest nicht gerichtsfeste Dienstleistungsverträge abgeschlossen werden, die im Zusammenhang mit Haftungsfragen stehen.

Undurchsichtiger Paragrafendschungel

Dabei gilt: Für die genannten Beispiele gibt es klare rechtliche Vorgaben, wie für eine ausreichende beziehungsweise rechtskonforme Sicherheit gesorgt werden soll. Bei der Vergabepraxis von FM-Leistungen spielt allerdings die Rechtskonformität aus Sicht der ausschreibenden Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle. Denn es gibt derart viele Gesetze, Normen, Richtlinien und Regelwerke, die das FM betreffen, dass Unternehmen, die nicht auf das FM spezialisiert sind, diese unmöglich überblicken können.

Die Zahl der Regelwerke in Deutschland mit Bezug zum FM wird auf rund 2000 geschätzt. Diese Vielzahl der gesetzlichen Regelungen deutet es bereits an: Es gibt nicht ein zentrales, sondern viele unterschiedliche Rechtsgebiete, die auf das FM abstrahlen. Während sich beispielsweise die Verkehrssicherungspflicht allgemein aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ableitet, formuliert unter anderem auch die Arbeitsstättenverordnung Schutzziele, aus denen sich Handlungsmöglichkeiten und -erfordernisse ergeben.

Es ist mittel- bis langfristig zu erwarten, dass sämtliche "Doppelregelungen" aus derzeitigen dualen Rechtsgebieten entfallen und zudem vereinfacht werden. Hieraus resultieren jedoch nicht nur positive Effekte: Denn es liegt auf der Hand, dass sich eine Staatsanwaltschaft in einer deregulierten Situation sehr genau aufzeigen lassen wird, was ein Unternehmer konkret getan hat, um seine Schutzziele zu erreichen, wenn ein schweres Unglück oder ein Personenschaden eingetreten ist. Für alle Beteiligten im FM, vor allem aber Eigentümer, Betreiber und Dienstleister, wird somit das Problem eines möglichen Organisationsverschuldens und der Haftungsfragen noch mehr in den Vordergrund rücken müssen. Hier dürften solche FM-Dienstleister Vorteile haben, deren Managementsystem zur Verbesserung der Rechtskonformität zertifiziert ist.

Eine Möglichkeit zur Zertifizierung stellt die Richtlinie 710 der Gefma German Facility Management Association dar. Sie bescheinigt, dass ein Dienstleister ein Managementsystem anwendet, das es ihm erlaubt, bezüglich der aktuellen Rechtsvorschriften auf dem aktuellen Stand zu sein und die Erkenntnisse daraus in praktisches Handeln umzusetzen. Ein solches Unternehmen ist also in der Regel besser als nicht zertifizierte Unternehmen in der Lage, die entsprechende Betreiberverantwortung für ein Unternehmen rechtskonform wahrzunehmen - und die spezifischen Risiken rund um das Immobilienmanagement zu beherrschen. Die Gefma 710-Zertifizierung kann dabei nach dem derzeitigen Erfahrungsstand als Instrument fungieren, um die Folgen der Deregulierung durch den Gesetzgeber für Dienstleister zu kompensieren. Im Extremfall kann die Zertifizierung somit vor Gericht helfen - dort gilt sie als Trumpf, vor allem bei Fragen des Strafmaßes und der Exkulpation.

Gegenwärtig sind bereits sowohl große als auch mittelständische und kleinere Dienstleister nach Gefma 710 zertifiziert. Beispiele für zertifizierte Unternehmen sind auf der Seite www.tuvdotcom.com nach Eingabe des Suchbegriffs "Gefma" zu finden. Durch unterschiedliche Zertifikatstufen können Unternehmen dabei über das System zur Verbesserung der Rechtskonformität (Gefma 710) hinaus auch ein branchenjustiertes System zum Qualitätsmanagement (Gefma 720) zertifizieren lassen. Eine dritte Zertifikatsstufe umfasst die Prüfung, ob ein Unternehmen zur Übernahme der gesamten wirtschaftlichen und technischen Verantwortung für den Betrieb von Immobilien und den dazu gehörigen Anlagen in der Lage ist (Gefma 730).

Eigentum verpflichtet - dies betrifft auch die Verantwortung, die der Betrieb und das Management von Immobilieneigentum mit sich bringen. Bei Outsour-cing-Entscheidungen im FM werden jedoch die (Haftungs-)Risiken der Betreiberverantwortung tendenziell unterschätzt. Dies ist zum einen eine Folge der Vergabepraxis, bei der zu sehr von den eigenen Erfahrungen mit dem bisherigen internen FM ausgegangen wird. Zum anderen ist die Komplexität und Fülle der rechtlichen Vorgaben eine Hürde, die viele Unternehmen, die nicht auf FM spezialisiert sind, nicht überblicken können. Es gibt gute Ansätze wie das bereits genannte Zertifizierungssystem 710 der Gefma, das dem FM-Dienstleister die Anwendung eines Managementsystems zur Verbesserung der Rechtskonformität bescheinigt und Auftraggebern bei der Vergabe die Entscheidung erleichtert. Allerdings wird in den Ausschreibungsunterlagen und bei Auftragsvergabe noch zu selten eine entsprechende Zertifizierung gefordert.

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