Zinskommentar

Gedankenspiele zum Euro-Wechselkurs

"Mit dem Euro-Wechselkurs verhält es sich wie mit den berühmten Pfefferminzpastillen aus der Tüte: Ist er zu stark, bist Du zu schwach!". Mit diesen deutlichen Worten, gesprochen auf dem 2. Bargeld-Symposium der Deutschen Bundesbank Mitte Mai erteilte der Bundesbank-Präsident all den Hoffnungen auf weitere drastische Schritte der EZB eine kleine Abfuhr. Zur Begründung führte Jens Weidmann aus, dass ein Wechselkursziel durchaus in Konflikt mit dem für die EZB primären Ziel der Preisstabilität geraten könne. Zudem, so Weidmann weiter, sei eine einseitige Wechselkursorientierung für die Geldpolitik eines großen Währungsraums nur schwer vorstellbar, da eine gezielte Schwächung der heimischen Währung immer auch Gegenreaktionen anderer Währungsräume auslösen könne, sodass zu befürchten sei, dass am Ende alle beteiligten Länder schlechter dastünden. Unterstützung bekam Weidmann vom ehemaligen EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing, der zudem weitere Zinssenkungen als wirkungslos bezeichnete.

Allerdings ist Jens Weidmann im EZB-Rat nur einer unter vielen, und es ist durchaus möglich, dass der Bundesbank-Präsident in der kommenden Ratssitzung am 5. Juni überstimmt wird. Denn inzwischen hat sich die Stimmung im obersten Entscheidungsgremium der Zentralbank offensichtlich gedreht. Zwar ließ die EZB trotz Forderung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), angesichts der ungewöhnlich niedrigen Inflation, der schwachen Konjunktur und der hohen Arbeitslosigkeit in einigen Euroländern die Geldpolitik weiter zu lockern, Anfang Mai den Leitzins auf seinem historischen Tiefstand von 0,25 Prozent. EZB-Präsident Mario Draghi machte aber deutlich, dass man schon auf der nächsten Sitzung bereit sei, auch unkonventionelle Mittel einzusetzen, sollten die im Juni anstehenden Wachstum- und Inflationsprognosen der EZB-Ökonomen dies rechtfertigen.

Neben der zu niedrigen Inflationsrate im Euroraum gibt laut Draghi der starke Euro Anlass für "schwerwiegende Besorgnis". Die Aufwertung hat zur Folge, dass sich Importe verbilligen und dadurch das Preisniveau zusätzlich gedrückt wird. Gleichzeitig werden Waren aus dem Euroraum auf den Weltmärkten teurer, sodass Exporte abnehmen und sich infolgedessen die Konjunktur abschwächt. Forderungen sowohl der Politik als auch von Wirtschaftsweisen, den Euro beispielsweise durch Interventionen am Devisenmarkt gezielt zu schwächen, weist die EZB mit Hinweis auf ihre Unabhängigkeit noch klar zurück.

Als mögliche Maßnahmen - auch in Kombination - werden eine weitere Leitzinssenkung, Minuszinsen für Einlagen der Banken bei der EZB, eine langfristige Kreditvergabe mit Auflagen zur Weitergabe der Mittel oder auch ein Ankaufprogramm von Anleihen diskutiert. Ziel der Maßnahmen ist eine Liquiditätsspritze zur Ankurbelung der Konjunktur. Gegen Eingriffe der Zentralbank spricht das Wirtschaftsklima in der Eurozone, das nach Einschätzung des ifo-Instituts so gut ist wie zuletzt Ende 2007. Durch seine sehr gute wirtschaftliche Lage hebt sich Deutschland hervor, während Griechenland, Italien, Portugal und Spanien immer noch mit einer hohen Arbeitslosigkeit, großen öffentlichen Haushaltsdefiziten und einer fehlenden Nachfrage kämpfen. Die Konjunkturerholung sollte für einen steigenden Preisdruck sorgen, was wiederum den gewünschten Anstieg der Inflationsrate zur Folge hätte. Die EU-Kommission und die OECD prognostizieren den Euroländern 2014 ein Wachstum von 1,2 Prozent (nach einem Minus von 0,4 Prozent in 2013). Die Verbraucherpreise in Deutschland sind bereits im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,3 Prozent angestiegen.

Nachdem die Baufinanzierungszinsen Mitte April ein weiteres Rekordtief erreicht hatten, sind sie in der dritten Maiwoche noch einmal gesunken. Die Gründe sind weiterhin die verhaltene Konjunkturentwicklung im Euroraum, die lockere Geldpolitik der EZB und die starke Wirtschaft in Deutschland. Zudem sind die Renditen für langfristige deutsche Staatsanleihen, an denen sich die Baufinanzierungszinsen orientieren, aktuell relativ konstant, sodass kurzfristig kein starker Anstieg der Baufinanzierungszinsen abzusehen ist. Red.

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