Zinskommentar

Wohin mit dem Geld in der Niedrigzinsphase?

Verharrende Zinsen auf niedrigstem Niveau führen dazu, dass das Vermögen der Sparer durch die Inflation geschmälert wird. Wer heute nicht aktiv nach guten Möglichkeiten zur Absicherung oder nach Renditechancen sucht, gegen den arbeitet die Zinsträgheit. Denn Europa hat nicht nur einen kleinen Schnupfen, sondern ist ernsthaft angeschlagen. Entsprechend langsam geht die Genesung von statten: Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), erwartet, dass sich die Konjunktur Europas im ersten Halbjahr 2013 stabilisiert und erst danach langsam erholt. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch die Zinsen noch einige Zeit niedrig bleiben.

Die jüngste Entscheidung, den Leitzins unverändert bei 0,75 Prozent zu belassen, begründete Draghi mit der sinkenden Inflation und ersten Anzeichen der gewünschten Stabilisierung. Tatsächlich liegt die Inflation seit Jahresbeginn - hauptsächlich aufgrund sinkender Nahrungsmittel- und Energiepreise - unter der angestrebten Preisstabilitätsgrenze von zwei Prozent. Damit sei auch die Angst vor und die Erwartung steigender Inflation eingedämmt worden. Besser funktionierende Finanzmärkte und das gestiegene Vertrauen in diese sind laut EZB-Präsident erste Schritte hin zur Stabilisierung. Konkret zeige sich dies an der Rückzahlung von Krediten, welche die EZB den Banken zwischen Dezember 2011 und März 2012 zusätzlich gewährte. Von den insgesamt 500 Milliarden Euro wurden bisher schon rund 200 Milliarden Euro zurückbezahlt.

Trotzdem ist das Zinsübertragungssignal weiterhin gestört und gerade kleine und mittlere Unternehmen, die wichtigen Wachstumsmotoren, erhalten nur spärlich Kredite. Zudem brachen im vierten Quartal 2012 sowohl die Exporte als auch die heimische Nachfrage ein, sodass die Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent zurückging. Die deutschen Wachstumsprognosen wurden deshalb für das aktuelle und das kommende Jahr gegenüber der Annahme vom Dezember 2012 nach unten korrigiert. Im besten Fall geht die EZB für 2013 von einem leichten Rückgang um 0,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus, im schlechtesten von 0,9 Prozent. Für das Folgejahr erwartet die Zentralbank eine Nullrunde und bestenfalls ein Wachstum um zwei Prozent.

Für einen Konjunkturaufschwung braucht Europa mehr Nachfrage nach europäischen Produkten und einen funktionierenden, integrierten Finanzmarkt, der die Liquidität bis zu den kleinsten Unternehmen trägt. Doch damit ist Europa noch nicht geheilt. Denn selbst wenn die Schuldenkrise gelöst ist, wird die Währungsunion ihr strukturelles Problem nicht los: Die Wettbewerbsfähigkeit zwischen den EU-Ländern divergiert erheblich. Wie soll da eine gemeinsame Währung funktionieren? Wettbewerbsstarke Länder wie Deutschland müssten durch Investitionen zum Abbau des Ungleichgewichts beitragen. Die Peripheriestaaten müssten hingegen real effektiv abwerten, indem sie durch Strukturreformen und Lohnmoderation wieder wettbewerbsfähiger würden. Ob dies, vor dem Hintergrund der Wahlen in Italien, der Proteste in Griechenland und Spanien und der Regierung Hollandes in Frankreich, wirklich realistisch ist, bleibt unklar.

Aufgrund der Niedrigzinsphase - die auch in den kommenden Monaten anhalten wird - müssen Sparer ebenso wie Kreditnehmer ihre früheren Finanzentscheidungen überdenken. Negative Realzinsen führen dazu, dass Sparer de facto enteignet werden. Aber auch wer in der Vergangenheit Ratenkredite in Anspruch nahm, bezahlt heute oft mehr als er müsste und sollte deshalb umschulden.

Was für Ratenkredite gilt, stimmt aktuell auch für Baufinanzierungszinsen: Wer vor fünf Jahren eine Immobile erwarb, sollte sich heute um seine Anschlussfinanzierung kümmern. Die Chance, dabei zu günstigeren Zinsen als in fünf Jahren zu finanzieren ist - trotz aktueller "Zinsträgheit" - sehr hoch. Nicht jeder sollte in Immobilien investieren, nur weil das Zinsniveau niedrig ist. Wer allerdings den Wunsch vom Eigenheim hat und es sich leisten kann, dem bietet die aktuelle Situation hervorragende Bedingungen. (Dr. Klein & Co. AG)

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