Leitartikel

Gesten des Unvermögens

Große private Wohnungsanbieter haben hierzulande ein Imageproblem. Dazu haben sie selbst einiges beigetragen. Vor allem seit internationale Fonds die Bestände übernommen haben, wurden die Klagen über steigende Mieten bei gleichzeitig sinkendem Service und unzureichenden Instandhaltungsinvestitionen lauter. So gibt es mittlerweile Anbieter, deren Ruf derart mies ist, dass sie ihren Markenwert faktisch pulverisiert haben. Manche vor Jahren privatisierte Liegenschaft gilt heute als unvermietbar. Dass die Kommunen dem Verfall solcher Quartiere nicht tatenlos zusehen, ist ihre Pflicht. Zu Recht fürchten sie, dass sich dort soziale Brennpunkte bilden, die letztlich für die Städte erhebliche Kosten verursachen und ihre Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort leiden lässt. Um wenig Aufmerksamkeit zu erregen und den Schaden gering zu halten, wird in der Regel eine stille Lösung bevorzugt. Diese kann so aussehen, dass eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft die maroden Häuser übernimmt, um sie abzureißen oder zu sanieren. Für die privaten Unternehmen ist das ein sehr eleganter Weg, sich von lästigen und längst abgeschriebenen Beständen zu trennen.

Diesen Weg hatte sich Dresden 2006 selbst versperrt, indem die eigene Wohnungsbaugesellschaft mit mehr als 49000 Einheiten an die von Fortress kontrollierte Gagfah verkauft wurde. So blieb nur, den Investor auf 1,084 Milliarden Euro Vertragsstrafe zu verklagen - etwa so viel wie seinerzeit für die Dresdner Wohnungsbaugesellschaft bezahlt wurde. Da der Ausgang des Verfahrens von Anfang an als ungewiss galt und Gegenklage erhoben wurde, einigten sich beide Parteien auf einen außergerichtlichen Vergleich. Dieser sieht vor, die sogenannte Sozial-Charta fünf Jahre länger, also bis April 2021, gelten zu lassen. Zudem müssen in die Instandhaltung künftig 7,56 Euro pro Quadratmeter statt bislang fünf Euro investieren werden und die Belegungsrechte werden um 2000 auf insgesamt 10000 Wohnungen aufgestockt. Zusätzlich erhält Dresden von 2012 bis 2020 jeweils vier Millionen Euro von der Gagfah, von denen 40 Prozent in soziale Projekte fließen sollen, die den Gagfah-Mietern in Dresden zugutekommen.

Was zunächst wie ein Erfolg für Dresden klingt, ist wohl eher eine Niederlage. So interpretiert es zumindest die Börse. Solange die Klage bestand, kostete die Gagfah-Aktie kaum mehr als vier Euro. Als bekannt wurde, zu welchen Konditionen sich beide Parteien geeinigt hatten, schnellte das Papier wieder über die Marke von sechs Euro. Sicherlich musste die Gagfah für die Streitbeilegung manche Kröte schlucken, doch was ausgehandelt wurde, ist für die Fort-ress-Beteiligung immer noch vorteilhaft. Der vereinbarte Instandhaltungsaufwand gilt in Branchenkreisen als zu wenig. Kritisch zu sehen ist, dass sich das Unternehmen durch eine "Sozialabgabe" an die Stadt von seiner Verantwortung für die Mietermischung, den Quartiersfrieden und die Umfeldentwicklung freikaufen konnte.

Das Dresdner Debakel hat aufgeschreckt. Inzwischen wird bei der Privatisierung von Wohnungsbeständen versucht, so viel öffentlichen Einfluss wie möglich zu wahren. Nach öffentlicher Kritik am Verkauf der LBBW Immobilien mit ihren 21 000 Wohnungen ist mit dem von der Patrizia Immobilien geführten Konsortium die Sozial-Charta nachverhandelt worden. Für Modernisierungen und Instandhaltung müssen in den nächsten zehn Jahren zusätzlich 98 Millionen Euro investiert werden, doch sollen Mietsteigerungen im Zuge von energetischen Sanierungen begrenzt werden. Im Falle einer vollständigen Rückzahlung der öffentlichen Förderdarlehen sollen die Kommunen ihre Belegungsrechte - insgesamt rund 7 500 - acht Jahre länger nutzen können sowie die Mietpreisbindung fünf Jahre über die gesetzliche Mindestfrist von acht Jahren hinausgehen. Zudem gilt ein erweiterter Kündigungsschutz und das Unternehmen muss einen Kernbestand von mindestens 18000 Wohnungen innerhalb der nächsten 20 Jahre in Baden-Württemberg bewirtschaften.

Mit solchen Vereinbarungen mag sich die öffentliche Hand in dem Gefühl wähnen, die privaten Investoren auf die sozialen Aspekte der Wohnungsbewirtschaftung verpflichtet zu haben. Tatsächlich aber wird mit den sogenannten Sozial-Chartas eingestanden, dass genau das nicht funktioniert. Private und kommunale Unternehmen sind ihren Eigentümern verantwortlich und sollen deren Interessen entsprechend den Marktbedingungen bestmöglich verfolgen. Die Vorgaben einer Sozial-Charta werden allenfalls befolgt, aber nie als Teil der Unternehmenskultur oder gar des Kundenservices empfunden. Nichtsdestotrotz werden Bieter für öffentlichen Wohnungsbestände - wie jetzt für die bundeseigene TLG und die Bayern-LB-Beteiligung GBW außer mit dem besten Preis künftig auch mit transparenten Geschäftsplänen und mehr sozialer Verantwortung überzeugen müssen. Dabei wird auch das Image ausschlaggebend sein.

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