Leitartikel

Zweckbindung

Verkauf gescheitert. Eine solche Meldung ist, wenn sie sich auf eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft wie die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt bezieht, das gegenwärtige Marktumfeld vor Augen habend wahrhaft ungewöhnlich. Erst recht aufhorchen lässt, wenn die zuständigen hessischen Minister Thomas Schäfer (Finanzen) und Florian Rentsch (Wirtschaft) dies damit begründen, dass nach Prüfung verschiedener Optionen "ein Verkauf der Landesbeteiligung unter den aktuellen Bedingungen wirtschaftlich nicht sinnvoll möglich ist". Dabei werden doch seit Ende der neunziger Jahre emsig Wohnungsbestände veräußert. Weit über 300 Transaktionen von Wohnungsbeständen mit mehr als 800 Einheiten hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumplanung von 1999 bis heute gezählt. Dabei gehörten Bund, Länder und Kommunen mit einem Anteil von 45 Prozent zu den maßgeblichen Verkäufern. Insgesamt 917 000 Wohnungen aus dem öffentlichen Bestand, davon 385 000 aus kommunaler Hand, wurden zwischen 1999 und 2011 veräußert. Abzüglich der gleichzeitig erfolgten Zukäufe gingen per Saldo 550 000 Einheiten aus dem öffentlichen Immobilienvermögen ab.

Zwar brach der rasant gewachsene Markt des Handels mit privaten und öffentlichen Wohnungspaketen mit Ausbruch der Finanzmarktkrise jäh ein und dümpelte in den beiden darauf folgenden Jahren nur noch vor sich hin, doch schon 2011 ist hinsichtlich der Zahl der Transaktionen und der dabei gehandelten Wohnungen wieder das Niveau vor den Boom-Jahren 2004 bis 2007 erreicht worden. Insgesamt wechselten im vergangenen Jahr 21 große Wohnungsbestände mit zusammen rund 90 200 Einheiten den Besitzer. Auch wenn dabei der Börsengang der Berliner GSW und die Mehrheitsübernahme der Colonia Real Estate durch die Hamburger TAG die Statistik dominierten, so ist auch ohne diese beiden Transaktionen eine Zunahme zu erkennen. Dass sich diese Entwicklung 2012 noch beschleunigt, wird anhand der jüngsten Verkäufe deutlich. So bringen es allein die vier größten veräußerten Gesellschaften auf 92 000 Wohnungen. Darunter waren neben privaten Offerten wie Speymill und Baubecon auch wieder Angebote, die als Landesbankentöchter mittelbar der öffentlichen Hand zuzurechnen sind, wie die LBBW Immobilien und die DKB Immobilien. Doch die Privatisierungspipeline hält noch einiges bereit wie zum Beispiel die ausschließlich im ostdeutschen Markt aktive TLG oder die auf EU-Geheiß von der Bayern-LB zu verkaufende GBW.

Freilich glückt nicht jede Transaktion auf Anhieb. Bekanntlich ließen widrige Marktverhältnisse Cerberus und Goldman Sachs den Börsengang der GSW verschieben, auch der Bund musste für den TLG-Verkauf einen zweiten Anlauf nehmen und so manch anderen Privatisierungsversuch vereitelte der Widerstand aufgebrachter Bürger und verängstigter Mieter. Zuletzt ließ der juristisch und medial ausgetragene Streit zwischen der Stadt Dresden und der Gagfah über die Einhaltung der vereinbarten Sozialcharta und die Erfüllung der Investitionsauflagen jedoch nur kurzzeitig die alte Diskussion wieder aufleben, ob öffentliche Wohnungsbestände in private Hand gegeben werden sollten.

Doch weder Bürgerwut noch Marktturbulenzen haben den Verkauf der Nassauischen verhindert, sondern schlicht die "restriktiven Regelungen" im Gesellschaftsvertrag, der seinen Ursprung in der Historie des Unternehmens als einer von zwölf preußischen Wohnungsbaugesellschaften hat und eine Privatisierung faktisch ausschließt. Denn unter § 2 heißt es: "Zweck der Gesellschaft ist vorrangig eine sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der breiten Schichten der Bevölkerung. Dabei sind im Besonderen auch Wohnungssuchende zu berücksichtigen, die aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse oder Umstände Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben ..." und weiter: "Die Gesellschaft hat als Organ der staatlichen Wohnungspolitik darüber hinaus die Aufgabe, bei der Wohnungs- und Städtebaupolitik des Landes Hessen mitzuwirken. Sie steht dem Land, Städten und Gemeinden ... für Planungen und zur Durchführung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Wohnungs- und Städtebaus, des Aufbaus der Infrastruktur sowie der Wohnungswirtschaft zur Verfügung ..." Damit kommen als Käufer ohnehin nur noch öffentliche Träger und deren Institutionen wie zum Beispiel die Hessische Landesbank infrage. Doch müssten sich diese mit strengen Renditeauflagen begnügen. Denn aus dem Gesellschaftszweck abgeleitet, darf der ausgeschüttete Gewinnanteil vier Prozent der Einzahlungen der Gesellschafter auf die Stammeinlage nicht übersteigen. Damit ist klar, dass die Nassauische Heimstätte keine Cash-Cow für Investoren sein darf, sondern in ers -ter Linie einen sozialen Auftrag zu erfüllen hat. Mit solch einer mageren Rendite lassen sich noch nicht einmal jene Immobilienkäufer abspeisen, die derzeit für mehr Sicherheit kräftige Abstriche in der Verzinsung hinnehmen. Das aber hätte man vorher wissen können.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X