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Gewerbliche Immobilienfinanzierung: Megatrends sorgen für hohen Finanzierungsbedarf

Seit Ausbruch der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise vor nunmehr gut fünf Jahren hat sich der volkswirtschaftliche und ordnungspolitische Rahmen für Gesellschaft und Wirtschaft fundamental gewandelt. Sukzessive konkretisieren sich die Umrisse einer "neuen Normalität", welche nicht nur die Banken, sondern Gesellschaft wie Wirtschaft und Politik gleichermaßen betreffen wird.

Mit Blick auf die makroökonomischen Aspekte ist festzuhalten, dass sich die südeuropäischen Länder gegenwärtig in einer Rezession befinden. Ihre Wirtschaft wird nur langsam wieder wachsen und die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Niveau verweilen. Dies dürfte zunehmend die politische Lage in den entsprechenden Ländern beeinflussen. In diesem Umfeld werden die Zentralbanken das Zinsniveau auf mittlere Sicht wohl niedrig halten. Das mag zwar für Schuldenstaaten Vorteile bringen. Es stellt aber andererseits all diejenigen, die auf Geldanlagen zur Vermögensbildung etwa zur Altersvorsorge angewiesen sind und auch die Banken bei ihrer Liquiditätsanlage, vor große Herausforderungen. Gleichzeitig klären sich die künftigen regulatorischen Anforderungen für den Bankensektor zunehmend. Die vielfältigen Maßnahmen müssen jedoch miteinander koordiniert werden und auch zahlreiche technische Details sind nach wie vor offen.

Gleiches Risiko - geringeres Renditeniveau

In der gewerblichen Immobilienfinanzierung hat die "neue Normalität" vor allem drei Konsequenzen. Erstens, die regulatorischen Neuerungen erhöhen die Kapitalund Liquiditätsanforderungen. Dies wird die möglichen Kreditvolumina, die Banken insgesamt bereitstellen können, sowie die Margengestaltung beeinflussen. Zum Zweiten dürften es deshalb einen wachsenden Wettbewerb um Kundeneinlagen und pfandbrieffähiges Geschäft geben - denn Einlagen und Pfandbriefe werden gegenwärtig aus heutiger Sicht von den neuen regulatorischen Anforderungen begünstigt. Die Rahmenbedingungen für unbesicherte langfristige Refinanzierungen bleiben weiterhin ungewiss. Der dritte Aspekt geht aus den beiden genannten Faktoren hervor: Alle Markteilnehmer müssen sich darauf einstellen, dass bei gleichem Risiko nur noch ein niedrigeres Renditeniveau im Vergleich zum "old normal" vor der Finanzkrise nachhaltig erreichbar sein wird.

Dieser Zustand ist somit kein kurzfristiges Phänomen, sondern wird die volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen dauerhaft prägen. Gewerbliche Immobilienfinanzierer müssen sich damit auseinandersetzen, um rechtzeitig die notwendigen strategischen Weichen für ihr jeweiliges Geschäft zu stellen. Die "neue Normalität" mit den beschriebenen Konsequenzen ist aber nicht der einzige relevante Einflussfaktor für die Zukunft der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Vieles spricht dafür, dass sich die gewerblichen Immobilienmärkte nachhaltig positiv entwickeln werden, weil sie maßgeblich von drei langfristigen gesellschaftlichen Megatrends der Immobilienmärkte profitieren.

Diese sind in ihrer Substanz unbestritten und trotz aller Unsicherheiten der vergangenen Jahre nach wie vor vollkommen intakt: Erstens die demografische Entwicklung, sowohl in den Industriestaaten als auch in den Schwellenländern, zweitens der gesellschaftliche Strukturwandel, der stark mit der Digitalisierung in vielen immobilienwirtschaftlichen Bereichen zusammenhängt, und drittens der zum Teil aus den ersten beiden Megatrends resultierende massive Modernisierungsbedarf.

Demografie und Strukturwandel

Mit dem demografischen Wandel sehen sich viele fortgeschrittene Volkswirtschaften konfrontiert. Die Umkehrung der Alterspyramide führt zu überwiegend alternden und in einigen Ländern schrumpfenden Bevölkerungen, wie beispielsweise in Deutschland, Japan oder Polen. Andere Volkswirtschaften, wie beispielsweise Großbritannien und die USA werden in den kommenden Jahren aufgrund von Zuwanderung wahrscheinlich wachsende Bevölkerungszahlen aufweisen. Aber auch für diese gilt, dass der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung sinkt. Nach Schätzungen der Weltbank wird die sogenannte Dependecy Ratio, also das Verhältnis der Menschen, die jünger als 15 Jahre beziehungsweise älter als 64 Jahre sind gegenüber der Gruppe der 15 bis 64 jährigen, in der Europäischen Union von 50,6 Prozent im vergangenen Jahr auf 64,0 Prozent im Jahr 2030 wachsen. In den USA fällt der Anstieg ähnlich aus: von 49,8 Prozent auf 63,9 Prozent.

Die entsprechenden Fragestellungen sind in den vergangenen Jahren breit diskutiert worden. In den betroffenen Ländern wird der Bedarf an Wohnimmobilien dennoch weiter ansteigen, was insbesondere an der zunehmenden Zahl von Einund Zwei-Personen-Haushalten liegt. Zudem sorgt die notwendige Verlängerung der Lebensarbeitszeit in den meisten Industrieländern dafür, dass der Bedarf an hochwertigen Gewerbeimmobilien, die altersgerechtes Arbeiten ermöglichen, nach wie vor wachsen wird.

Doch nicht nur die entwickelten westlichen Volkswirtschaften haben sich demografischen Herausforderungen zu stellen, sondern auch zahlreiche Schwellenländer - allerdings mit teilweise umgekehrten Vorzeichen. Sie müssen mit Bevölkerungswachstum und den damit verbundenen wachsenden Ansprüchen an die Infrastruktur zurechtkommen.

Für die Türkei beispielsweise schätzt die Weltbank ein Bevölkerungswachstum von gegenwärtig rund 74 Millionen Einwohnern auf fast 87 Millionen im Jahr 2030. Im Gegensatz zu den fortgeschrittenen Volkswirtschaften nimmt hier die Dependency Ratio von 49,8 Prozent sogar leicht auf 48,2 Prozent ab. Der Bedarf an Wohn- und Arbeitsräumen wird in Schwellenländern weiter steigen. Für die Immobilienwirtschaft bieten beide Entwicklungen große Chancen.

Einer der vielen positiven Effekte der Globalisierung liegt in der Chance für ärmere Länder, sich als Produktionsstandorte zu etablieren und damit die Basis für die Entwicklung von Wohlstand für breitere Bevölkerungsschichten zu schaffen. Dies führt dazu, dass viele Schwellenländer der "ersten Generation" sich bereits an der Schwelle von Produktions- zu Dienstleistungsgesellschaften befinden. Der langfristige Umbau dieser Gesellschaften bringt einen gravierenden Wandel in der Immobiliennutzung und damit die Notwendigkeit der Investition in Gewerbeimmobilien verschiedenster Art mit sich.

Die Dienstleistungsgesellschaften in den entwickelten Volkswirtschaften hingegen bewegen sich bereits deutlich in Richtung Informations- und Wissensökonomien. Neue Arbeitsweisen und neue Formen der Zusammenarbeit stellen völlig neue Anforderungen an die Gestaltung und Ausstattung von Arbeitsplätzen.

Hochwertige Gewerbeimmobilien werden in Zukunft nicht nur höchsten gebäudetechnischen Anforderungen entsprechen - sie müssen zugleich technisch und ästhetisch zukunftssicher und darüber hinaus lebenswert sein, um die Ansprüche des modernen "homo multimedialis" zu befriedigen. In diesem Zusammenhang sind der verstärkte Technikeinsatz und die Digitalisierung besonders im immobilienwirtschaftlichen Geschäft von großer Bedeutung.

Modernisierungsbedarf

Aus den beiden ersten skizzierten Megatrends resultiert ein steigender Bedarf an modernen und zukunftssicheren Immobilien, sowohl im privaten wie im gewerblichen Bereich. Gefragt sind Objekte, die auf Basis nachhaltiger Kriterien konzipiert sind. Dies umfasst etwa umweltund energieeffiziente Gebäude, die sich durch Barrierefreiheit, optimale Versorgung mit (daten-)technischer Infrastruktur oder eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit auszeichnen. Neben den notwendigen Neuinvestitionen stehen dabei aber vor allem Modernisierungen bestehender Immobilien im Fokus. Die Bestandsimmobilie wird eine Renaissance erleben und das über nahezu alle Objektarten hinweg.

Finanzierungspartner müssen sich intensiv mit den beschriebenen Megatrends beschäftigen, um die entsprechenden Effekte auf die weltweiten Immobilienmärkte kompetent abzuschätzen. Eine große Herausforderung besteht dabei darin, langfristige Prognosen für jeden Einzelfall übersetzen zu können. Denn wer heute in hochwertige Gewerbeimmobilien investiert, muss die grundlegenden Entwicklungen etwa in technischer und ästhetischer Hinsicht lange vorwegnehmen.

Die gesellschaftlichen Megatrends gelten auch in der "neuen Normalität" und sorgen dafür, dass die Immobilienmärkte vor einer guten Zukunft stehen. Es ist davon auszugehen, dass die Megatrends nicht nur ein signifikantes Wertsteigerungspotenzial für Wohn- und Gewerbeimmobilien, einschließlich Hotels, Logistik- und Einzelhandelsimmobilien, bergen. Sie sorgen darüber hinaus für ein nachhaltig hohes Investitionsvolumen auf den Immobilienmärkten - und damit nicht zuletzt auch für einen hohen Finanzierungsbedarf.

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