Leitartikel

Gut beraten

"Vertrauen ist der Anfang von allem." Mit diesem Slogan war eine führende deutsche Bank in den neunziger Jahren deshalb so erfolgreich, weil er nicht nur die Grundlage jeder Finanzanlage, sondern schlichtweg aller Bereiche des wirtschaftlichen, aber auch des persönlichen Lebens benennt. Gewiss, dies festzustellen, ist eine Banalität, und es der Finanzwirtschaft, speziell den Absatzstrategen und ihren Legionen von Kundenberatern ins Gedächtnis zu rufen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Und dennoch bleibt kritisch anzumerken, dass sich in den letzten Jahren offensichtlich ein Vertrauensdefizit aufgebaut hat. Gewachsen ist dies auch, weil sich augenscheinlich immer weniger Vermittler und ihre übergeordneten Steuerungseinheiten dem nachhaltigen Kundenvertrauen verpflichtet fühlten - oder um es deutlicher zu sagen - die Werthaltigkeit des Gutes "Vertrauen" wurde neu definiert und leider allzu oft nicht im Sinne des Kunden und einer nachhaltigen Kundenbindung "verwertet". Doch Vorsicht vor vorschnellen Urteilen. Die Verkaufswut der zum Absatzakkord gepeitschten Vermittler paart sich allzu oft mit dem manischen Verlangen vieler Anleger, von einer Renditechance zur nächsten zu hetzen. Längst sind auch aus den sesshaftesten Sparern Zinsnomaden geworden, für die die dritte Nachkommastelle mehr zählt als ehrliche Beratung. Guter Rat hat eben auch einen Preis. Insofern hatten sich die Vermittler von Finanzprodukten in den letzten Jahren nur dem Verhalten ihrer Klientel angepasst. Jetzt wächst wieder die Sehnsucht nach Verlässlichkeit, Stabilität, Sicherheit, was Anleger auf Produkte vertrauen lässt, die all das schon immer repräsentierten. Bausparen ist so ein Produkt wie die jüngsten Absatzerfolge von Schwäbisch Hall, Wüstenrot und LBS belegen. Die Offenen Immobilienfonds sollten ebenfalls zu diesen "Grundwerten" solider Kapitalanlagen zählen. Denn zeichnen sie sich nicht durch eine stetige Wertentwicklung bei geringen Wertschwankungen aus?

Doch anders als vor ein paar Jahren gibt es - dank der Initiativen des BVI - diesmal keine Strukturkrise, wohl aber ein Vertrauensproblem. Dies betrifft zwar nicht die gesamte Branche, aber immerhin ein rundes Dutzend Fonds. Doch wer traut hier wem nicht? Dass der Fondsmarkt vorerst in geöffnete und geschlossene Offene Immobilienfonds gespalten bleibt, zeigt, dass die Manager der eingefrorenen Sondervermögen ganz offensichtlich nicht an ein wohlwollendes Anleger- respektive Beraterverhalten glauben wollen. Oder wie ist es anders zu werten, dass die zunächst auf drei Monate befristete Schließung der Fonds inzwischen auf zwölf Monate ausgedehnt wurde, wobei die Verantwortlichen zugleich beteuern, diesen Rahmen nicht voll ausschöpfen zu wollen? Ihre Hoffnung: Wenn die Anleger nicht wissen, wann der Fonds wieder geöffnet wird, können die Investoren auch nicht planen, wann sie die Fondsanteile zu Barem machen können. Vertrauen schafft das nicht. Dennoch haben die Fondsmanager keine Wahl. Schließlich sind sie nicht nur den ausstiegswilligen, sondern auch den bleibenden Investoren verpflichtet. Trotzdem hat das Ansehen der Anlageform "Offener Immobilienfonds" erheblichen Schaden genommen. Denn bereits Ende Oktober, als zwölf Fonds geschlossen wurden, war absehbar, dass angesichts des schwierigen Marktumfeldes die benötigte Liquidität nicht in drei Monaten zu vertretbaren Konditionen zu beschaffen sein würde: Erstens sind Kredite kaum noch zu haben. Zweitens war schon im Herbst 2008 bekannt, dass die internationalen Investmentmärkte angesichts fehlender Finanzierungen erstarrt sind und dies auch noch eine Weile bleiben werden. Drittens: Verständlicherweise ist das Interesse der Anleger an einem Fondsinvestment nicht sonderlich groß, wenn sie nicht abschätzen können, wann und in welcher Höhe sie mit einer "Verzinsung" ihrer Investition rechnen dürfen. Umso beachtlicher ist es, dass die zwölf geschlossenen Offenen Fonds allein im Monat November immerhin knapp 143 Millionen Euro einsammelten. Für eine Wiedereröffnung nach den ersten drei Monaten hat das freilich nicht bei allen Fonds gereicht.

Diese Absatzerfolge nähren freilich die Hoffnung, dass sich die Vertriebe bei dem zunehmenden Anlegerinteresse nach "stabilen Werten" auch auf die Offenen Fonds zurückbesinnen. Zwar sollte die Fondsschließung die ultima ratio bleiben, doch hat die Vergangenheit gezeigt, dass dadurch Wertverluste für die Anleger wirkungsvoll vermieden werden können. Eine Garantie, dass es auch diesmal so sein wird, gibt es freilich nicht. Vielmehr besteht durchaus Grund zur Sorge. Denn ganz ohne Objektverkäufe - auch das haben vergangene Fondsrettungen gezeigt - geht es nicht. Allerdings präsentiert sich der Markt heute deutlich preissensibler. Die Multiplikatoren schnurren zusammen und der Attentismus an den Immobilienmärkten lässt eine faire Preisfindung ohnehin kaum zu. Dass das Gros der Notverkäufe erst für die zweite Jahreshälfte erwartet wird, also just in jenen Monaten, in denen die jetzt noch eingefrorenen Fonds wieder öffnen müssen, ist sicherlich kein Zufall.

Weniger Probleme mit flüchtenden Anlegern haben diesmal die Fonds, deren Anlegerschaft sich weitgehend oder gänzlich aus Privaten zusammensetzt und deren Vertrieb in erheblichem Maße oder ausschließlich über die eigene Bankengruppe erfolgt. Offensichtlich ist die Berater- und die Kundenloyalität hier größer als bei jenen Fonds, die sich auf externe Vermittler stützen müssen und deshalb vorwiegend institutionelle Anleger und Vermögensverwalter als Zielkunden akzeptieren müssen. Dass deren Anlageverhalten nicht zum Charakter der Anlageform "Offener Immobilienfonds" passt, sollte jedoch inzwischen gelernt sein. Wenn Börsenwerte abschmieren und Derivate riesige Löcher in das Vermögen der (semi-)professionellen Anleger reißen, wird die Stärke der Offenen Immobilienfonds - ihre Wertstabilität - zu ihrem Verhängnis. Schließlich sorgt sie dafür, dass bei Verlusten der übrigen Vermögenswerte im Portfolio die Immobilienquote über die Maßen hochschießt, was nicht selten deren "Anpassung" zur Folge hat. Umso wichtiger ist es, bei den Vermittlern frühzeitig initiativ zu werden. In diesem Sinne sind die Informationsbriefe, mit denen in diesen Tagen die Manager der Offenen Fonds die Berater "beraten", richtig, aber überfällig. Wie erfolgreich diese Überzeugungsarbeit letztlich ist, werden zwar erst die Nettomittelzuflüsse der kommenden Monate zeigen, doch umsonst ist das mühsame Werben um Vertrauen - ob beim Vermittler oder direkt beim Kunden - nie. L. H.

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